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von Uwe Schuran, 28.06.2016

Uwe Schurans Herz für Malawi

Uwe Schurans Herz für Malawi
Uwe Schuran mit der Theatertruppe Nanzikambe Arts in Malawi, Afrika | © zVg

"Diese Aufführung ist eines der eindrücklichsten Erlebnisse meines Lebens", sagt Uwe Schuran über seine afrikanische Theaterpremiere als Regisseur. Im Thurgau kennt man den Konstanzer Schauspieler, Regisseur und Moderator von der Frauenfelder Wochenschau zusammen mit Markus Keller, aber auch von Rollen im Freien Theater Thurgau, dessen Gründungsmitglied er war. Diesen Frühling hat Uwe Schuran in Malawi ein Theaterprojekt auf die Beine gestellt, das ihn tief berührt hat. Wir haben ihn dazu befragt. Aber lassen wir ihn zunächst selber erzählen.

Uwe Schuran

Im Juni 2015 habe ich für das Stadttheater Konstanz Theatergruppen aus Kuba und Malawi während des Strassentheaterfestivals betreut. Dadurch lernte ich diese Menschen kennen und freundete mich mit einigen an. Ausserdem war ich sehr angetan von ihrer Professionalität und Qualität der Darbietungen.

Von Kuba nach Afrika zur Wochenschau

Neugierig geworden, machte ich mich im Oktober auf nach Kuba und dann nach Malawi. Ich wollte zum einen die neuen Freunde wiedersehen, aber auch mehr über diese Länder und das Theater dort erfahren. In Malawi entstand dann die Idee einer gemeinsamen Produktion. In kürzester Zeit wurden das Ensemble gecastet und einige erste Proben zum Stück "Ku Kabula" am Ende meines Aufenthalts durchgeführt sowie eine 20minütige Preview an meinem Abschiedsfest am 12. November. Danach stand in Frauenfeld direkt KellerSchuran mit der Wochenschau dem Plan, und ich versank in meiner Arbeit.

Zweite Reise

Anfang dieses Jahres (2016) entschied ich, nochmals nach Malawi zu reisen, um dieses wunderbare Land und meine Freunde wiederzusehen und auch mal zu schauen, was aus der Produktion geworden war.

Ende Februar kam ich in Blantyre an und erfuhr, dass sozusagen nichts vorangegangen war.

 

 

Ich entschied spontan, die sechs Wochen zu nutzen und das Stück zu erarbeiten. Das bedeutete aber, ohne jegliche Förderung oder Unterstützung zu produzieren, das heisst, das ganze Ensemble und ich bekamen kein Geld. Ausserdem sah ich mich gezwungen, die Produktionskosten privat zu übernehmen, da keiner der Beteiligten Geld hat. Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt, das durchschnitliche Monatseinkommen liegt bei 30 Dollar.

Täglich 1.50 Franken für den Bus

So gab ich zum Beispiel den beiden Drummern, die in ganz Malawi bekannt sind, jeden Tag 1,50 Franken, damit sie den Bus nehmen können und nicht zehn Kilometer zu Fuss laufen mussten.

Die Probenzeit begann mit Beginn meiner zweiten Woche und ich spürte, dass wir sehr zügig vorankamen. Das Team war unglaublich motiviert und begeisterungsfähig, und ich wusste gottseidank sehr genau wo ich hin wollte. Am Ende der ersten Woche war mir klar, dass wir mit drei Wochen hinkämen und legte den Premierentermin auf Ostern fest.

500 Zuschauer in einem Dorf mit sechs Häusern

Gleichzeitig wurden einige Gastspiele in Malawi vorbereitet, die alle noch vor meiner Abreise am 11. April stattfinden sollten. Zusätzlich erreichte uns eine Einladung in ein Village, dessen Chief (Vorsteher eines Dorfes) selber Musiker ist und kulturell einiges bewegen will. Wir verabredeten, die Endproben dort zu machen und am Ostersamstag eine Vorpremiere im Dorf zu machen. Diese Dorf besteht aus 6 Häusern und ist ohne Strom und fliessend Wasser. Zur Aufführung am Samstagnachmittag erschienen dann ca 500 Menschen, zum Teil waren diese eine bis zwei Stunden zu Fuss unterwegs. Diese Aufführung ist eines der eindrücklichsten Erlebnisse meines Lebens.

