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von Barbara Fatzer, 25.08.2016

Verinnerlichte Landschaften

Verinnerlichte Landschaften
Heidi Schöni in ihrem Atelier mit Fundstücken aus Asphalt und im Hintergrund das Triptychon „Kyushu“, auf dem sie die Eindrücke der ungezähmten Vulkanlandschaft auf der japanischen Südhalbinsel verarbeitet hat. | © Barbara Fatzer

Zum Zehnjahresjubiläum der Galerie widmertheodoridis in Eschlikon zeigt Heidi Schöni seit längerer Zeit wieder einmal Malerei. Ab 27. August in Form von „verinnerlichter Landschaften“.

Barbara Fatzer

Einzigartig und doch so typisch ist der Ausblick von steffenschönis Atelier in Schmidshof bei Märwil: dem Bauerngarten nahe am Haus schliesst sich Wies- und Ackerland an, daneben eine Obstanlage mit Hochstämmern und am Horizont zieht sich ein Waldstück über eine sanfte Hügelwölbung. Dann schweift der Blick übers Thurtal zum Ottenberg. Das ist Thurgau, alles akkurat kultiviert und landschaftlich doch reizvoll. Das ist der tägliche Blick für Heidi Schöni in ihre nächstliegende Aussenwelt.

Kosmopolitische Mischung

Die Künstlerin ist seit langem wieder einmal bereit, ihre Malerei zu zeigen, die über längere Zeit entstanden ist. «Für mich bleibt Landschaft ein wichtiges Thema für meine Malerei, auch wenn bei mir daraus eine kosmopolitische Mischung wird und es sich letztlich um verinnerlichte Landschaften handelt.» Das zeigt sich sehr schön am Triptychon «Kyushu», das in der Galerie widmertheodoridis in Eschlikon zu sehen sein wird.

Zwei der grossformatigen Bilder waren bereits in Arbeit, als Heidi Schöni mit ihrem Partner Karl Steffen 2010 mit einem Förderbeitrag des Kantons Thurgau nach Japan reiste für ihr gemeinsames Projekt «Hatake»*. Später im Atelier kam eine dritte Leinwand dazu und von den Eindrücken der ungezähmten Vulkanlandschaft auf der japanischen Südhalbinsel verarbeitete Heidi Schöni weitere Schichten auf allen drei Werken ein. So entsteht ihre sehr verdichtete Malerei, an der sie zum Teil mehrere Jahre lang arbeitet, bis ihr das Gefühl sagt, dass das Bild stimmig sei.

Nicht einfach gefällig

Die gestische, ja fast tänzerische Art, wie Heidi Schöni ihre Malerei angeht, verlangt nach grossen Formaten, die ihr allerdings auch ihre körperlichen Grenzen aufzeigt. Da kommt ihr die handwerkliche Erfahrung zugute, wenn sie nun ihre Pinsel an Stäbe montiert und aus grosser Distanz ihre inneren Bilder auf die Leinwand aufträgt. „Dabei bleibt einiges unberechenbar in der Ausführung, es gibt Unschärfen und ungewollte Strukturen, die ich als Geschenk des Zufalls ansehe.»


Heidi Schöni mit Werner Widmer und Jordan Theodoridis (v.l.), im Hintergrund ein Ausschnitt aus der Serie "Fehlstellen" von steffenschöni. Bild: Barbara Fatzer

 

Die anderen drei Einzelbilder, die ebenfalls über Jahre entstanden sind, könnten als Ideen von Gärten, von kultivierter wie auch naturbelassener Landschaft sein, die so alle Elemente der vegetativen, unbebauten Welt vereinen. Dabei bleibt Heidi Schöni ihrer so langsam entstehenden Malerei lange kritisch gegenüber: «Wie kann ich ein schönes Bild machen, das nicht gefällig ist?» Das erreicht sie, indem sie auch spannungsvolle, ja heftige Elemente und beunruhigende Zonen hineinbringt, so wie Landschaft in Wirklichkeit auch erfahren werden kann.

