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von Inka Grabowsky, 21.07.2017

Triste Kinderwelten

Triste Kinderwelten
Setzungen des Kurators Philippe Mahler: Frieder Grieders „Junge“ beklagt den „Krankenbesuch" von Hermann Knecht. | © Inka Grabowsky

Wie wurden und werden Kinder von regionalen Künstlerinnen und Künstlern gesehen? Eine neue Ausstellung im Kreuzlinger Museum Rosenegg zeigt es. Es ist die letzte Ausstellung der langjährigen Museumsleiterin Heidi Hofstetter. 

Von Inka Grabowsky

„Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder.“  Dieses Zitat von Dante Alighieri ist als Motto der Ausstellung „Kinderwelten“ im Museum Rosenegg vorangestellt – und es führt in eine falsche Richtung. Die Kinderwelten, die uns 18 Künstler der Region zeigen, sind alles andere als paradiesisch. Insbesondere im Saal des Erdgeschosses, in dem unter anderem Werke von Ernst Würtenberger, Carl Roesch, Helen Dahm, Martha Haffter, Hans Bach, Hermann Knecht und Friedel Grieder zu sehen sind, herrscht auf den zweiten Blick eine bedrückende Atmosphäre. „In diesem Teil der Ausstellung schwingt jeweils etwas Bedrohliches mit“, erklärt Yvonne Istas. „Mütter, Grossmütter und Kinder driften auseinander. Die Kinder stehen isoliert, wirken einsam, und wenn sie spielen - wie auf Ernst Würtenbergers Ölbild - dann spielen sie Krieg.“

Ein ausgesuchter Ausschnitt

Der Künstler Philippe Mahler amtete als Kurator, wählte die Werke aus und setzte sie in Beziehung zueinander. Damit schuf er eigene Aussagen: Friedel Grieders „Junge“ streckt seine Arme gegenüber dem „Krankenbesuch“ von Hermann Knecht in die Höhe. Seine Pose ist nun eindeutig: Er jubelt nicht, er hebt die Arme klagend. Um das weite Feld „Kinder in der Kunst“ ein wenig übersichtlicher zu machen, hat sich der Kurator auf Künstler der näheren Umgebung beschränkt, die in den vergangenen zweihundert Jahren aktiv waren. Während das Erdgeschoss Kindern in ihren problematischen Beziehungen gewidmet ist, konzentrieren sich im Obergeschoss Portraits und Badeszenen. „Hier ist die Atmosphäre leichter und lichter“, kommentiert Yvonne Istas. Insbesondere die sommerlichen Wasserszenen haben es ihr angetan. „Martha Haffter hat Augenblicke in der Badi Frauenfeld verewigt, bei denen man sich in die dreissiger Jahre zurückversetzt führt. Die 51-jährige Karen Kägi  hat ihre Kinder beim Spielen im Wasser gemalt - ein ganz anderer Stil, aber das gleiche Sujet.“

Die neue Museumsleiterin Yvonne Istas vor einem der farbenfrohen Werke von Annelies StrbaDie neue Museumsleiterin Yvonne Istas vor einem der farbenfrohen Werke von Annelies Strba. Bild: Inka Grabowsky

Die Ausstellung stellt Portraits, bei denen Kinder als ernste kleine Erwachsene präsentiert werden, Kinderbildern gegenüber, die wie ein Schnappschuss eine Szene im Leben der Kleinen darstellt. Während die Portraits auf den heutigen Betrachter inszeniert und damit unglaubwürdig wirken, erzählen Gemälde wie Würtenbergers „In der Apfelkammer“ oder das „lesende Mädchen“ vor Martha Haffter Geschichten, die uns auch rund hundert Jahre nach ihrer Erschaffung noch etwas sagen.

Mehr Interpretationshilfen

Die Künstlerinnen Helen Dahm und Friedel Grieder gehören zu den sieben ausgewählten Persönlichkeiten, denen das Museum aufgrund ihrer grossen Wirkung in der Dauerausstellung einen Raum gewidmet hat. Hier findet der Besucher Hintergründe zu ihrem Leben und Werk. Friedel Grieders Brunnenfiguren, deren Gipsentwürfe Teil der aktuellen Ausstellung im Museum Rosenegg sind, dürften zudem am 16. August im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kreuzlingen entdecken“  eine Rolle spielen. Die ehemalige Museumsleiterin Heidi Hofstetter erzählt ab 18.30 Uhr „Brunnengeschichten“.

Weitere Führungen durch die „Kinderwelten“ bietet Yvonne Istas am 26. Juli und 9. August an, jeweils um 18 Uhr.

Weitere Bilder aus der Ausstellung: 

Zweimal  „Mutter und Kind“: Skulptur von Hans Bach vor Lithographie von Hans Pothoff

 Zweimal „Mutter und Kind“: Skulptur von Hans Bach vor Lithographie von Hans Pothoff. Bild: Inka Grabowsky

Viele Karos und ein Kunstwerk: „Vier Kinder“ von Hermann Knecht für einmal nicht im Mittelpunkt des Interesses. Bild: Inka Grabowsky

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