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26.06.2016

„Der Thurgau baut“

„Der Thurgau baut“
Der Fotograf Beni Blaser sieht im Thurgau nicht nur eine blühende Obstbaumlandschaft. | © Beni Blaser

Viel Lob erhält der Thurgau, wenn der Kanton baut. Das Themenheft „Der Thurgau baut“ des Verlags Hochparterre beleuchtet Projekte, die zwischen 2010 und 2015 realisiert worden sind. Wunderbar ergänzt durch einen Fotoessay des Frauenfelders Beni Blaser.

Brigitta Hochuli

„Gutes Bauen lässt sich nicht verordnen“, zitiert Hochparterre-Redaktor René Hornung Erol Doguoglu, seit 2015 Thurgauer Kantonsbaumeister. Im Dialog mit den Architekten, Planern und Gemeinden würden bessere Lösungen erzielt. Dabei ist auch die kantonale Denkmalpflege involviert. Deren Leiter Ruedi Elser ist bei Bauprojekten oft von Amtes wegen mit von der Partie, wenn geschützte Objekte im Spiel sind.

Doguoglu wie Elser sind ETH-Architekten. Bei Gestaltungsplänen schauten die beiden heute genauer hin, so René Hornung. Der Anspruch an die Baukultur solle im Thurgau klar steigen. Kritik einzelner Gemeinden und Bauherren an diesem Vorgehen sei für Elser nicht berechtigt. Bei den ersten nicht genehmigten Gestaltungsplänen hätten die Projekte an Qualität gewonnen.

„Wie bist du so schön“

In der Mitte des Heftes „Der Thurgau baut“ steht unter unter dem Titel „Wie bist du so schön“ ein Beitrag von Heinz Reinhart, Koordinator des gleichnamigen Projekts und einer Ausstellung zum Thema Landschaftsveränderungen. Daran anschliessend folgt ein packender Fotoessay des Frauenfelder Fotografen Beni Blaser. Zum Projektabschluss, so Reinhart, sei 2011 die Publikation „Vom Schönsein und Andersbleiben“ erschienen. Der darin enthaltene Vorschlag eines „Monitorings der Schönheit“ sei bisher allerdings ohne Wirkung geblieben.

Jenseits der Klischees

Um alles andere als um Schönheit geht es in der Fotosprache von Beni Blaser. Ohne erklärende Bildlegenden zu seinen Sujets zeigt er eine Sicht auf den Kanton jenseits jeglicher Klischees.

Alle oben stehenden Bilder sind von Beni Blaser.

 

Der Blick Beni Blasers auf ein Stück Suisse Miniature ist nur durch Maschendrahtzaun zu haben, wie kunstvoll angeordnet verschönern bäuerliche Alltagsgegenstände eine abweisende Fassade, vor dem Regierungsgebäude knurrt das Wildschwein der Künstlerin Joëlle Allet einer Gruppe von Wehrmännern hinterher.

Und weiter im Heft zu sehen: Die Trachtenfrau steht vor dem Hot Dog-Stand, Obstbäume verschwinden komplett unter (grünen!) Plastikhüllen, inmitten blühender Hochstämmer steht wie ein Mahnmal ein vom Blitz getroffener Strunk, ein Transporter versperrt den Blick auf den verheissungsvollen Eingang zu Tadashi Kawamatas Scheiterturm vor den Toren der Kartause Ittingen. - Beni Blasers „Perspektive für das Alltägliche und Skurrile ist ebenso präzis wie liebevoll“, urteilt René Hornung.

Perlenkette

Ein wertvolles Gut ist im Thurgau die Landschaft. „Wachstum ja, aber im richtigen Mass“, sagt die Leiterin des Amtes für Raumentwicklung, Andrea Näf-Clasen. Das Siedlungsgebiet soll deshalb reduziert, Bauen soll stärker konzentriert werden. Im Artikel von Marcel Bächtiger spricht sie angesichts der aktuellen Planung von einer Perlenkette zwischen Thurtal und Bodensee. Die Strategie dabei: Zentren stärken, ländliche Gebiete entlasten.

Spitzenplatz auf dem Weg zur Energiewende

Ein weiteres Thema im Heft ist die Energie. „Kein anderer Kanton kurbelt die energetsiche Sanierung von Gebäuden so geschickt an wie der Thurgau“, schreibt Thomas Müller. Dahinter stecke ein austariertes Förderprogramm. Der Erfolg beruhe darauf, dass Gebäudeeigentümer zu freiwilligen Sanierungen motiviert würden. Dies sei im Jahr 2015 gut 1300 Mal mit einem durchschnittlichen Förderbetrag von 10‘000 Franken gelungen. Für Andrea Paoli, Leiter der kantonalen Energiefachstelle, sei aber nicht das Geld, sondern der gekonnt gesetzte Anreiz ausschlaggebend. Dass der Thurgau auf dem Weg zur Energiewende einen Spitzenplatz einnehme, sei auch der Politik zu verdanken, stellt „Hochparterre“ fest. Mit den eigenen Bauten wolle der Kanton ein Signal setzen. Für Neues komme seit 2010 nur noch Minergie-P in Frage.

