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Ein Haus für manche

Ein Haus für manche
Zwischen Moschee (ganz links im Bild) und Münster liegt das neue Glaubensprojekt in Konstanz - das Bodenseeforum. Die Macher glauben fest an den Erfolg des Hauses, andere sind da eher skeptisch | © Michael Lünstroth

Seit rund vier Monaten hat Konstanz ein neues Veranstaltungshaus. Nach aussen hält man den schönen Schein aufrecht. Intern brodelt es aber seit Wochen. Und das nicht nur wegen der Personalquerelen und den Unzulänglichkeiten des Gebäudes.

Von Michael Lünstroth

Was war das für ein rauschendes Fest am 21. Oktober 2016. Während die restliche Welt über den Widerstandsgeist der kleinen Wallonie gegen das Handelsabkommen CETA staunte, klopfte man sich in Konstanz gegenseitig auf die Schulter. Nach jahrzehntelangem Ringen um ein modernes Veranstaltungshaus für die Stadt, wurde nun tatsächlich die Eröffnung eines solchen Hauses gefeiert. Rund 27 Millionen Euro hatten Stadt und Industrie- und Handelskammer (IHK, als zweiter Mieter des Hauses) in den Kauf und Umbau einer ehemaligen Produktionshalle der Blaubeurener Solarfirma Centrotherm investiert. Oberbürgermeister Uli Burchardt platze beinahe vor Stolz bei der Eröffnung seines Bodenseeforums. 800 von der Stadtverwaltung handverlesene Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur waren gekommen, um dabei zu sein. Darunter eine Ministerin aus Stuttgart, eine Staatssekretärin aus Berlin und Günther Oettinger, damals noch EU-Kommissar für Digitales, als Festredner. So weit man hört, soll es ein schöner Abend gewesen sein. Für die Meisten.

Von links nach rechts: Friedhelm Schaal (Leiter Wirtschaftsförderung Stadt Konstanz), Ehrengast EU-Kommissar Günther Oettinger und Uli Burchardt (Oberbürgermeister Stadt Konstanz)Grosse Freude bei der Eröffnung Ende Oktober 2016 (von links nach rechts): Friedhelm Schaal (Leiter Wirtschaftsförderung Stadt Konstanz), Ehrengast EU-Kommissar Günther Oettinger und Uli Burchardt (Oberbürgermeister Stadt Konstanz). Bild: Bodenseeforum Konstanz, Oliver Hanser

Aber auch damals gab es schon einige, die ahnten, dass all der Glanz doch eher notdürftig aufgetragen gewesen sein könnte. Die Handwerker zum Beispiel. Erst zwei Stunden vor dem Festakt verliessen sie das Haus und überliessen es vorübergehend der lokalen Prominenz. Unter grossem Zeitdruck hatten sie schon in der Woche vor der geplanten Eröffnung ihre Arbeiten wohl nicht mehr ganz so gründlich ausführen können. Nur das Nötigste wurde erledigt, schliesslich sollte der Eröffnungstermin unbedingt gehalten werden. Eine Konsequenz daraus - im Februar 2017 musste das Haus für ein paar Tage geschlossen werden, um einige bauliche Mängel auszubessern. Und das ist nur eine Episode einer erstaunlichen Pannenserie bei dem Projekt.

Los ging es mit einer monatelangen Hängepartie über die Rechtsform des Betriebs. Zwischen geltendem EU-Recht und dem Finanzamt ging lange nichts voran, wichtige Entscheidungen wurden dadurch verzögert. Am Ende entschied sich die Politik für die Form des Eigenbetriebs. Laut Stadt auch deshalb, weil bei anderen Konstruktionen wie einer GmbH steuerliche Verluste in Millionenhöhe gedroht hätten. Das gesamte Projekt geriet noch mehr unter Verzug als ausgerechnet das Unternehmen Imtech die Ausschreibung zum Umbau des Hauses gewann. Das Problem: Am gleichen Tag hatte die internationale Baufirma Insolvenz angemeldet. Es war klar, dass das Unternehmen das Projekt nicht wird stemmen können. Also ging auch hier nach zähen Verhandlungen mit dem Imtech-Insolvenzverwalter wieder alles von vorne los. Fast noch gravierender war allerdings - der Bau entpuppte sich als wesentlich schwieriger und mangelhafter als die Verantwortlichen sich das vorgestellt hatten. Es gab Probleme mit der Statik des Hauses, auch der Brandschutz funktionierte lange nicht so wie vorgeschrieben. Die Konsequenzen daraus - neue Gutachten wurden benötigt, der Prozess verzögerte sich immer weiter. Bis vor wenigen Wochen stritt die Stadt mit Baufirmen um Schadensersatz. Inzwischen habe man eine gute Lösung gefunden, erklärt das städtische Pressebüro dazu.

