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von Inka Grabowsky, 09.04.2017

Kunstnacht: In Wonne vereint

Kunstnacht: In Wonne vereint
Die Kreuzlinger Molki verschwindet im Licht. Eine Arbeit des Künstler-Duos Frölicher/Bietenhalder | © Inka Grabowsky

Konstanz und Kreuzlingen feierten gemeinsam eine Nacht lang die schönen Künste. Museen, Galerien und öffentlicher Raum ermöglichten eine zwanglose Begegnung mit zeitgenössischen Kunstschaffenden.

Von Inka Grabowsky

Die grenzüberschreitende Kunstnacht beginnt bei schönstem Sonnenschein. Auf den Strassen mischen sich Kulturbeflissene und Einkaufstouristen, die nicht alle sofort begreifen, wo sie hineingeraten sind. Die „Wasserfronten", eine Installation aus Spiegelfolie, die Johanna Nocke quer über den Hauptzoll gehängt hat, irritieren: „Ist das Kunst, oder dürfen Radfahrer jetzt auch nicht mehr durch?" wundert sich eine junge Frau. In der Galerie Kunstgrenze fragt sich das hingegen niemand. Hier hat sich schon um 18.30 Uhr eine Menschentraube vor der Tür gebildet, um die Vernissage zur Sammelausstellung „Hommage an Giorgio Morandi" mitzuerleben.

Velosperre oder Kunst? Die Wasserfronten von Johanna Nocke.Velosperre oder Kunst? Die Wasserfronten von Johanna Nocke. Bild: Inka Grabowsky

Hausherr Johannes Dörflinger hatte sich gemeinsam mit fünf weiteren Künstlern mit dem Stilleben-Experten aus Bologna auseinandergesetzt. Der Leiter des Kunstmuseums Singen, Christoph Bauer, sprach in seiner Einführung von philosophischer Grafik. „Gleichzeitig sind es geradezu strohtrockene Arbeiten", beschrieb er Morandis Werk.

Johannes Dörflinger begrüsst die Kreuzlinger Stadträtin Dorena Raggenbass vor seiner Galerie.Johannes Dörflinger begrüsst die Kreuzlinger Stadträtin Dorena Raggenbass vor seiner Galerie. Bild: Inka Grabowsky

Das genaue Gegenstück liess sich im Seemuseum Kreuzlingen bewundern. Die laufende Foto-Ausstellung „Süsswasser" wurde durch Perlen- und Korallen-Schmuck von Alexandra Lulay ergänzt. Dazwischen versetzten die Besucher junge Tänzerinnen der Musikschule Kreuzlingen vollends in eine Unterwasserwelt. Wie Nymphen tauchten sie zwischen den Stellwänden auf, sie flossen den Treppenaufgang herauf und hinab und stellten stille Wasser ebenso dar wie wogende Wellen. Auf dem Boulevard – der verkehrsberuhigten Kreuzlinger Hauptstrasse -wurde ebenfalls an diversen Stationen Wasser thematisiert. Der sechsjährige Trinkbrunnen vor dem ceha sorgte noch nicht für Staunen – er war in die Ausstellung aufgenommen worden, um bewusst zu machen, wie sehr wir sauberes Wasser als Selbstverständlichkeit hinnehmen.

Die Lichtinstallationen auf der alten Molki am anderen Ende der Strasse aber liessen selbst unbeteiligte Spaziergänger stocken. Selina Frölicher und Micha Bietenhader hatten extra für diesen Abend eine Projektion entwickelt, die die Fassade des kubischen Gebäudes optisch aufbrach. Die Seite der ehemaligen Molkerei bespielte Christian Niccoli  mit seinem Film „Plantschen", in dem Menschen in Rettungsringen orientierungslos im Wasser treiben. Während das vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise traurige Aktualität hat, blieben Flaneure auf dem Weg zur Grenze von den leuchtenden Steinen von Veronika Dierauer stehen, weil sie einfach zauberhaft und schön wirkten.

Kultureller Vierklang im Musuem Rosenegg

Die aktuelle Ausstellung im Museum Rosenegg zum 100. Geburtstag des Malers Ludwig Demarmels, der in Graubünden und Romanshorn zuhause war, gab den Anlass für ein umfassendes Kunsterlebnis. Silvia Peters aus dem Vorstand des Vereins „Ludwig Demarmels" erklärte die Erzählweise des regionalen Künstlers. Vor der Kulisse der Bilder spielte das Gitarrenduo Ron Atiqi und Ognjen Divljak. Danach lasen die Bündner Dichter Tresa Rüthers-Seeli und Arnold Spescha aus ihren deutsch/rätoromanischen Gedichten, und zur Krönung gab es dann auch noch Bündner Nusstorte – mehr kann ein Kultur-Geniesser wirklich nicht verlangen.

Auch in Konstanz gab es in dieser Nacht an vielen Orten Kunst. Ein Geheimtipp darunter - der Raum zwischen den zugigen Pfeilern der Schänzlebrücke. Hier arbeiteten zahlreiche Street-Art- und Graffiti-Künstler von Nachmittag bis spät in die Nacht und gaben dem Ort einen neuen Charakter. Wie es dazu kam und was Street Art eigentlich ausmacht, erklärt der Graffiti-Künstler Rusl alias Emin Hasirci im Video-Interview. Wem der Abend gefallen hat: Die nächste Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen soll 2019 stattfinden.

Mehr Bilder (alle von Inka Grabowsky) von der Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen

Nymphen der Musikschule Kreuzlingen schwammen durch das Seemuseum.

Nymphen der Musikschule Kreuzlingen schwammen durch das Seemuseum.

Blaue Stunde im Museum Rosenegg: Silvia Peters und das Gitarrenduo Atiqui-Divljak widmen sich Ludwig Demarmels.

Blaue Stunde im Museum Rosenegg: Silvia Peters und das Gitarrenduo Atiqui-Divljak widmen sich Ludwig Demarmels.

Vorher-Nachher Effekt: Es lohnte sich auf den Sonnenuntergang zu warten, um die Schteine von Veronia Dierauer leuchten zu sehen. 

Weiterlesen: Wer hinter der Kunstnacht steckt

 

 

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