von Inka Grabowsky, 12.04.2017
Honigsüss und bienenfleissig
Das Naturmuseum Thurgau zeigt die Wunderwelt der Bienen in Wort, Bild und in natura. Zur Ausstellung in Frauenfeld gehört ein echtes Bienenvolk, dessen Leben sich bis September hinter Glas abspielt.
Von Inka Grabowsky
Der Direktor des Naturmuseums Hannes Geisser ist Biologe. Trotzdem räumt er ein, dass er von Bienen nur wenig Ahnung hatte, bevor er die Ausstellung vorbereitete. Jetzt ist er fasziniert von den kleinen Tieren: „Im Verhältnis zu ihrem Körper haben Bienen ein überdurchschnittlich grosses Gehirn", sagt er. „Man kann sie insofern in einer Reihe mit Mensch, Delfin oder Elefant nennen. Sie erbringen kognitive Leistungen, die man nur bewundern kann." Die sozial lebende Honigbiene sorgt in ihrem Stock zum Beispiel für eine gleichbleibende Temperatur von 35 Grad. Entweder wärmt sie die Luft durch Bewegung oder sie fächert mit den Flügeln kalte Luft hinein. Auch der berühmte Schwänzeltanz, mit dem Honigbienen ihrem Schwarm mitteilen, wo sich wieviel Nahrung befindet, zeugt von der Intelligenz der Insekten.
600 verschiedene Arten gibt es in der Schweiz
Die Ausstellung zeigt nicht nur die Leistungen des beliebten Nutztiers, sie stellt vor allem die Vielfalt der Bienenarten vor. In der Schweiz gibt es rund 600 unterschiedliche Bienen, mindestens die Hälfte davon ist allerdings in ihrem Bestand bedroht, weil ihre Lebensräume verbaut werden. Zu den Wildbienen gehören die Hummeln, die Seiden-, Sand – Mauer-, Masken- Woll-, Schmuck- oder Pelzbiene. Sie haben unterschiedliche Lebensweisen, sind aber alle nützliche Bestäuber.
Stars der Ausstellung sind derzeit 15 000 bis 20 000 Sechsbeiner, die bis zum 10. September im dritten Stock des Naturmuseums zuhause sind. Zwei Imker haben hier eines ihrer Völker untergebracht, extra für sie einen gläsernen Schaukasten angefertigt und für ein Ausflugloch in den Museumsgarten gesorgt. Die Königin legt täglich tausende von Eiern, so dass sich das Volk im Laufe der Zeit stark vergrössern wird. Ihre Arbeiterinnen putzen, bauen Waben, füttern den geschlüpften Nachwuchs, bewachen den Eingang und gehen draussen auf Nahrungssuche. „Mit genügend Musse und der Lupe am Schaukasten kann man das alles tatsächlich bei uns sehen", so Hannes Geisser. „Wahrscheinlich können wir im Sommer sogar vor den Augen der Besucher Honig ernten." Seit er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, hat sich seine Einstellung zu süssen Delikatesse etwas verändert. Bienen nehmen bekanntlich den Blütennektar auf, verdauen ihn in ihrem Körper vor und geben ihn dann im Stock wieder von sich. „Eigentlich kotzt uns die Biene auf's Butterbrot", witzelt der Experte.
Hannes Geisser, Direktor des Thurgauer Naturmuseums, ist von der Vielfalt der Bienen fasziniert. Bild: Inka Grabowsky
Die Ausstellung hatte ursprünglich das Bündner Naturmuseum konzipiert. Die Frauenfelder haben sie um einen Film, das Bienenvolk und Bienen-Infotafeln im gesamten Stadtgebiet erweitert. Die Stadt hat einen sieben Kilometer langen Bienenrundgang ausgeschildert. An zwanzig Standorten wird nun erklärt, wie die Menschen das Leben der Insekten erleichtern. „Das dient gleichzeitig der Erklärung, warum manche Wiese ungemäht bleibt und dementsprechend nicht dem Ordnungssinn einiger Bürger entspricht", sagt Hannes Geisser. Selbstverständlich gibt es auch ein umfangreiches Rahmenprogramm. Führungen und Workshops (bei denen Familien und andere ihr eigenes Wildbienenhaus bauen können) ergänzen die Ausstellung. Schon jetzt freut sich der Museumsdirektor auf ein Tischgespräch mit seinem Kollegen vom Museum für Archäologie Thurgau, Urs Leuzinger. Er wird nämlich eine „Klotzbeute" präsentieren, einen ausgehöhlten Baumstamm, in dem die Menschen schon vor 5000 Jahren Bienen gehalten haben.
Neue Schilder in Frauenfeld erklären den Lebensraum der Bienen. Bild: Inka Grabowsky
Näheres zum Programm: http://www.naturmuseum.tg.ch/xml_82/internet/de/application/d14768/f16697.cfm
Videos:
ARTE-Dokumentation über heimische Wildbienen (45 Minuten)
Das Geheimnis des Bienensterbens (ARTE-Dokumentation)
Von Königen, Killern und Einzelgängern: Beitrag aus Planet Wissen über Bienen
Trailer zum Kinofilm "More than honey" (2012): Seit Jahren sterben auf der ganzen Welt die Bienen. Über die Ursachen wird noch gerätselt, aber schon jetzt ist sicher: Es geht um mehr als nur um ein paar tote Insekten und es geht um wesentlich mehr als nur um Honig.
Beitrag von Terra Xpress. Er zeigt, wann es besser ist vor Bienen, Wespen oder Hornissen, in Deckung zu gehen und deckt so manchen Mythos, rund um diese Insekten auf.
Von Inka Grabowsky
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