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von , 29.05.2016

Von Elefanten bis Eichhörnchen

Von Elefanten bis Eichhörnchen
Meral Kureyshi liest und diskutiert mit Schülern der Kantonsschule Frauenfeld. | © David Nägeli

Aus der bunten Mischung an Autoren des 1. Frauenfelder Bücherfestes, die sich gerne auch unters Publikum begaben, stach die junge Autorin Meral Kureyshi hervor - charmant, gesprächig und offenherzig. Am Sonntag ging das Fest zu Ende.

Am Donnerstag kehrte Meral Kureyshi aus Berlin in die Schweiz zurück und wurde beim Abendessen in Frauenfeld auf ihr Werk angesprochen. Ihr Debütroman "Elefanten im Garten" war Teil der Aktion #frauenfeldliest, am Freitag besuchte sie fünf Klassen der Kantonsschule, am Samstag war sie gleich zwei Mal im Programm des Bücherfestes vertreten. Und bei allen Gelegenheiten war sie dermassen charmant, gesprächig und offenherzig, dass sie vielen auch als Mensch in Erinnerung bleiben wird.

Was vielen von Kureyshis Geschichte in Erinnerung zu bleiben scheint, ist die Migrationsthematik. "Ich schreibe wie alle anderen auch, nur kriege ich halt den Stempel 'Migrantin' aufgedrückt", sagt Kureyshi. Die Gefahr bestehe, dass man ihren Roman im Kontext der Flüchtlingsproblematik lese, obwohl er für sie zentral die Geschichte einer Familie erzähle. Oder dass man die hübsche Sprache unter der Linse "Migrationsliteratur" überfliege. "Den Fehler, als Migrantin die Migration zu thematisieren, mache ich nie wieder", sagt Kureyshi. Und lächelt dabei - wie beinahe immer.

Kureyshi hat kürzlich der Thurgauer Zeitung in einem Interview von der Fantasie und ihrem Schreibprozess erzählt.

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Am frühen Samstag Abend las Rolf Lappert in der Kantonsbibliothek aus seinem Roman «Über den Winter». Typisch für den Schweizer Autor sind die beinahe dystopischen, von Tristesse durchzogenen Szenarien, durch die er seine Protagonisten jagt. Lappert liest unter anderem aus dem Prolog des Buches - der vom restlichen Roman ziemlich abgeschnitten wird. Mit anschaulichen Worten (Lappert arbeitet als Drehbuchautor) schildert der Autor eine heruntergekommene Ferienhaussiedlung, die von einer zusammengewürfelten Bande von Männern im mittleren Alter verteidigt wird. Gegen die angebliche Gefahr einer Teenagerbande mit Steinschleudern.

Rolf Lappert (rechts) diskutiert mit seinem Verleger Dirk Vaihinger, Nagel & Kimche Verlag. Bild: David Nägeli

 

Lappert sieht darin eine Parallele zum Zäunehochziehen der EU und der Schweiz: Mitten in einer globalisierten Welt noch zu versuchen, für sich selbst Vorteile erkämpfen zu wollen, ohne Nachteile zu akzeptieren. Ein ganzer Kontinent voller Don Quijotes, die Zäune errichten, eben so wie die verwirrten Männer, die einen leeren Swimmingpool und verlassene Gasthäuser gegen Jugendliche verteidigen. Der Prolog setzt die Stimmung für die Geschichte eines Konzeptkünstlers, der sich, in seinem Schaffen desillusioniert, in einen verlorenen Sohn verwandelt und Kontakt zu seiner Familie sucht. Lappert selbst sagt, das sei sein bisher politischster Roman. Und die Lesung macht Lust darauf, tiefer in die konzeptuelle Dystopie einzutauchen.

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Am Samstag Abend gab es zwei Veranstaltungen zu besuchen, die durchaus einen hübschen Kontrast aufwiesen. Einerseits waren da die erotischen Lesungen von Julia Knapp und Beata Sievi im „Dreiegg“, andererseits der Poetry-Slammer und Autor Andy Strauss im „Kaff“. Auch wenn der "junge Wilde" wenig mit den eleganten Damen gemeinsam zu haben scheinen, gibt es doch einige Parallelen.

Der wohl einzige Autor, der zu seiner Lesung auch einen Synthesizer mitbringt: Andy Strauss. Bild:David Nägeli

 

Beide überraschten mit etwas, das am Bücherfest bisher ausgeblieben war: Geschlechtsorgane, Kopulation, Obszönitäten. Während die erotische Lesung eher für ein verhaltenes Grinsen gedacht war, sorgte Andy Strauss für lautes Lachen. Die absurden Geschichten über das wortwörtliche In-die-Haut-des-Chefs-Schlüpfen und kopulierende Eichhörnchen-Frau-Kreuzungen waren eine willkommene Abwechslung zum restlichen Programm des Bücherfestes.

(Der Autor dieses Beitrags, David Nägeli, ist Präsident des Vereins projektKAFF. An der Programmgestaltung oder der Zusammenarbeit des Bücherfestes mit dem KAFF war er nicht beteiligt.)

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Hübsch am Bücherfest: Bei den Lesungen während des Tages und auch zur Afterparty schlenderten immer mal wieder andere Autoren des Bücherfestes vorbei. Gelegenheiten, Kontakt zu den Autoren zu knüpfen, gab es also genug.

 

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Weitere Berichte zum Bücherfest

Der Bad Boy und der Besonnene

Frauenfelder Elefantenrunde

Poesie, Politik und die Bergwelt

www.buecherfest.ch

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