 


 

Die Tage in dem Dorf Chingalire waren unglaublich berührend aber auch produktiv. Am Ostermontag fand dann die Premiere in Blantyre statt, wenige Tage später gab es eine Aufführung in Mzuzu (600 km entfernt, 13 Stunden Fahrt) sowie in Zomba an der Universität. Bevor ich einige Tage später zurückflog mit dem Ziel, diese Produktion im Herbst in Deutschland und in der Schweiz zu zeigen.

 

Facebook, 28. März 2016

Endlich komme ich dazu, etwas über "Ku Kabula" zu posten. Nach drei Wochen sehr intensiven und tollen Proben findet heute Abend die Premiere in Blantyre/Malawi statt. Meine erste englischsprachige Inszenierung, die aber auch auf Chichewa gespielt wird. Und meine erste "afrikanische" Produktion - ich hoffe nicht die letzte. Die letzten Tage haben ich mit diesem unglaublich tollen Team in Changilire, einem kleinen Dorf verbracht und am Samstag für die Dorfbevölkerung eine Vor-Premiere gespielt.

 

Diese Lowlowlow-Budget Produktion soll auch bald in Deutschland und der Schweiz zu sehen sein. Das Stück in (einfachem) Englisch soll nicht nur Musik und Tanz von Malawi - the warm Heart of Africa - vermitteln, sondern auch in Theaterszenen den Alltag der Bevölkerung zeigen und einige Informationen zu diesem fast unbekannten, aber sehr friedlichen und liebenswerten Land transportieren. Aber nun erstmal die Premiere! Ich freue mich wahnsinnig darauf!

 

Es war die beste und unproblematischste Probenzeit, die ich je erlebt habe. Und das Stück ist toll geworden, ein Powertheater! Meine Idee ist, neben Musik und Tanz aus Malawi auch eine Geschichte zu erzählen und das Publikum neugierig zu machen auf dieses arme, wunderschöne und fast unbekannte Land sowie einige Informationen rüberzubringen. Sozusagen Infotainment.

Ruhig geworden um nanzikambe arts

Daneben hatte ich noch Interviews im Fernsehen und Radio und es erschienen mehrere Zeitungsartikel. Ein sehr bewegende Zeit für mich und ein wichtiger Schritt für nanzikambe arts, denn in letzter Zeit war es etwas ruhig geworden, und mit dieser Produktion meldete sich die Gruppe eindrücklich zurück, die ja seit Jahren auch mit dem Stadttheater Konstanz kooperiert.

 

Crossing Borders - von See zu See

Die Gruppe Nanzikambe Arts ist eine der ältesten und bekanntesten Theaterforamtionen von Malawi und in Blantyre beheimatet. Sie treten überall in Malawi und anderen Ländern in Afrika und in Europa auf. Die Gruppe versteht die Theaterarbeit als soziale und politische Entwicklungsarbeit.

 

2009 hatte die Zusammenarbeit des Theaters Konstanz mit Nanzikambe Arts begonnen. Die deutsche Kulturstiftung des Bundes unterstützte die Aktion. Kern der Partnerschaft war ein Austausch auf Augenhöhe. Vor diesem Hintergrund begegneten sich Künstler und Mitarbeiter beider Theater, Inszenierungen wurden ausgetauscht und auch gemeinsam Theater gemacht. Vom 16. bis zum 20. Juni 2011 war in der Spiegelhalle des Theater Konstanz das Stück von Nanzikambe Arts "The Messenger" zu sehen. (pd)

 

FRAGEN AN UWE SCHURAN

Uwe Schuran, wie kam es zu Ihrem Engagement für Kultur in Entwicklungsländern?

