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von , 22.05.2017

Was der liebe Gott zusammenführt

Was der liebe Gott zusammenführt
Katharina Ammann (links) gemeinsam mit den beiden Künstlern Ester Vonplon und Jürg Halter vor einem ihrer Werke im Kunstverein Konstanz. | © Julia Christiane Hanauer

Sie präsentieren sich in „ Alleine tanzend – irgendwo" erstmals in einer gemeinsamen Ausstellung – die beiden Schweizer Künstler Ester Vonplon und Jürg Halter. Und bei einem Künstlergespräch stellten sie sich zusammen in einem Gespräch den Fragen von Katharina Ammann vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, umgeben von ihren gemeinsamen Werken, die noch bis 2. Juli im Kunstverein Konstanz zu sehen sind.

Von Julia Christiane Hanauer

Sie Fotografin, er Schriftsteller, Musiker und Performancekünstler, vereint durch niemand geringeren als Gott. „Wir haben uns über den lieben Gott im Himmel kennengelernt", sagt Jürg Halter. Ob dieser nun wirklich beteiligt war, wird sich wohl nicht klären lassen, es war aber so, dass ein Pfarrer sowohl Vonplon als auch Halter fragte, ob sie nicht Lust hätten, mit Jugendlichen ein Projekt zu erarbeiten mit den Schwerpunkten Text und Fotografie, erzählt der Künstler aus Bern. Und so stiessen die beiden damals aufeinander. Damit war der Grundstein für die erste gemeinsame Ausstellung der in der Schweiz sehr bekannten Künstler gelegt.

Ester Vonplon erläutert, dass das Schaffen von „Alleine tanzend – irgendwo" eine stetige Kommunikation zwischen den Künstlern war. Sie bekam Texte von Jürg Halter und hat dazu Fotografien geschaffen. Auch eine Erklärung dafür, woher sie ihre Inspiration nimmt, nämlich aus Texten und Bewegtbildern. „Für mich spricht das Bild", sagt sie. „Es gab kein Ziel", ergänzt Jürg Halter und erklärt, dass diese Setzung problematisch sei, da man sonst nur noch damit beschäftigt sei, dieses Ziel zu erreichen.

Gespräch gleicht eher einer Führung

Mit ihrer Ausstellung bespielen die beiden Künstler in den Räumen des Kunstvereins nicht nur die Wände, sondern auch den Boden und die Decke. Ein Raum ist einer Videopräsentation gewidmet. Und so gleicht das Künstlergespräch letztendlich auch eher einer Führung denn einem klassischen Gespräch am Tisch. Die Künstler verlassen mit Katharina Ammann ihre Plätze, durchschreiten den Raum, der Zuhörer positioniert sich neu. Im „Videoraum" flimmern Bilder von Wasser, Kondenzstreifen am Himmel oder Spiegelungen über die Leinwand. Aus dem Off ist ein Summen zu hören und Jürg Halters Stimme, der Texte zu den Bildern spricht – wenn nicht gerade selbst ein Text über die Leinwand flimmert. Und während die Stimme zunächst Fragen stellt, die korrespondieren mit den zu sehenden Bildern, spricht er letztendlich den Betrachter an, rückt das Verhältnis von Sprecher und Zuhörer ins Bewusstsein. Es sei ein Auflösen von Grenzen, von dem „Behaupten von Situationen, die aber nur um Kopf bestehen", erläutert Halter. Wie wichtig ist der Betrachter im Schaffen der Künstler? Entwickelt sich denn das Bild beim Betrachten? Für Ester Vonplon ist es zunächst nebensächlich, ob es einen Betrachter gibt. Aber sie sagt auch, dass ein Bild nur mit dem persönlichen Hintergrund eines Betrachters berühren könne. Gerade bei abstrakten Werken sei es interessant, was passiere.

Jürg Halter liest seine gerahmten Texte vor. Bild: Julia Christiane Hanauer

Im Film sind Motive und Worte zu sehen (und hören), die in den Fotografien und Texten in der Ausstellung teils wiederkehren, die aus dem Kontext genommen und neu arrangiert sind. Zum Beispiel Vögel: Im Film fliegen sie am blauen Himmel, über den sich Kondenzstreifen ziehen. Im nächsten Raum sind einzelne Tiere auf Seide gedruckt und mit Stecknadeln an die Wand gepinnt. Sie habe vorher schon mit Stoffen gearbeitet, sagt Ester Vonplon und erklärt, dass sie Vögel gerne als Thema nehme, da sie etwas leichtes vermitteln und eine Perspektive haben, die ein Mensch niemals erreichen werde. Die Unschärfe auf dem Stoff sei es, die die Leichtigkeit zusätzlich betone.

Die Frage nach dem Rahmen

In ihrer Ausstellung werfen die Künstler auch die Frage nach dem Rahmen auf. Die grossformatigen Werke Vonplons sind an Metallklammern geheftet, das eine Werk steht dadurch leicht von der Wand ab. Ein anderes, auf Stoff gedrucktes Bild, zeigt oben ein Mädchen im Schwimmbad. Der Stoff fliesst an der Wand hinab bis über den Boden, wo sich ein Text über Kapitalismus befindet, ein „Gegenpol" zu dem Bild, erläutert Jürg Halter. Andere Werke wiederum sind gerahmt – und haben zum Teil Passepartouts. Wieder andere befinden sich direkt auf dem Fussboden. Und es gibt Texte, die Bilder sind. „Was passiert, wenn man einen Text liest", fragt Jürg Halter. Und geht weiter. Es gebe eine andere Lesung, sobald dieser an einer Wand stehe – und schliesslich gerahmt sei. So wie ein Teil seiner Werke in der Ausstellung.

Nicht gerahmt, aber gebunden wird sein Prosatext sein, den er zum Theaterstück „Mondkreisläufer", das am Deutschen Theater in Berlin auf die Bühne kommt, im Oktober veröffentlicht. Zudem geht seine Anti-Talkshow-Reihe „Die Gegenaufklärung" (Stadttheater Bern) in die dritte Spielzeit. Ester Vonplon arbeitet momentan an der Veröffentlichung von drei Büchern, ihrer Ausstellung im Bündner Kunstmuseum Chur, die im September eröffnet, und experimentiert weiterhin fotografisch mit Bewegung.

Termine: Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Juli im Kunstverein Konstanz zu sehen. Die Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag von 10 bis 18 Uhr und Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr.

Der Ort: Hier finden Sie den Kunstverein Konstanz.


Weitergucken:

Videos von Jürg Halter 

"Aus einem leeren Geigenkasten"



Jürg Halter – Dichter und Denker im Umbruch

Mondkreisläufer – Eine Heimsuchung in vier bis unendlich vielen Akten


Jürg Halter
www.juerghalter.com 

Gletscherfahrt von Ester Vonplon 


 

Ester Vonplon

www.estervonplon.com 

 

www.kunstverein-konstanz.de

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