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von , 09.10.2017

Macht Lust auf mehr

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Die Bands lockten viele Besucher vor die Bühne. Hier zeigt die Delirious Mob Crew ihr Können. | © PD

„Der Thurgau ist da“, das merkten und vor allem hörten die St. Gallener am Samstag auf ihrem Marktplatz. Und das war auch das erklärte Ziel des Thurgauer Kulturamts: Denn der Thurgau ist Gastkanton auf der in der kommenden Woche in St. Gallen beginnenden Messe OLMA – und mit dem Kultur- und Genusstag machte er den Auftakt. Auch Thurgaukultur war mit von der Partie – und setzte einen knallgelben Akzent, der für beste Stimmung sorgte.

Von Julia Christiane Hanauer

Der Kanton Thurgau setzte an diesem Tag ganz auf seine genussvolle Seite – und das nicht nur mit Kulinarik im Rahmen eines Foodfestivals und Genussmarktes, sondern auch mit Kultur. Sechs Bands und zwei Strassenkünstler zeigten eine weitere schmackhafte Seite des Kantons. Und das war Genuss vom Feinsten.

Herzen schlugen höher bei gleich mehreren Auftritten von Naeman Meier, bekannt aus diversen Castingshows in Deutschland und der Schweiz. Das junge, vorrangig weibliche Publikum, zückte begeistert die Handykameras, um die rund 20-minütigen Konzerte des 23-Jährigen zu filmen. Er setzte ganz bewusst nicht auf die große Bühne, sondern auf seine Anfänge, die in der Strassenmusik liegen. Mit seiner Gitarre sass er auf einem kleinen Platz und liess seinem Publikum in den Genuss eines kleinen, exklusiven Strassenkonzerts kommen. Im Interview mit Thurgaukultur (Video am Ende des Textes) erzählte er, dass er seit rund einem dreiviertel Jahr keinen Auftritt mehr gehabt habe, weil er eine EP mit sechs eigenen Songs rausbringen, sich dabei aber Zeit lassen möchte. „Darum ist es eine Ausnahme, dass ich hier dabei bin, weil ich wusste, es geht um Strassenmusik. Aber ich habe es gemacht, weil das meine Heimat ist, die Ostschweiz“, sagte er und zeigte dabei auf sein Herz – eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Strassenmusik.

Beim Kultur- und Genusstag war viel geboten am Samstag in St. Gallen: Bild: PD

Das Publikum des Kultur- und Genusstages bestand hauptsächlich aus Passanten, die sich von dem Angebot hatten anziehen lassen. Das machte auch die Besonderheit der Veranstaltung aus, denn sie richtete sich nicht speziell an eine Zielgruppe. Und so standen junge neben älteren Paaren, Kinder tanzten fröhlich vor der Bühne, Jugendliche erfreuten sich ebenso an der Musik wie die Erwachsenen jeglichen Alters. Neben Musik, Leckereien und Speisen sorgte ein Clown für Stimmung beim jüngeren Publikum und getreu dem Thurgauer OLMA-Motto „Der Leu isch los“, wurden Kinder entsprechend geschminkt. Besonders schön war, dass viele Menschen tatsächlich ein Lächeln im Gesicht hatten und sichtlich genossen, was die Bands Jar, Delirious Mob Crew, Europa: Neue Leichtigkeit, Crispy Dee sowie Parrot To The Moon und Len Sander an Musikgenuss auftischten. Und das war wirklich abwechslungsreich, reichte von Reggae über Rock, (Space- und Dark) Pop sowie Schlager bis Mundartrap und Electro.

Video zum Auftritt von Len Sander

Der besondere Happen von Thurgaukultur

Auch Thurgaukultur präsentierte neben einem Stand einen ganz besonderen Happen, der sich in knallgelber Nostalgie zur Schau stellte: Der VW-Fotobus mit Sabrina, die sich charmant um die zahlreichen Besucher kümmerte. Und die hatten hörbar reichlich Spass beim Verkleiden und lustige Fotos schiessen.

Viel los war am Samstag beim Photobus von Thurgaukultur.Viel los war am Samstag beim Photobus von Thurgaukultur.

Auch die Bands waren von dem Gefährt begeistert und stellten sich im Interview auf der Rückbank den Fragen von Thurgaukultur (alle Videos dazu am Ende des Textes) – meist ganz selbstverständlich in lustiger Kostümierung. Mit dem Team sprachen die Musiker über ihre Arbeit, das Gefühl, klein anzufangen und eines Tages vor mehreren Tausend Besuchern zu spielen, über das Songwriting und wie es ist, wenn man lange an einem Lied feilt – und es dann doch im Papierkorb landet. Auch „die beste Reggae-Band des Kantons“ Jar – weil die einzige Reggae-Band, die das Kanton hat – gab sich auf der Rückbank des VW-Busses ein Stelldichein und berichtete über ihren Eröffnungsauftritt, den sie „sehr cool“ fanden. Bei Sonnenschein hatten die fünf Thurgauer dem Publikum mit ihren fröhlich-leichten Beats gut eingeheizt. Seit bereits elf Jahren besteht Jar – vom anfänglichen Ska kamen sie zum Reggae. „Wir machen das, was Spass macht“, erzählten sie. Und verrieten augenzwinkernd: Bevor sie auf Jamaika-Reise gehen, werden sie doch erst mal in der Nähe auftreten – beispielsweise in Deutschland.

