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Kunstmuseum vor Trendwende

Kunstmuseum vor Trendwende
Augenblicke: Markus Landert, Leiter des Kunstmuseum Thurgau, betrachtet ein Werk von Anton Bernhardsgrütter. Es ist zu sehen in der neuen Ausstellung "Konstellation8. Menschenbilder" ab dem 13. Januar. | © Michael Lünstroth

Insgesamt vier Ausstellungen plant das Kunstmuseum Thurgau in diesem Jahr. Neben neu Arrangiertem aus der Sammlung gibt es auch zeitgenössische Arbeiten von zwei Künsterduos zu sehen. Aber wie entsteht eigentlich so ein Jahresprogramm? Museumschef Markus Landert erklärt es.

Von Michael Lünstroth

In der Filmtheorie ist nicht viel gewiss. Wie in der Geisteswissenschaft üblich, ist das Allermeiste doch eher Auslegungssache. Immerhin in einem Punkt scheinen sich Filmwissenschaftler einig - wenn es auf der Leinwand schneit, dann ist das nicht einfach nur Schnee. Sondern meistens verbindet sich mit Schnee auch die Hoffnung auf einen Neuanfang oder Veränderung in den Leben der Hauptdarsteller. Insofern war der Termin für die Vorstellung des Jahresprogramms der Stiftung Kartause Ittingen und den dazu gehörigen Museen geradezu perfekt gelegt. Draussen schneite es kräftig als Stiftungs-Procurator Heinz Scheidegger, Museumschef Markus Landert und Thomas Bachofner, Leiter des Tecum (Zentrum für Spiritualität, Bildung und Gemeindebau der Evangelischen Landeskirche Thurgau) ihr Programm für 2017 vorstellten.

Warum das neue Jahr ein Wendepunkt für die Museen sein könnte, erläutert Markus Landert so: "In den vergangenen Jahren bröckelten die Besucherzahlen bei uns, jetzt sieht es so aus als könnten wir den Trend drehen." Insgesamt 27 000 Besucher kamen nach Zahlen von Landert 2016 in die beiden Ittinger Museen (Kunstmuseum und Ittinger Museum). "Damit sind wir noch nicht zufrieden, aber wir sind auf einem guten Weg", meint der Museumschef. 

Winterwunderland: Die Kartause Ittingen ist in diesen Tagen ziemlich weiss umhüllt. Bild: Michael Lünstroth

 

In diesem Jahr wird es im Kunstmuseum vier Ausstellungen geben. Den Auftakt macht ab 13. Januar die Ausstellung "Konstellation 8. Menschenbilder". "Mit diesem Format zeigen wir seit Jahren Werke aus unserer Sammlung in einem neuen Zusammenhang. Dabei geht es uns auch darum, die Bedeutung der Sammlung nach aussen sichtbar zu machen", sagt Markus Landert. Die Sammlung des Kunstmuseums umfasst Tausende von Bildern, Zeichnungen und Skulpturen, meistens kann aber nur ein Bruchteil davon gezeigt werden. Mit den Ausstellungen "Konstellation" wird gewissermassen immer die Sammlung in das Schaufenster gestellt. 

Bei der achten Ausgabe des Formats stehen Menschenbilder im Mittelpunkt: Die Ausstellung will den unterschiedlichen Möglichkeiten nachspüren, wie sich die Menschen ein Bild von sich machen. Vom grossbürgerlichen Porträt bis zur fotografischen Analyse von Gesicht und Körper. Letztlich gehe es dabei auch immer um eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Seins, heisst es im Begleittext zur Schau. Zu sehen sind unter anderem bekannte Werke von Adolf Dietrich und Carl Roesch, aber auch noch nie gezeigte Arbeiten wie die neu erworbene Installation von Heta Kuchka.

Ab dem 19. Februar zeigt das Kunstmuseum Arbeiten des zeitgenössischen Künstler-Duos Glaser/Kunz. Unter dem Titel "Ich ist ein anderer" wandeln sie zwischen Plastik, Video- und Performancekunst. Auf Gipsköpfe projizieren sie an verschiedenen Plätzen im Museum Videos. "Wie Beckett'sche Gestrandete warten sie an diesem Ort zwischen den Zeiten und führen verrätselte Dialoge über das Dasein und die Welt", notiert das Museum in einer Ankündigung. Mit einem weiteren Künstlerduo geht es dann ab dem 21. Mai weiter. Bildstein/Glatz bringen dann die Installation "Loop" auf die Klosterwiese. Dahinter verbirgt sich ein etwa 15 Meter hoher Doppellooping aus Holz und Aluminium. "Wo der Einsiedler- und Schweigeorden der Kartäuser über 400 Jahre lang sein zurückgezogenes Leben in Gebet und Meditation führte, verleiht 'Loop' der Vorstellung vom selbstreflektierenden wie selbstvergessenen Kreisen im Kopf neue Bedeutung. Vor den Toren der Kartause Ittingen wird er zum Sinnbild für die Reflexion über jegliches Handeln und Dasein oder im speziellen über Versenkung und Entrückung", schreiben die Veranstalter in einem Pressetext.

Grosse Retrospektive zu Adolf Dietrich ab 27. August

Das Jahresprogramm schliesst ab mit einer grossen Retrospektive zu Adolf Dietrich. "Wir nähern uns Adolf Dietrich nun von seinen Zeichnungen her", sagt Markus Landert. Es ist ein neuer Blick auf einen der wichtigsten Schweizer Künstler, den die Ausstellungsmacher hier vornehmen. Erstmals zu sehen sind dann ab dem 27. August auch Zeichnungen aus dem Nachlass des Künstlers. Ziel der Schau sei es auch, sichtbar zu machen, wie "das Ausnahmetalent vom Bodensee seine Bilder erfand und mit Hilfe eines zeichnerischen Prozesses zu den heute beliebten Meisterwerken vervollständigte", erklärt das Markus Landert. Der Titel der Ausstellung lautet "Adolf Dietrich. Mondschein über dem See. Wie ein Zeichner malt."

