von Zora Debrunner, 13.12.2017
Ein Krimi aus dem echten Leben
Der dritte Fall des Berner Ermittlers Ernst Wüthrich führt ihn in den Thurgau. Dort macht er sich auf die Suche nach dem so genannten Mitternachtsmörder, der im Sommer 2002 sein reales Unwesen trieb.
Von Zora Debrunner
„Tödlicher Schatten“ ist bereits das dritte Buch, das sich um den Ermittler Ernst Wüthrich und sein Team dreht. Der Autor Jürg Mosimann (*1945) arbeitete sowohl als Reporter beim Blick, als auch als stellvertretender Informationschef der Kantonspolizei Bern. Er hat aus nächster Nähe den Fall des sogenannten „Mitternachtsmörders“ mitverfolgt. Dieser reale Fall hat die Schweiz im Jahr 2002 beschäftigt. So fliessen auch viele von Mosimanns Erfahrungen in diesen fiktiven Text ein.
Dezernatschef Wüthrich ermittelt mit seinen Mitarbeitern in einigen Fällen von Handtaschendiebstahl in Bern. Innerhalb von kurzer Zeit werden die Überfälle auf junge Frauen brutaler, bis schliesslich in der Nacht auf den 1. August 2002 eine Frau schwer verletzt wird und eine andere zu Tode kommt. Der Leser erlebt mit, wie die Ermittler mit Hilfe des Kriminalpsychologen Thomas Müller aus Wien, den es wirklich gibt, dem Täter langsam auf die Spur kommen. Es beginnt ein Katz- und Maus-Spiel zwischen dem Täter und der Polizei. Der Mörder versucht die Polizei mittels Briefen - wir erinnern uns an Jack the Ripper - auf eine falsche Fährte zu locken. Die Ermittler durchschauen jedoch sein Spiel und bleiben auf seiner Spur.
Aus der Realität – dennoch Fiktion
Jürg Mosimann fügt seinem Kriminalroman Abdrucke echter Zeitungsartikel bei. So kann der geneigte Leser die mediale Stimmung von damals nachvollziehen und gefühlsmässig in jene Jahre eintauchen. Es wird einem rasch klar, welchen Belastungen die Ermittler im Sommer 2002 ausgesetzt waren. Beim Fall um den sogenannten Mitternachtsmörder war die Belastung besonders gross: Der Täter war nämlich ein junger Mann und erfolgreicher Sportler. Er stammte aus dem Thurgau, wo er aufwuchs und gewann später zwei Mal den Frauenfelder Militärwettmarsch. 2016 fanden an eben diesem Sportanlass Dreharbeiten für den Film „Der Läufer“ statt, welcher sich ebenfalls an diesen Fall anlehnt.
In der damaligen medialen Berichterstattung wurden nach Bekanntwerden seiner Täterschaft auch rasch die einzigen, öffentlich verfügbaren Bilder aus seiner Siegerzeit, veröffentlicht. So wurde in einer grossen Boulevardzeitung aus dem „Mitternachtsmörder“ der „Waffenlaufmörder“ und die Opfer zur Randnotiz. Auf die Übertragung dieser Begebenheit verzichtet Mosimann in seinem Roman und legt Wert darauf, die Persönlichkeit der realen Opfer zu wahren und erinnert gleichzeitig am Ende des Buchs in der Person von Wüthrich nochmals an sie.
Vielzahl von Figuren kann verwirren
Mosimann schafft es, seiner Hauptfigur Wüthrich interessante Konturen zu verpassen. Ich hätte gerne noch mehr über diesen etwas bauzigen Berner erfahren. Insgesamt 40 namentlich erwähnte Protagonisten erschweren die Lektüre des Buches und damit das Mitverfolgen des an sich spannenden Falls. Hier wäre weniger mehr gewesen. Insgesamt hat Jürg Mosimann ein Werk vorgelegt, das insbesondere mediengeschichtlich spannend sein dürfte und vielen Lesenden hilft, die Situation von vor 15 Jahren besser zu verstehen. Das Buch ist edel aufgemacht und auch mit seinem stolzen Preis ab 39 Franken eher teuer für einen Krimi, das eBook kostet 19 Franken.
Jürg Mosimann: Tödlicher Schatten. Weberverlag.ch. 1. Auflage 2017 ISBN 978-3-03818-142-2, CHF 39.–
Von Zora Debrunner
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