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Maskenball im Stadion

Maskenball im Stadion
Headlines beim diesjährigen Gute-Zeit-Festival: Der Maskenmann Clapton | © Sabrina Feige

Die elektronische Tanzmusik wurde lange nicht als Kunstform wahrgenommen. Dass sich das geändert hat, liegt auch an jungen Festivals wie dem „Gute Zeit" in Konstanz. In diesem Jahr treten hier unter anderem Claptone, Stephan Bodzin und Markus Kavka auf.

Von Michael Lünstroth

Das Popgeschäft hatte schon immer ein Faible für Maskierungen aller Art. Wer es eher mit dem Rock hält, wird an Kiss oder Alice Cooper denken, Freunde des Hip-Hop haben Cro oder Sido im Kopf. Meistens sieht das ziemlich albern bis sehr bescheuert aus. Es hält aber junge Menschen dennoch nicht davon ab, den Trend fortzusetzen. Auch die elektronische Tanzmusik hat ihren Maskenträger. Claptone. Er tritt mit einer alten venezianischen Pestarzt-Maske auf und seine Äusserungen in den seltenen Interviews, die er gibt, sind nicht minder bizarr. „Claptone ist schon mehrere hundert Jahre auf der Welt. (...) Die Maske ist Claptone. Hör dir die Musik an... Für Dance-Musik ist sie relativ oldschool, sie hat ein älteres Gefühl, ist organisch - und das Gold der Maske passt auch dazu. Die Musik verbindet sich mit der Maske für meine Wahrnehmung sehr gut." Die Geheimniskrämerei um seine Identität hat jedenfalls mit dazu beigetragen, dass er zu einem der angesagtesten DJs wurde.

Blick auf das Festivalgelände im Konstanzer Bodenseestadion (2016). Bild: Festival

Wer ihn mal live erleben will, hat schon sehr bald in der Region die Gelegenheit dazu: Claptone ist Headliner der dritten Ausgabe des Gute-Zeit-Festivals im Konstanzer Bodenseestadion. Dass er tatsächlich am Samstag, 27. Mai, hierher kommt, ist durchaus bemerkenswert, betrachtet man die Liste seiner weiteren Gigs: Vorher legt er in der Grossraumdiskothek Amnesia auf Ibiza auf, danach in London. Seine Zusage ist auch ein Indiz dafür, dass sich das junge Festival in der Szene inzwischen einen Namen gemacht hat. Veranstaltet wird es von Ümit Dagdelen und Kay Brüggemann. Bis zu 5000 Besucher hätten Platz im Stadion und wenig würde die Macher wohl mehr freuen als ein ausverkauftes Haus. Es wäre das erste Mal in der noch jungen Geschichte des Festivals. „Wir haben versucht, ein möglichst spannendes Programm zu machen. Jetzt schauen wir mal, was passiert", sagt Dagdelen. Mit dem Line-up gehen sie in der Tat in Vorleistung. Neben Claptone ist mit Stephan Bodzin eine weitere grosse Nummer der Szene dabei. Der klassisch ausgebildete Musiker war jahrelang Produzent für verschiedenste, meist elektronische Musikprojekte. Der aus Bremen stammende Bodzin hat auch schon für verschiedene Theaterhäuser Inszenierungen vertont und kommt damit dem alten Künstlerbegriff vielleicht noch am nächsten.

Erst Moskau, dann Konstanz, dann San Francisco: Stephan Bodzin legt am 27. Mai auch auf im Konstanzer Bodenseestadion. Bild: Festival

Tatsächlich war das ja lange eine sehr gewichtige Frage unter Elektrofreunden: Wo stehen wir im Vergleich zu anderen Musikgenres? Was ist Kultur? Was nicht? Und: Wer definiert das? Die elektronische Musik hatte es da lange schwer in der öffentlichen Wahrnehmung. Vor allem in vielen Feuilletons galt das Gefrickel an den Maschinen als irgendwie minderwertig. Das hat sich inzwischen durchaus geändert. Es hat sich herum gesprochen, dass DJs mehr tun als irgendwelche Knöpfe zu drücken und lässig an den Plattentellern zu drehen. Vor ein paar Monaten wurde das sogar juristisch festgehalten: Techno, House und alle anderen Spielarten elektronischer Musik sind genauso Kultur wie ein Sinfoniekonzert oder eine Theateraufführung. Geurteilt hat das im September 2016 das Finanzgericht Berlin-Brandenburg. In einem Streit zwischen dem Berliner Technoclub Berghain und dem Finanzamt hatte sich der Richter auf die Seite des Nachtclubs geschlagen und sich dem Befund angeschlossen, dass DJs im Berghain neue Musik kreieren und dass deren Tätigkeit nichts mit dem Plattenauflegen in einer Dorfdisko gemein hat. „Gute DJs erzählen eine Geschichte. Ebenso wie es ein guter Jazzmusiker tut", kommentierte damals Lutz Leichsenring vom Verband der Berliner Clubveranstalter im Tagesspiegel.

