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Nicht ohne meine Kamera

Nicht ohne meine Kamera
Hat schon viele Filme gedreht: Luca Ribler, einer der Teilnehmer des Ostschweizer Kurzfilmwettbewerbs. Auf dem Bild von links nach rechts: Jan-Eric Mak, Luisa Ricar, Lukas Graf, Luca Ribler, Simon Bitterli, Roger Bonjour | © Privat

Der Kurzfilmboom hält an: Allein beim Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb werden in St. Gallen am Sonntag, 4. Dezember, 31 kurze Streifen gezeigt. Mehr als 80 Nachwuchstalente hatten Arbeiten eingereicht. Was interessiert junge Filmemacher heute? Warum haben sie sich für das Medium entschieden? Und welche Ziele haben sie? Wir haben vier Finalisten aus dem Thurgau die gleichen Fragen gestellt und ganz erstaunliche Antworten bekommen.

Interviews von Michael Lünstroth

Der Erfahrene: Luca Ribler, 27, Master of Arts in Film/Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Der aus Arbon stammende Nachwuchsfilme hat schon viele Kurzfilme gemacht. Zuletzt hat er auch eine Episode des Kinofilms "Peripherie" gedreht. Der Film feierte seine Weltpremiere beim Zürich Film Festival Ende September. 

Wie sind Sie zum Film gekommen?

Ich habe es studiert. Vorher war es ein Hobby, ein Traum, und ein Zeitvertreib. Jetzt ist es eine Realität. Natürlich gibt es zahllose Anekdoten welche erklären könnten wieso ich beim Film gelandet bin. Zum Beispiel, wie ich früher nur aufbleiben durfte wenn ein richtig guter Film im Fernsehen lief und mir mein Vater dann immer gesagt hat „Dieser Film ist wichtig und richtig toll! Schau ihn dir genau". Oder wie ich mit meinen Freunden und Weggefährten einen erste Horrorfilme gemacht habe. Nur das während dem Dreh wir in grösserer Lebensgefahr schwebten als unsere Figuren. Doch schlussendlich ist es ein Beruf wie jeder andere und ich habe ihn gewählt weil mir nichts anderes eingefallen ist.

Wann wussten Sie, dass Sie Filmregisseur werden wollen?

Jeden Tag an dem ich als Regisseur arbeite, weiss ich es wieder von neuem.

Was reizt Sie an dem Medium Film?

Bild, Ton, Farbe, Bewegung und Leben. Film kann alles sein, fast alles erzählen. Film kann verführen. Film kann ekeln. Film bringt mich zum Weinen, zum Denken, zum Lachen. Filme bringen mich durch Lebenskrisen, Filme erzählen mir mehr über mich als über die anderen. Film ist schön, Film ist hässlich. Und schlussendlich ist Film nur Fiktion... und darum auch so schön verzeihend.

Was für Geschichten interessieren Sie?

Geschichten über Liebe, Ekel, Tod, Hass, Sex, Betrug, Angst, Schuld und Wut.

Sieht man Sie in zehn Jahren bei der Oscar-Verleihung?

Wenn Sie genau hinschauen.

Die Jüngste: Livia Burkhard, 18, stammt ursprünglich aus Lipperswil. Sie hat gerade ihre Schule abgeschlossen. Und sucht jetzt nach ihrer Berufung. Beim Kurzfilmwettbewerb zeigt sie den Film "Waves".

Wie sind Sie zum Film gekommen?

Im Juli bin ich fertig geworden mit der Kantonsschule und bin dann viel gereist und habe viel erlebt. Meine Kamera hatte ich immer dabei und hab eifrig gefilmt, ohne konkret zu wissen, was schlussendlich aus dem Material werden soll. Mir war bewusst, dass ich einen selbergeschrieben Text in den Film einfliessen lassen will, in dem ich ein für mich aktuelles Thema behandle. Wenn man aus der Schule kommt, wird man auf einmal aus dieser geschützten, wohlbehüteten Umgebung gerissen und vor grosse Fragen gestellt; "Wer bin Ich?" "Was will ich mit meinen Leben anfangen?" "Welche Leute sind mir wichtig und wer wird auch in zehn Jahren noch für mich da sein?". Für viele meiner Freunde und auch für mich ist diese Übergangsphase keine einfache Zeit und war auch belastend für Freundschaften und Beziehungen. So habe ich mich schlussendlich entschieden, ein Film über die Vergänglichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen zu machen, der ein Text mit den Impressionen der vergangenen Monate vereint.

Wann wussten Sie, dass Sie Filmregisseurin werden wollen?

Schon seit ich acht bin fotografiere ich. Vor rund sechs Jahren habe ich das Filmen für mich entdeckt und seither immer mehr experimentiert, dazugelernt und Freude daran gewonnen.

Was reizt Sie an dem Medium Film?

Als passionierte Fotografin natürlich an vorderster Stelle das Arbeiten mit dem Licht und der Ästhetik. Was das Filmen meiner Meinung nach aber so einzigartig macht, ist das Zusamnenspiel von Musik, Literatur und dem Visuellen. Alles Themenbereiche die mich persönlich sehr interessieren.

Was für Geschichten interessieren Sie?

Vielmehr als strukturierte, "konventionelle" Handlungen interessieren mich Gefühlszustände und zwischenmenschliche Beziehungen. Ich versuche mit meinen Filmen Gedankenvorgänge zu visualisieren und teilweise fast schon philiosophische Themen zu thematisieren. Mir gefällt es, Filme zu machen, die grossen Raum für die Interpretationen der Zuschauer lässt und zum Denken anregt.