Kritik an Kreuzlingen

Bei aller Euphorie im Hochparterre-Heft, unter dem Titel „Boom am See“ ist auch Kritisches zu lesen. So vermag Autor René Hornung nicht alles, was in diesem Boom in Kreuzlingen entstanden ist, zu überzeugen. Etwa seien im Park der früheren Privatklinik Bellevue drei Mehrfamilienhäuser mit abgerundeten Ecken entstanden. Wenige Meter daneben stünden zwei neue Hochhäuser bezugslos nebeneinander. Hingegen findet der allfällige Standort eines neuen Stadthauses Gefallen, weil er weiterhin freien Blick auf die Klosterkirche St. Ulrich erlaube.

Ansehnliche Liste von Bauwerken

Die Liste der Neu- und Umbauten inklusive ein Wettbewerb des Kantons zwischen 2010 und 2015 kann sich sehen lassen. Es sind dies

- das Berufsbildungszentrum auf dem Arenenberg,

Arenenberg: Neubau des Kompetenzzentrums Beratung mit Satteldach von Staufer Hasler, Frauenfeld. Bild: Roland Bernath

 

- das Staatsarchiv in Frauenfeld,

Frauenfeld: Lesesaal und Bilbliothek im neuen Staatsarchiv von Jessenvollenweider, Basel. Bild: Julian Salinas

 

- das Berufsbildungszentrum in Weinfelden,
- das Parkhaus des Kantonsspitals Frauenfeld,
- der Neubau 3i, Eingangsbereich und Cafeteria des Spitals Münsterlingen,
- das Regierungsgebäude in Frauenfeld,
- das Beildungszentrum Technik in Frauenfeld
- die Kantonsschule Romanshorn,

Romanshorn: Der „Varielbau“ der Kantonsschule von Ryf Scherrer Ruckstuhl, Kreuzlingen. Bild: Jürg Zimmermann

 

- der Werkhof Eschlikon

Eschlikon: Die drei Silotürme dominieren den Werhkof von Schulthess Architekten, Amriswil. Bild: Jürg Zimmermann

 

- das Haus C der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen,
- das Bezirks- und Polizeigebäude Kreuzlingen,
- das Veterinäramt, Haus Milz in Frauenfeld,
- die Sporthalle Arbon,
- die Mensaerweiterung auf dem „Campus Bildung“ in Kreuzlingen,
- der Wettbewerb für die Erweiterung des „Campus Bildung“ in Kreuzlingen.

Kreuzlingen: Erweiterung des „Campus Bildung“ von Beat Consoni Architekten, St. Gallen. Bild: zVgv „Hochparterre“

 

All diese Bauten und das Wettbewerbsprojekt sind im Heft „Der Thurgau baut“ fachkundig und trozdem verständlich beschrieben.

 

Wörtlich

Regierungsrätin Carmen Hag zur Baulandhortung

„Weil wir von mehreren Gemeinden gebeten wurden, Bestimmungen gegen die Baulandhortung zu erlassen, haben wir einen Vorschlag zu einer Änderung des Planungs- und Baugesetzes gemacht. Er stiess aber bei den politischen Parteien auf Ablehnung. Wir werden das Thema zu einem späteren Zeitpunkt nochmals aufbringen.“

 

Kantonsbaumeister Erol Doguoglu zu künftigen Bauaufgaben

„Neben den Verwaltungsgebäuden warten das Historische und das Kunstmuseum auf den Ausbau. (...) Im Vordergrund steht auch die Pflege der bestehenden Gebäude, vor allem bei den Schulen. Während die Spitalbauten von der Thurmed Immobilien AG inzwischen selbst geplant und gebaut werden, diskutieren wir mit verschiedenen Sozialeinrichtugen, bei denen der Kanton Subventionsgeber ist, über deren Platzbedarf. Dazu kommen Gemeindeprojekte, an die der Katnon Beiträge ausrichtet. In Kreuzlingen geht es beispielsweise um die Sanierung oder den Neubau des Hallenbads. Und dann gibt es eine Vielzahl von privaten Projekten, bei denen wir im Rahmen von Gestaltungsplanverfahren involviert sind, wie das Saurer-Areal in Arbon oder die Ziegelei Berg.“

 

Bezug des Heftes „Der Thurgau baut“

Die Publikation «Der Thurgau baut» kann über den Verlag Hochparterre unter Tel. 044 444 28 88 oder verlag@hochparterre sowie beim Hochbauamt des Kantons Thurgau bezogen werden, der Preis beträgt 15 Franken.

Heft über Frauenfeld

In der Novemberausgabe wird „Hochparterre“ den Städtebau in Frauenfeld thematisieren.

Hochparterre

Hochparterre ist ein Verlag für Architektur, Planung und Design. Er publiziert zehnmal jährlich die Zeitschrift Hochparterre, fünfmal das Fachjournal hochparterre.wettbewerbe, ediert Bücher und unterhält das Internetportal www.hochparterre.ch.

 

 

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