Beim Gute-Zeit-Festival soll es auf zwei Bühnen auch solche Erzähler geben. Neben den bereits erwähnten Claptone und Stephan Bodzin sind unter anderem auch Marek Hemmann, Format:B, Marcus Meinhardt, sowie Niconé und Sascha Braemer an den Turntables zu hören. Und dann noch ein Name, der auch all jene aufhorchen lassen wird, die es noch nicht so mit elektronischer Musik haben: Markus Kavka. Den früheren MTV-Moderator verbinden die meisten mit Rock- oder Indiemusik, aber als DJ hat er längst sein Faible für elektronische Musik entdeckt. Der bekannte Name war für seine Clubkarriere nicht immer hilfreich, wie er der Berliner Zeitung mal verraten hat: "Promi-DJs werden von der Technoszene oft nicht ernst genommen", sagt Kavka, "es gibt Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, in der VIP-Lounge von Schickimicki-Veranstaltungen Prominente auflegen zu lassen. Da geht es nur um deren Anwesenheit, damit die Gäste ein Foto machen und später sagen können: Ich war auf der Party, wo Collien Fernandes oder Johanna Klum aufgelegt hat. Was diese Promis dann auflegen, ist im Prinzip egal." Er selbst will es aber anders machen, es geht ihm um die Musik.

Festival-Einblicke: Veranstaltervideo vom Gute Zeit 2016

Wie es mit dem Konstanzer Festival in den nächsten Jahren weitergeht, ist noch offen. Bislang haben die Veranstalter vor allem investiert, weil sie die Marke behutsam aufbauen wollten. „Wir hätten aber nichts dagegen, wenn wir damit auch mal Geld verdienen würden", sagt Kay Brüggemann. Sollte es dieses Jahr gut laufen, könnte das Festival auch wachsen. Bereits im vergangenen Jahr gab es zwei Festivaltage, neben den Elektroklängen, gab es Hip Hop unter anderem von Haftbefehl und OK Kid. Das ging finanziell zwar ziemlich schief, es kamen viel weniger Leute als gehofft bei den Namen. Komplett aufgeben wollten Brüggmann und Dagdelen deswegen aber nicht. „Wir haben schon noch ein paar Ideen, die wir gerne umsetzen würden", sagen beide selbstbewusst.

 

Der Festivalort: Hier ist das Bodenseestadion

 

Alles zur Anreise: Tickets, Busse, Campen

Termin: Das Gute-Zeit-Festival findet am Samstag, 27. Mai, im Konstanzer Bodenseestadion statt. Einlass ab 14 Uhr, Eintritt für Jugendliche ab 16 Jahren.

 

Tickets: Kosten im Vorverkauf 35 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr. Sie sind unter anderem über den Online-Tickethändler Reservix bestellbar

 

Anreise: Rund um das Bodeneestadion gibt es keine Parkmöglichkeiten. Das Areal wird grossräumig abgesperrt. Deshalb empfiehlt sich die Anreise mit Bus und Bahn. Ab Hauptbahnhof Konstanz fahren Sonderbusse zum Festival, die man mit einem Ticket gratis nutzen darf. 

 

Campen: Wer günstig übernachten will, hat auf dem Campingplatz am Flugplatz Konstanz die Möglichkeit zum campen. Die Veranstalter bieten hier für 15 Euro einen Camping- und Wohnmobilplatz an. Achtung: Der Campingplatz ist weit entfernt vom Festivalort. Deshalb gibt es auch hier zu An- und Abreise ins Stadion die Möglichkeit mit dem Bus zum Festival zu fahren.

 

Alle weiteren Details zum Festival gibt es hier: http://gutezeit-festival.de 

 

Weiterhören

Claptone 

Stephan Bodzin

Markus Kavka

 

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