Und auch nach der Eröffnungsfeier im Oktober, rissen die Hiobsbotschaften für das Bodenseeforum nicht ab. Der Geschäftsführer Thomas Karsch schmiss entnervt kurz nach der grossen Sause hin. Ihm folgten weitere Mitarbeiter, wie Technische Leitung und Assistenten. „Krankheitsbedingt" habe Karsch nicht weitermachen können, heisst die offizielle Erklärung. Eine Rückkehr war wohl von beiden Seiten nicht erwünscht. Da begann dann das nächste Problem für die Politik. Denn: Karsch war unbefristet und ohne Probezeit angestellt worden. Der Gemeinderat hatte sich trotz der Warnungen des städtischen Personalamtsleiters Thomas Traber für diese Variante entschieden. Der notwendige Aufhebungsvertrag kostete die Stadt mindestens weitere 100.000 Euro, die nicht einkalkuliert waren. Noch nicht eingerechnet sind da die Kosten für einen Headhunter, der nun einen Nachfolger finden soll. Zu den Personalquerelen gesellten sich schließlich noch Ärger mit Veranstaltern und Gästen nach den ersten Großpartys mit mehr als 1000 Besuchern im Bodenseeforum. Die Abläufe waren nicht geprobt, fast überall harkte es. Auch das eine Konsequenz aus dem überstürzten Eröffnungstermin. In all den Wirren war der Umstand, das das biedere Kulturprogramm der ersten Monate kaum Strahlkraft hatte, fast nur noch eine Randnotiz.

Großer Saal im Erdgeschoss:  Bei Konzertbestuhlung fasst der Saal des Bodenseeforums 1104 Sitzplätze.Grosser Saal im Erdgeschoss: Bei Konzertbestuhlung fasst der Saal des Bodenseeforums 1104 Sitzplätze. Bild: Lorth Gesser Mittelstaedt

Angesichts dieses mässigen Starts wirkt Friedhelm Schaal überraschend aufgeräumt. Er ist nach dem Aus für Thomas Karsch jetzt Interims-Geschäftsführer für das Bodenseeforum, war davor Projektleiter des Vorhabens, ist aber eigentlich Chef der städtischen Wirtschaftsförderung. Sein Ruf in der Stadt ist gespalten. Manche halten ihn für einen glänzenden Netzwerker, andere bezeichnen ihn als Dampfplauderer, von dem man nie so genau wisse, was er eigentlich wirklich mache. „Ja, der Start war nicht einfach", räumt Friedhelm Schaal im Gespräch ein, „aber jetzt sind wir in der Spur," versichert er. Um das zu belegen, nennt er aktuelle Zahlen. Rund 49.000 Gäste hatte das Bodenseeforum demnach seit Eröffnung, die Bürger seien begeistert von dem Ort, namhafte Tagungen hätten stattgefunden, das Haus mit seiner besonderen Lage und den vielen Möglichkeiten erarbeite sich gerade einen „herausragenden Ruf" in der Branche, schildert der Übergangs-Chef. Gleichwohl weiss auch er, der Betrieb des Gebäudes wird ein Zuschussgeschäft bleiben. Aktuell finanziert ihn die Stadt mit rund 900.000 Euro im Jahr. Inhaltlich soll das Bodenseeforum nun „ein Tagungszentrum mit kulturellen Möglichkeiten" sein. Das klang auch schon mal anders. Ein Haus für alle sollte es ursprünglich werden und ein Ort in dem Kulturveranstaltungen stattfinden können, die es sonst in Konstanz nicht gäbe.