Gemeinsame Projektarbeit

Heid Schöni war auch von ihrer Ausbildung her zuerst Malerin und sie blieb das, auch wenn sie dafür weniger Zeit hatte. Denn in der Zusammenarbeit mit dem Fotografen Karl Steffen (ab 1989) entstanden fortlaufend neue Projekte, wo sie auf andere Art ihren künstlerisches Engagement einsetzen kann. Hier war mehr Forschungsarbeit, prozesshaftes Vorgehen und handwerklicher Eingriff gefordert, worin sich Heidi Schöni stets begeistert und energievoll hineingibt. Eine der neuesten gemeinsamen Arbeiten von steffenschöni heisst «Fehlstellen» und wird jetzt ebenfalls in der Galerie widmertheodoridis gezeigt.

*Publiziert in der Reihe Facetten (14) der Kulturstiftung des Kantons Thurgau im Jahr 2012, Verlag Benteli

Zehn Jahre widmertheodoridis

«Immer in Kunstmission» - das Credo der Galerie widmertheodoridis hat sich in den zehn Jahren bewährt, seit sie besteht. Und jetzt, mit entsprechenden Ausstellungen und Kunstaktionen im Jubiläumsjahr, wird es erst recht hervorgehoben. Zur Vernissage der neuen Ausstellung am 27. August 2016 (bis 8. Oktober) sind vier ganz unterschiedliche Kunstschaffende eingeladen: Thomas Judisch mit einem «Heuhaufen» im Heustall, erst- und einmalig im Kuhstall der Fotograf Michael Schnabel mit seinen «Cages», dann natürlich Heidi Schöni mit ihrer Malerei «weiss und weiter» und die gemeinsame Projektarbeit mit Karl Steffen «Fehlstellen».

 

Wichtig ist den beiden Galeristen Werner Widmer und Jordan Theodoridis, welche die ersten acht Jahre ihren Kunstort in Zürich betrieben, dass sie jetzt in Eschlikon vermehrt Ostschweizer Künstler zeigen wollen, aber immer zusammen mit hier unbekannten, aber doch arrivierten Künstlern aus anderen Regionen. Das macht ihre Kunstereignisse auch so attraktiv, man sichtet dort Vertrautes wie auch Unerwartetes. 2016 sind laufend auch weitere lustvolle Events geplant, die an die Präsentation ihrer Ausstellungen verbunden sind. "Kunst findet dort statt, wo sich Leute treffen und wo man sich über Kulturelles austauschen kann", propagieren die beiden Galeristen ihre Art Kulturvermittlung.

 

Die Galerie WIDMER+THEODORIDIS contemporary wurde 2006 von Werner Widmer und Jordanis Theodoridis in Zürich gegründet. Bis 2013 arbeiteten sie in historischen Räumen an der Weggengasse 3 im Zentrum der Altstadt. Ungewöhnlich für eine zeitgenössische Galerie war die Lokalität schon damals. Nach 61 Ausstellungen und 14 Messen im In- und Ausland wurde Ende 2013 der Entschluss gefasst, einige Schritte vor und einen aus Zürich zu machen. Seither ist die Galerie widmertheodoridis im Thurgau. Sie ist auch Ausstellungsort der Werkschau Thurgau 16. (bf/red)

 

Jubiläumsausstellung vom 27. August (Eröffnung, 15 bis 20 Uhr) bis Oktober. widmertheodoridis, Fallackerstrasse 6, Eschlikon

THOMAS JUDISCH VOM WOHNEN UND WANDERN
MICHAEL SCHNABEL CAGES
STEFFENSCHÖNI | HEIDI SCHÖNI WEISS UND WEITER
NICOLAS VIONNET SILENCE
27. August – 8. Oktober 2016
Mi, Do, Fr 14–18 Uhr | Sa 11–16 Uhr | und nach Vereinbarung
Vernissage
Samstag, 27. August 2016 | 15–20 Uhr
15 Uhr: Eröffnung Ausstellungen
16 Uhr: Begrüssung | Degustation MÜKON Bier, Eschlikon | Lecker Schlecken von HIRT, Frauenfeld
18 Uhr: Führung durch die Ausstellungen
Sonntag, 28. August 2016 | 11–16 Uhr
Langes Wochenende
Samstag, 17. September 2016 | 11–21 Uhr
Sonntag, 18. September 2016 | 11–16 Uhr

***

frühere Beiträge auf thurgaukultur.ch:

Dezember 2015: Galerie abseits der Metropolen

Juni 2014: Neue Galerie in Eschlikon


Dezember 2012: Facetten 14: steffenschöni: Eintauchen in wattierte Zeit

 

 

 

 

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