von Brigitta Hochuli, 24.02.2014
Grossartig gespielt
Das See-Burgtheater hat im Kreuzlinger Theater an der Grenze „Der Zwerg in mir“ der Thurgauer Autorin Andrea Gerster uraufgeführt. Regisseur Leopold Huber konnte auf eine Truppe zählen, die alles gab.
Brigitta Hochuli
Das Spiel ist so grossartig, dass es beinahe ablenkt vom Inhalt: Jelka flieht vor dem Krieg in Jugoslawien in die Schweiz, wird vergewaltigt und schwanger, verliert das Kind bei einer Sturzgeburt, rappelt sich auf und wird Schauspielerin. Doch in ihrem Bauch hat sich ein „Zwerg Niemand“ eingenistet, der Ansprechpartner wird und schliesslich tödlicher Wuchs.
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Ivana Martinovic, Zürcherin kroatischer Muttersprache, zeigt eine zwischen Verzweiflung, Schmerz, Wahnsinn und Hoffnung schwankende Frau in ihren Altersjahren von 18 bis 34. Begleitet wird sie auf dem Akkordeon von Goran Kovacevic, der nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihr gesangliches Talent kongenial verstärkt. In mehreren Nebenrollen spielt Astrid Keller etwa die verbiesterte allergische Mutter Jelkas, die Funktionärin oder die tuschelnde Theaterexpertin, Hans Rudolf Spühler den Vergewaltiger, Anwalt oder Arzt. Die beiden stehen dem ergreifenden Spiel der Hauptdarstellerin in nichts nach, zeigen variantenreich ihr Können und sorgen mitunter für irritierende Komik. Für die karge Bühnenausstattung mit den fast durchwegs grauen Kostümen ist Klaus Hellenstein verantwortlich. Neben der Musik wird sie durch Videoaufnahmen emotional aufgemischt, die die Schauspieler live von sich selber an die Rückwand der Bühne projizieren - eine Idee, die bewegt.
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Man wusste im Vorfeld der breit angekündigten Premiere und erst recht nach dem von Regisseur Leopold Huber geführten Einführungsinterview mit Autorin Andrea Gerster einiges über das Stück. So, dass "Der Zwerg in mir" nichts für „ängstliche Leute“ sei, oder dass es sich, zuerst als Kurzgeschichte „angedacht“, sprachlich bald zur Theaterfassung ohne lästige Regieanweisungen entwickelt habe. Huber schwärmte von den pointierten Dialogen zwischen und in denen Raum sei für das Unausgesprochene. „Konkretismus“ nenne Gerster die Art, wie Jelka alles Gesagte wörtlich nehme und sich dabei der Veräppelung preisgebe.
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Die Zuschauer sollten sich in ihren Köpfen die eigenen Bilder machen, Rückblenden erschwerten ihnen den Zugang zur Geschichte, meint der Regisseur. Titel-Einblendungen von „Gericht“ über „Nervenheilanstalt“ und „Diplomprüfung“ wirken dieser Absicht jedoch entgegen. Was bleibt, ist ein trotz allem linearer Sog und sind starke optische und musikalische Eindrücke von Schubert zum Chanson. Die eigenen Bilder stellen sich nicht so richtig ein, auch wenn sie mit Hilfe eines gut konstruierten Stücks Lebens- und Traumkraft über die Ausweglosigkeit einer furchtbaren Opfersituation hinweghelfen könnten. Was bleibt, ist zudem der Satz des Regisseurs: „Gib einfach nicht auf, weil vielleicht ist nicht mal der Tod eine Tatsache.“
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„Der Zwerg in mir wird bis Anfang April in Kreuzlingen, Weinfelden, Konstanz und St. Gallen gespielt. Daten und Orte auf www.see-burgtheater.ch.
"Grautöne eines Frauenlebens", Dieter Langhart in der Thurgauer Zeitung
Kritik im "Südkurier" von Maria Schorpp
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