Jar im Interview im Photobus

Heimat ist Zuckerrübengeruch

Da die Bands bei ihrem Auftritt nicht nur sich selbst, sondern auch den Thurgau präsentierten, ging es im Interview mit Parrot To The Moon natürlich auch um das Thema Heimat. Die drei Künstler leben alle in Bern, ihre Wurzeln aber liegen im ostschweizerischen Kanton. „In den Thurgau zu kommen, heisst nach Hause zu kommen“, sind sich somit auch die drei Musiker von Parrot To The Moon einig. Dazu gehört übrigens auch Zuckerrübengeruch. Einblicke in sein Gefühlsleben gab der Mundartrapper Crispy Dee, der an diesem Tag mit seiner Band das letzte Mal auf der Bühne stand. Vor acht Wochen ist er Vater geworden, dazu noch der Beruf: Zeitlich schaffe er es nicht mehr, so intensiv Musik zu machen und habe daher entschieden, aufzuhören. Eigentlich wollte er schon nach dem Open Air St. Gallen aufhören, doch nun stand er an diesem Abend noch einmal auf der Bühne „für alle die, die nicht dabei [Anmerkung Red.: beim Festival] sein konnten“. Ein Abschiedskonzert, bei dem auch Leute aus seinem Umfeld mit von der Partie waren, „was mich extrem freut. Es macht mich aber auch mega nervös, weil ich weiss, die Leute kennen mich. Denn ich schlüpfe auch in eine Rolle auf der Bühne und will zugleich ich selber sein.“ Wehmut und Dankbarkeit, das sei es, was er vor allem empfinde.

Kunterbunt und für jeden Spass zu haben

Einen kunterbunten Auftritt mit Plastikblumen und bunten Lamettastreifen erlebten die Zuschauer beim Auftritt von Europa: Neue Leichtigkeit. Im Interview verrieten sie, dass sie diese Deko en gros im Kosovo eingekauft hätten. „Das ist ein langer Prozess, der sich weiter entwickelt. Die Blumen nutzen sich ab und müssen ersetzt werden.“ Sie hatten auch eine kleine Überraschung parat: Spontan stimmten die vier einen Anti-Song an. Gleichzeitig offenbarten sich während dieses Interviews auch die Tücken des mobilen Internets. Ein kunterbunter Auftritt – auch hinter der Bühne (siehe Video). 

Für jeglichen Spass zu haben waren Aaron und Jonathan von Delirious Mob Crew. Jonathan verliebte sich spontan in den rosaroten Thurgaukultur-Pfeil, der bei den Requisiten lag, aber es ging auch ernsthaft zu. So berichteten die Beiden beispielsweise von ihren Erfahrungen bei Contests. „Wettbewerb habe ich persönlich immer nicht so gerne, im Konkurrenzkampf zu stehen“, meinte Aaron. Aber wenn man erfolgreich daraus hervorgehe, sei es das bisher trotzdem immer wert gewesen. Zudem könne man Erfahrungen sammeln, meint Jonathan. „Es ist eine Riesenplattform.  Jedes mal bei den Auftritten sehen dich neue Leute. Bestenfalls sitzen dort Manager. Es ist eine riesige Bühne, auf der du dich präsentieren kannst.“ Zudem verrieten die Beiden, dass die Band  derzeit an einer EP feilt, die eventuell in einem halben Jahr auf den Markt kommt.

Genuss, der ankommt

Vor dem Bus zeigten sich die Besucher begeistert von dem vielfältigen Genuss, den der Kanton Thurgau an diesem Tag servierte. Als „charmanten Markt“ bezeichnete beispielsweise Carmen Kosorok Labhart die Veranstaltung und ihr Mann Daniel Labhart fügt hinzu: „Es ist schön, dass sich der Kanton nicht mit Folklore präsentiert.“ Auch die beiden Kinder kamen auf ihre Kosten – und verwandelten sich in zwei kleine Löwen. Die Familie lebt im Thurgau und war gekommen, weil sie Lust hatte, sich die Veranstaltung anzuschauen. Auch Roman Schellenberg aus St. Gallen freute sich und meinte: „Es belebt die Stadt.“

Ein positives Fazit des Kultur- und Genusstages ziehen Martha Monstein, Leiterin des Kulturamts, sowie Ramona Früh, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kulturamt und für die Organisation des Kulturprogramms  verantwortlich. Von den Besuchern hätten sie viel positive Rückmeldungen bekommen. „Es ist einmalig, so viele junge Thurgauer Bands auf einmal zu haben“, sagt Martha Monstein. Es sei viel Laufpublikum gewesen, dass stehengeblieben sei. „Es war ein gutes Zeichen zu sagen 'Der Thurgau ist da'“, sagte Ramona Früh mit Blick auf die OLMA. Das konnten die St. Gallener am Samstag mit viel Genuss sehen. Und vielleicht hat es vielen auch Appetit gemacht auf die Messe.

Mehr Videos vom Kultur- und Genusstag

Europa - neue Leichtigkeit auf der Bühne 

Parrot to the moon live auf der Bühne

Bands im Interview

Parrot to the moon über Heimat

Crispy Dee über seinen allerletzten Auftritt

Delirious Mob Crew über Bandcontests

Naeman Meier im Gespräch

Mehr Videos vom Kultur- und Genusstag gibt es auf auf unserer Facebookseite

 

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