Ein Haus für alle? Da muss der Sportfunktionär lachen

Manfred Sobisch muss lachen, wenn er diesen Spruch vom „Haus für alle" hört. „Das war ein Satz, um das Haus der Bevölkerung schmackhaft zu machen. Ehrlich war der nie", sagt der 73-Jährige heute. Er ist einer der Grosskritiker des Projektes, hat früh davor gewarnt, das Ganze könne ein Millionengrab werden. Das Geld, das dort investiert werde, fehle am Ende an anderer Stelle in der Stadt, glaubt Sobisch. Das Problem für die Rathausspitze daran: Manfred Sobischs Worte zählen in Konstanz. Er ist seit Jahren Vorsitzender des mächtigen Stadtsportverbands. Der 73-Jährige spricht für rund 30.000 Mitglieder aus 95 Konstanzer Vereinen. Keine Stimme, die man ignorieren sollte. Für ihn ist klar, dass der Sport im Bodenseeforum keine Heimat finden wird. Der Grund: „Es ist einfach zu teuer, kaum ein Verein wird sich diese Mieten leisten können", sagt Sobisch. Die Mietpreise liegen je nach Saal zwischen 2700 und 4800 Euro pro Veranstaltung. Zuzüglich Mehrwertsteuer. Auch die vom Gemeinderat jetzt beschlossene Zuschussregelung für Konstanzer Vereine (auf Antrag wird eine Veranstaltung im Jahr pro Verein mit bis zu 75 Prozent des Mietpreises subventioniert) werde nichts daran ändern, dass sich die Vereine das Forum nicht leisten können, ist Sobisch überzeugt. Die aktuelle Nachfrage bestätigt seine Vermutung. Bislang sei erst ein Antrag auf Förderung eingegangen, erklärt das zuständige städtische Kulturbüro.

Der Sportfunktionär Sobisch ist längst nicht der einzige Kritiker des Bodenseeforums, aber einer der wenigen, die ihre Vorbehalte auch öffentlich äussern. Kulturveranstalter sind auch skeptisch, halten sich mit markigen Worten aber zurück. Könnte ja sein, dass man nochmal ins Geschäft kommen will mit dem Veranstaltungshaus. Ein erfahrener Veranstalter sagt aber, dass das Haus kein grosser Wurf sei: Für wirklich interessante Konzerte zu klein und die Akustik mit der für einen Konzertort niedrigen Deckenhöhe mässig. Die Tatsache, dass selbst so harmlose Dinge nur hinter vorgehaltener Hand gesagt werden, macht diese Geschichte nicht nur zu einer Geschichte über ein Prestige-Projekt, sondern auch zu einer Geschichte über die politische Kultur in Konstanz.

Kritik an seinem Projekt? Das mag der Oberbürgermeister nicht so sehr

Seit dem Amtsantritt des früheren Unternehmensberaters Uli Burchardt (CDU) ist Rathauspolitik immer auch strategisches Marketing. Kritik, am Ende gar noch öffentlich geäußert, hat in diesem Politikverständnis kaum Platz. Sie stört. Insbesondere dann, wenn möglicherweise wirtschaftliche Interessen betroffen sein könnten. Auf das konkrete Beispiel Bodenseeforum übersetzt bedeutet diese Denkweise: Wer das Projekt kritisiert, gefährdet den Erfolg am Markt und riskiert so einen Schaden für die Stadt. Weil sich kein Stadtrat diesem Vorwurf aussetzen will, schweigen viele. Oder reden nur hinter vorgehaltener Hand.

Die Vehemenz mit der der Oberbürgermeister um die Deutungshoheit über sein Veranstaltungshaus ringt, hat auch machtpolitische Gründe: Eine mögliche Wiederwahl von Burchardt im Jahr 2020 hängt nicht zuletzt vom Erfolg des Bodenseeforums ab.

Politik hin oder her - Interims-Geschäftsführer Friedhelm Schaal will vor allem eines, seinen Job gut machen. Leicht wird das nicht. Der Markt ist umkämpft, der schwierige Start hat dem Forum nicht geholfen und der wirtschaftliche Druck ist immens. Schaal selbst bleibt noch bis Mitte des Jahres in Verantwortung, dann soll ein noch zu findender Nachfolger übernehmen. In zwei, drei Jahren solle „operativ die schwarze Null stehen", gibt Schaal schon mal als Zielmarke vor. Erreichen will er das mit noch mehr Tagungen und eher weniger Kulturveranstaltungen. Sein Wunsch-Mix wären drei Viertel Tagungen, ein Viertel Kultur. „Dann wäre das Haus nachhaltig aufgestellt", glaubt Schaal. So oder so: Ein Zuschussbetrieb wird das Prestige-Projekt auf lange Zeit bleiben. Zins und Tilgung muss ja auch jemand zahlen.

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