Sieht man Sie in zehn Jahren bei der Oscar-Verleihung?

Unwahrscheindlich, denn ich glaube, dass meine Art von Filmen für die grossen Massen nicht tauglich ist. Ich hoffe aber vielleicht Fuss in der Fashion- oder allgemein Werbeindustrie zu fassen.

Der Youtuber: Silvan Marty (19) ist einer der jüngeren Teilnehmer des Ostschweizer Kurzfilmwettbewerbs. Sein Weg in den Film lief über youtube. Im Finale am 4. Dezember zeigt der Kreuzlinger seinen Film "Sem;kolon"

Wie sind Sie zum Film gekommen?

Ich bin mit Filmen, Serien und Videospielen aufgewachsen. Der Fernseher hat mich sehr geprägt, was aber nicht heissen sollte, dass ich in meiner Kindheit nie in der freien Natur war.

Wann wussten Sie, dass Sie Filmregisseuer werden wollen?

In der Sekundarschule befasste ich mich mit der Videoplattform „Youtube". Mein bester Freund, Lukas Rüegg, und ich produzierten gemeinsam Videos und luden sie dementsprechend auf „Youtube" hoch. Was am Anfang noch spontan und ungeplant war, entwickelte sich nach gewisser Zeit zu einer genaueren Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Noch ist das Filmen ein Hobby von mir aber mein primäres Ziel ist es, Filmregisseur zu werden.

Was reizt Sie an dem Medium Film?

Mich reizt die Vielseitigkeit dieses Mediums und was Filme bei uns Menschen auswirken können. Verglichen mit anderen, künstlerischen Gebieten brauchen Filme immer zwei Sinne, um sie verstehen und interpretieren zu können. Das alleine finde ich schon genug spannend.

Was für Geschichten interessieren Sie?

Ich bin relativ offen für jegliche Art von Geschichten, solange sie nicht all zu kitschig und Klischee beladen sind. Was ich aber bei jeder Geschichte für wichtig empfinde, ist die Entwicklung der Charaktere im Laufe der Geschichte.

Sieht man Sie in zehn Jahren bei der Oscarverleihung?

Zuerst will ich einen Maturaabschluss haben und danach studieren. Ich möchte auch keine Filme machen, nur um einen Preis gewinnen zu wollen. Lukas meinte, ich würde höchstens derjenige sein, der in zehn Jahren an der Oscarverleihung den roten Teppich ausrollen wird.

Der Quereinsteiger: Lukas Schenk (18) ist Mediamatik-Azubi. Er wohnt in Sitzberg, einer kleinen Gemeinde am Rande des Thurgau, aber schon auf Zürcher Boden. Beim Kurzfilmwettbewerb-Finale zeigt er den Film "Adventures"

Wie sind Sie zum Film gekommen?

Als ich mit gut zehn Jahren das Making-of der grossartigen BBC Naturdokumentation «Planet Earth» zu Gesicht bekam wurde mir zum ersten Mal bewusst was für ein imenser Aufwand hinter wenigen Sekunden Film steckt. Das fasziniert mich bis heute extrem - Film ist Handwerk und die Essenz eines langen kreativen Prozesses.

Wann wussten Sie, dass Sie Filmregisseur werden wollen?

Erste Filme drehte ich Ende Primarschule als ich endlich Zugang zu einer Kamera und einem Schnittplatz hatte, seitdem entwickelt sich das fortlaufend. In meiner Lehre als Mediamatiker habe ich in meinem Betrieb sehr viel mit Video und auch TV zu tun und bin gerade in meiner Freizeit häuffig am neues lernen und experimentieren. Mein Ziel ist es aber weiter im Film zu arbeiten und eigene Projekte zu realisieren.

Was reizt Sie an dem Medium Film?

Filme machen unterschiedlichste Emotionen und Eindrücke für Jeden erlebbar und das noch so lange es Filme geben wird. Auch gibt es kaum etwas Schöneres für mich als zu sehen wie aus diversen Ideen und Arbeiten von ganz unterschiedlichen Menschen ein Film entsteht in dem das alles zusammen ein Ganzes ergibt.

Was für Geschichten interessieren Sie?

In «Adventures» get es um Aufbruch, hinaus in die Welt - etwas was mich momentan beschäftigt. Grundsätzlich faszinieren mich Geschichten mit düstern, melancholischen Seiten - etwas was in unserer Gesellschaft gern verdrängt wird.

Sieht man Sie in zehn Jahren bei der Oscar-Verleihung?

Das würde mich sehr überraschen, meine Ziele sind es Filme zu machen, Geschichten zu erzählen und am liebsten Menschen zum Nachdenken anzuregen, nicht Hollywood.

 

Der Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb

Bereits zum sechsten Mal läuft in diesem Jahr der Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb. Junge Filmschaffende zwischen 13 und 30 Jahren aus der Ostschweiz und Liechtenstein waren aufgerufen, iher Beiträge einzureichen. Die Bedingungen waren: Die Filme müssen zwischen Mai 2015 und September 2016 produziert werden oder worden sein. Das Zeitlimit lag bei maximal 5 Minuten. Zugelassen wurden Filme aller Genres und Stile: Animations-, Spiel-, Dokumentar- & Experimental-Filme. Es gibt drei verschiedene Kategorien Mehr als 80 Filme wurden eingereicht. 35 werden bei dem Finale am Sonntag, 4. Dezember, ab 17 Uhr, in St. Gallen im Palace (Zwinglistrasse 3) gezeigt. Der Eintritt ist frei. Alle weiteren Infos zum Festival gibt es im Internet www.filmwettbewerb.ch 

 

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