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von Inka Grabowsky, 18.03.2017

Tanz rockt das Phönixtheater

Tanz rockt das Phönixtheater
Mal Pas de deux, mal Breakdance: die Compagnie Mir zeigt alles beim Auftakt des Festivals "tanz:now" in Steckborn. | © Inka Grabowsky

Der Eröffnungsauftritt der Basler Compagnie „Mir" beim Festival tanz:now hat das Publikum begeistert. Noch bis zum 12. Mai treten in Steckborn national und international bekannte Tänzer auf.

Von Inka Grabowsky

„Durch die Augen tritt der Mensch in die Welt und durch die Ohren tritt die Welt in den Menschen." Dieses Zitat von Carl Gustav Carus ist dem Stück „Interface" der Mir Compagnie als Motto vorangestellt. „Der Satz erschliesst sich beim Betrachten des Stücks", sagt Theaterleiter Philippe Wacker. Die Tänzer treten in den Strahl von Kameras und erzeugen dadurch Töne. Die treten in unsere Welt." Tatsächlich kehrt die Basler Truppe das Prinzip des Tanzes um: Mehrere Kameras kontrollieren unterschiedliche Bereiche des Raums. Sobald sie eine Bewegung erfassen, senden sie einen Impuls an ein Interface, das daraus einen Ton macht. Die Tänzer machen die Musik. Seit zwölf Jahren bringt das Festival Tanz:now das aktuelle Tanzschaffen aus der Welt in den Thurgau. „Wir präsentieren immer wieder Gruppen, die es sonst in der Deutschschweiz nicht zu sehen gibt", so Wacker. „In diesem Jahr sind es Beaver Dam und Perrine Valli, die diesseits des Röstigrabens sonst nur selten auftreten. Dementsprechend reist auch unser Publikum von weiter an."

Das Phönix Theater und die Kulturstiftung des Kantons arbeiten jeweils gemeinsam das Programm aus: „Wir wollen Wissen vermitteln und insbesondere Jugendlichen einen Einstieg in das Thema Tanz ermöglichen", meint der Theaterleiter. Vor der zweiten Vorstellung von Mir dürfen deshalb Schulklassen selbst ausprobieren, mit welcher Bewegung sie welchen Sound erzeugen. Ganz so virtuos wir die Profis dürften sie sich dabei nicht anstellen.

Acht Tänzer machen sich im Bühnenraum warm, während das Publikum auf die Ränge strömt. An der Seite hinter aufgeklappten Laptops stehen Permi Jooti, die den sogenannten Soundspace programmiert hat und – hinter zwei Plattenspielern und einem Mischpult - der DJ Janiv Oron. Er hat die Aufgabe, die Töne, die die Tänzer auslösen, aufzunehmen, zu vervielfältigen und zu mischen. Vor ihnen sitzen wie die Hühner auf der Stange die Tänzer und warten auf die Initialzündung. Ein junger Mann macht das Rennen. Er gleitet als erster über den Tanzboden, die nächsten hüpfen, springen, rollen, überschlagen sich oder kreiseln. Schliesslich stehen alle auf der Tanzfläche.

DJ Janiv Oron und Programmiererin Permi Jooti sind für die Aufführung „Interface“ unverzichtbar.DJ Janiv Oron (links) und Programmiererin Permi Jooti sind für die Aufführung „Interface" unverzichtbar. Bild: Inka Grabowsky

 

Noch ist für die Zuschauer der Zusammenhang zwischen der Bewegung und den Sound kaum zu erkennen. Doch die Tänzer erforschen den Raum. Das ist nicht ohne Komik, wenn das Achselzucken zum Paukenschlag wird und nicht ohne Dramatik, wenn Zappeln an das Knistern eines Elektroschockers erinnert. Grossartig der Augenblick, als sechs sich zusammenfinden, um über ihre Bewegungen Musik zu machen. Ein regelmässiges Hüpfen schlägt den Takt, zu dem zwei Tänzerinnen sich bewegen können. Nach und nach finden die Tänzer einen Rhythmus. In Dreier- oder Fünfergruppen bewegen sie sich synchron. Aus ihren Bewegungen wird eine Choreografie, die Töne werden zu Musik, die das Phönix Theater rocken.

Tänzer und Tanzort - das ist gegenseitige Liebe

Die Protagonisten der einzelnen Szenen wechseln sich ab. Mal bauen sie poetische Skulpturen aus Körpern, mal beeindrucken sie durch Akrobatik und perfekte Körperbeherrschung. Es gibt Liebes- und Kampfszenen – quasi Martial Arts in Zeitlupe. Jeder Zuschauer dürfte in den kurzweiligen 60 Minuten seinen Lieblingstanz finden. Die Choreografin Béatrice Goetz hat ganze Arbeit geleistet.  

„Die Tänzer sind ganz verliebt ins Phönix-Theater, obwohl wir an der unteren Grenze der noch nutzbaren Bühnen sind", hatte Phillipe Wacker gegenüber Thurgaukultur.ch gesagt. „Wir haben nur neun Meter Bühnenweite, normal sind zwölf. Steckborn hat sich zum Tanzmekka gemausert. Wer zu uns kommt, ist wichtig in der Tanzszene. Man schreibt den Auftritt bei tanz:now gern ins Portfolio." Beim begeisterten Applaus nach dem Auftritt von Mir kann man auf den Gedanken kommen, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht.

Weiterlesen: Mehr zum gesamten Festivalprogramm gibt es hier: http://www.thurgaukultur.ch/magazin/3117/ 

Video: Einblicke in das Programm "Interfaces" von Mir Compagnie


 

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