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Wie von der Tarantel gestochen

Wie von der Tarantel gestochen
Bilderbuch-Italien: Cinquecento mit Familie. So probt die Theaterwerkstatt Gleis 5 im Greuterhof Islikon für ihr aktuelles Stück "Der schwarze Kuss" | © Michael Lünstroth

Ein italienischer Mythos und die Frage nach Heimat: Die Theaterwerkstatt Gleis 5 verarbeitet zwei Themen bei ihrer neuen Open-Air-Produktion im Greuterhof in Islikon.

Von Michael Lünstroth

Kurze Frage zum Einstieg: Was haben eine Spinne aus Süditalien und die Situation der ersten italienischen Gastarbeiter in der Schweiz miteinander zu tun? Für die meisten von uns wenig, für Giuseppe Spina eine Menge. Aus beiden Stoffen hat er gemeinsam mit dem Regisseur Noce Nodesa jetzt das Theaterstück "Der schwarze Kuss" geformt, das ab 11. August auf der Open-Air-Bühne im Greuterhof in Islikon zu sehen sein wird. Auf der einen Seite also die mysteriöse Geschichte über einen merkwürdigen Kult aus dem Italien der 1960er Jahre: Die so genannte Tarantula, ein Tanz, war lange Zeit dort als therapeutische Massnahme angesehen und somit einzige Medizin gegen den Biss einer Tarantel. Der Kranke bewegte sich in Trance zu den Rhythmen einer Trommel - dem tamburello. Der Sinn dieses Exorzismus war, die epileptischen Anfälle des von der Tarantel Gebissenen auszuleben. 

Wie kam es zu der Geschichte? Regisseur Noce Noseda im Interview

In dieser Zeit setzt die Handlung des Stücks ein. "Michele di Nardò, wohnt in einem kleinen Dorf in Apulien. Er wird angeblich von der Tarantel gestochen. Aber die herbeigerufenen Musiker schaffen es  nicht, Michele zum Tanzen zu bringen und ihn somit von seinem Leiden zu erlösen", beschreibt Giuseppe Spina die Ausgangssituation. Später wandert Michele in die Schweiz aus und findet Arbeit in Islikon und lebt mit vielen Menschen aus seiner Heimat im Greuterhof. Damit wird diese Geschichte eben auch zur Lokalgeschichte. Denn: In den 60er und 70er-Jahren lebten im Greuterhof die “Stagionali”: die italienischen Gastarbeiter. Sie fanden dort ziemlich heruntergekommene Verhältnisse vor und mussten sich irgendwie arrangieren in der neuen Heimat. Kein Wunder, dass viele von Ihnen zwischen ihrer alten Welt (Italien) und der neuen Welt (Schweiz) hin und hergerissen waren.

Die Geschichte ist ein Stück auch die Geschichte des Autors

"Als wir im letzten Jahr hier im Greuterhof "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" gespielt haben, sind wir auf diese Geschichte des Greuterhofs über alte Fotos gestossen", erklärt Giuseppe Spina die Initialzündung für das Projekt. Die Tarantel-Episode hatte er schon vor Jahren geschrieben, jetzt gab es die Gelegenheit, beide Geschichten miteinander zu verbinden. Seit einigen Tagen probt das Team nun in der Originalkulisse im Greuterhof. "Allmählich fügt es sich zusammen", findet Regisseur Nodesa. Für ihn geht die Bedeutung des Stücks aber weiter. "Michele war damals einer der ersten, die kamen, mittlerweile gehören sie längst zur Gesellschaft dazu; es ist normal, dass Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen", sagt er. Auch der Situation der so genannten Secondos, also die in der Schweiz geborenen Kinder der Migranten, will das Stück nachspüren. Giuseppe Spina liegt diese Arbeit besonders am Herzen, weil es ein Stück weit auch die Geschichte seiner Familie ist. Sein Vater kam im Alter von 16 in die Schweiz und ging mit 60 wieder zurück nach Italien. "Das sind alles Themen, die mich persönlich beschäftigen, das will ich gut erzählt wissen", sagt Spina.

 

Termine: Premiere ist am Freitag, 11. August, 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: Samstag, 12. August, Dienstag 15. bis Samstag 19. August, Dienstag 22. August bis Samstag 26. August, jeweils um 20.30 Uhr. Karten kosten 48 Franken, Reservationen sind hier möglich. Die Tribüne hat Platz für 120 Zuschauer und ist überdacht. 

Freuen sich auf die Premiere (von links): Silvana Peterelli, Jan Hubacher, Nemo Frei, Joe Fenner, Carin Frei und Giuseppe Spina bei den Proben zu "Der schwarze Kuss". Bild: Michael Lünstroth

www.theaterwerkstatt.ch

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