Fragt man den Museumschef wie so ein Jahresprogramm eigentlich entsteht, dann sagt er, es brauche eine gute Mischung: "Meistens hat man bestimmte Vorstellungen von Einzelausstellungen, die man machen möchte, dazu muss man dann unter Berücksichtigung der Kunst aus der Region, der Sammlung und interessanten zeitgenössischen Positionen Ergänzungen finden", so Landert. Gerade bei Ausstellungen aus den Sammlungsbeständen gehe es immer wieder darum, "Neugierde zu investieren". Sonst erzähle man immer dieselbe Geschichte, ist der Museumsmann überzeugt. Deshalb habe man sich für 2017 eben auch entschlossen, Adolf Dietrich als Zeichner zu zeigen. Das habe es so in der Form noch nicht gegeben.

Die Vermittlungsarbeit der Museen wird immer wichtiger

Auch das potenzielle Publikum spielt eine Rolle bei den Überlegungen für das Programm, gibt Landert zu. "Natürlich versuchen wir auch Ausstellungen zu kreieren, die ein möglichst grosses Publikum finden." Aber das bedeute nicht, dass man ständig auf die Zahlen schiele. Es gehe auch hierbei darum, eine gute Mischung zu finden - aus publikumswirksamen Ausstellungen und Ausstellungen, die vielleicht eher eine Nische bedienen. Ein wichtiges Instrument bei dem Ringen um Besucher ist für Markus Landert die Vermittlungsarbeit. "Die ist heute wichtiger denn je, weil es in einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft immer schwieriger wird, die Menge an Informationen zu verstehen und zu ordnen. Vermittlungsarbeit muss dann aber verstanden werden als ein Instrument, das die Nutzer der Museen ermächtigt, die für sie wichtigen Informationen zu finden und auszuwählen. Insofern hat sich die museumspädagogische Arbeit komplett verändert", findet der Museumsleiter. Entsprechend gibt es auch zu sämtlichen Ausstellungen des Kunstmuseums ein breites Begleitprogramm. 

Und eines muss Markus Landert zum Abschluss dann auch noch los werden. "Es wäre schön, wenn wir mehr Räume hätten. 800 bis 1000 Quadratmeter mehr würden uns sehr helfen. Wir könnten ganz anders arbeiten und vor allem auch mehr aus unserer Sammlung zeigen", formuliert er einen kleinen Wunschzettel an die Politik. Wann und wie dieser Wunsch Realität werden könnte, ist derzeit kaum absehbar. Zumindest geniesst die Zukunft des Kunstmuseums in der Politik derzeit höhere Priorität als beispielsweise eine mögliche Verlegung des Historischen Museums. In einer Stellungnahme hatte der Regierungsrat im Oktober 2016 erklärt, dass "die Sanierung des Kunstmuseums Ittingen und die Prüfung, ob eine Erweiterung des Kunstmuseums möglich ist" erste Priorität habe.

 

Das weitere Programm in der Kartause Ittingen

Stiftungsjubiläum: Die Stiftung Kartause Ittingen wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Zu diesem Anlass erscheint am 25. Juni eine Festschrift mit dem Titel "Vier Jahrzehnte Stiftung Kartause Ittingen". Es soll ein bebildertes Lesebuch mit vielen Anekdoten und unterhaltsamen Texten über die Gründung der Stiftung und die ersten 40 Jahre ihres Bestehens werden. Die Festschrift wird bei dem diesjährigen Stiftungsfest am Sonntag, 25. Juni, der Öffentlichkeit vorgestellt. Zudem gibt es am Samstag, 30. September, ein grosses Jubiläumsfest mit Konzerten, Festwirtschaft, offenen Türen und der Möglichkeit zum Blick hinter die Kulissen der Werkstätten der Anlage.

 

Ittinger Pfingstkonzerte: Finden in diesem Jahr vom 2. bis 5. Juni statt. Die künstlerische Leitung hat die Geigerin Isabelle Faust. Gespielt wird ein Programm rund um die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Das komplette Programm zum Nachlesen gibt es jetzt schon hier. Wir werden auch noch ausführlich dazu berichten,

 

Tecum - Zentrum für Spiritualität, Bildung und Gemeindebau der Evangelischen Landeskirche Thurgau: Zwei Dinge stehen bei Tecum 2017 im Focus: 500 Jahre Reformation und 600 Jahre Niklaus von Flüe. Während es zur Reformation vor allem eine Vortragsreihe unter dem Titel "Heisse Eisen oder kalter Kaffee? Sechs Abendveranstaltungen über die Reformation in ökumenischer Perspektive" (Beginn: 17. Januar) gibt, wird das Bruder-Klaus-Jubiläum auch mit einem Musik-Theater gefeiert. Der Titel "Der Ranft-Ruf - Niklaus von Flüe, unter einem Stern geboren". Die Veranstalter schreibe dazu: "Niklaus von Flüe hat das schweizerische Selbstverständnis als Staatsmann ebenso wie als Eremit nachhaltig geprägt. Vor diesem Hintergrund schlägt der Ranft-Ruf eine Brücke in die Gegenwart und will auch heutige Menschen inspirieren." Zu sehen ist das Musiktheater am 18. und 19. November 2017, in der Kartause Ittingen.

 

Ittinger Museum: Hier wird die Ausstellung "Wein und Wohlstand. Über Weinbau und Weinhandel in der Ostschweiz von der Klosterzeit bis heute" bis zum 15. Dezember 2017 verlängert. 

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