Ich bin zufälligerweise durch einen Aushang als Betreuer der malawischen und von zwei kubanischen Theatergruppen beim letztjährigen Strassenteaterfestival des Stadttheaters „Mind your postition“ reingerutscht. Ich hatte Zeit und ich fand es als Ausgangsidee spannend, mit Theaterleuten aus anderen Ländern in Kontakt zu kommen. Dass daraus Freundschaften und auch Besuche in Kuba und Malawi werden würden, war nicht absehbar, und ich hätte auch nie gedacht, dass daraus eine Theaterproduktion entsteht.

Ihre Beweggründe sind also eher persönlicher als beruflicher Natur?

Nein, es ist sehr wichtig für mich zu unterscheiden. Es gibt zwei voneinander unabhängige Wege. Der eine ist meine private, humanitäre Hilfe und Unterstützung für Freunde in Malawi und auch in Kuba - da geht es um Essen, Wohnen und Ausbildung. Das andere ist die Theaterarbeit. Und das ist für mich eine ganz normale Zusammenarbeit mit Schauspielern und Tänzern und Musikern an einer Inszenierung. Ich möchte das nicht „Engagement für Kultur in Entwicklungsländern“ nennen. Viele Begriffe, die wir benutzen, haben oft etwas Abwertendes oder sogar Rassistisches, auch wenn wir was Gutes meinen. Und damit entsteht auch schnell das Herabschauen - ein weisser Regisseur hilft armen schwarzen Schauspielern. So ein Quatsch.

Also steht die professionelle Zusammenarbeit im Vordergrund.

Ja. Die Schauspieler brauchen keine Hilfe, die sind gut, professionell und sehr gut ausgebildet. Als ich sie zum ersten Mal spielen sah, hat mich ihr schauspielerisches Können umgehauen. Und das hat mein Interesse geweckt und nicht, dass sie schwarz sind und aus Malawi kommen. Und dann kann man gemeinsam, in einer wirklichen Zusammenarbeit auf „Augenhöhe“ - was eben ein schönes Wort ist, aber gar nicht so einfach einzulösen - eine Produktion angehen. Und ich möchte, dass es normal ist mit Theatern in anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Die Eigenfinanzierung war zwar nicht einfach, hat uns auf der anderen Seite aber eine wunderbare Unabhängigkeit beschert. Und: Wenn meine Freunde schlechte Schauspieler wären, würde ich ihnen zwar privat helfen, aber keine Produktion mit ihnen machen.

Was beinhaltet eigentlich das Stück "Ku Kabula"? Ist es eine Geschichte, eine Revue, eine Tanzperformance?

Ich nenne es wie gesagt Infotainment. Gute Unterhaltung mit Tanz, Musik und einer kleinen, alltäglichen Geschichte aus Malawi. Es soll über die üblichen afrikanischen Tanzshows hinausgehen und auch etwas über das fast unbekannte Land informieren und den Alltag der Menschen dort zeigen. Dazu setze ich auch eine Projektion von Videos und Fotos aus Malawi ein, die zusätzlich Informationen und Gegensätze transportieren. Ziel ist also, etwas Interesse für Malawi und die dortigen Problem zu wecken. Das Publikum soll also einen guten, unterhaltsamen Abend erleben und vielleicht etwas Nachwirkendes mitnehmen. (Brigitta Hochuli)

 

Aufruf um Unterstützung

Uwe Schuran möchte der Theatertruppe Aufführungen in unserer Region ermöglichen. Dazu braucht er einerseits Geld für neun Flugtickets (ca. 10‘000 Franken). Dafür will er Crowdfunding nutzen, aber auch Stiftungen anfragen.

 

Zum anderen sind möglichst viele Auftrittsmöglichkeiten gefragt. Die Gagen aus den Aufführungen sollen den Aufenthalt hier finanzieren (der Aufwand soll durch private Unterbringung gering sein) und etwas Geld erbringen, das die Gruppe mit nach Malawi nehmen kann (sehr wichtig!) sowie auch etwas Unterstützung für Nanzikambe Arts ermöglichen, da die Gruppe dringend einen festen Spielort braucht. (red)

 

Kontakt: uweschuran@bluewin.ch

 

 

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