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von Inka Grabowsky, 11.01.2018

1000 Jahre Spielball der Mächtigen

1000 Jahre Spielball der Mächtigen
Referent und Buchautor Ueli Gubler | © Inka Grabowsky

Die Thurgauer Geschichte ist weitgehend frei von weltbewegenden Ereignissen. Trotzdem kann man an ihr die Ereignisse der weiten Welt ablesen, lernten Hörer der Kreuzlinger Volkshochschule.

Von Inka Grabowsky

„Die Thurgauer Geschichte besteht aus den Geschichten seiner Herren“, sagt der Hobby-Historiker Ueli Gubler bei seinem Vortrag bei der Volkshochschule Kreuzlingen. „Wir leben heute wie vor tausend Jahren in einer Randregion, quasi im Bermudadreieck zwischen Konstanz, Winterthur/Zürich und St. Gallen.“ Der Ingenieur und ehemalige Gemeindepräsident von Stettfurt hat sich über zwanzig Jahre mit der Vergangenheit des Kantons beschäftigt. „Zugegebenermassen hat es mich motiviert, als ich an den Festreden zum Kantonsjubiläum 2003 gemerkt habe, wie viele Menschen keine Ahnung von Tuten und Blasen haben.“ Er selbst musste sich schon aus beruflichen Gründen mit dem Thema auseinandersetzen. Er war im kantonalen Tiefbauamt für die Wiederherstellung des Schwabenwegs zuständig. „Ich habe immer mal Vorträge zu Teilaspekten der Geschichte gehalten. Irgendwann hatte ich so viel zusammengetragen, dass es sinnvoll wurde, es aufzuschreiben.“ Sein Verdienst sei aber nicht die Forschung, sondern nur die Präsentation der bekannten Fakten in verständlicher Form, sagt er. Ein Jahr hat er an seinem Buch „Geschichte und Geschichten rund um den Thurgau“ gearbeitet, bevor er es vor sieben Monaten im Selbstverlag herausbrachte. Nun stösst es rundum auf grosses Interesse. Der Torggel Rosenegg ist beim ersten Teil seines Vortrags mit sechzig Zuhörern voll besetzt.

Von alten Griechen und dem christlichen Abendland

Vor rund 2500 Jahren habe der griechische Gesichtsschreiber Herodot die gebärfreudigen Frauen der Region gelobt, referiert Gubler aus grauer Vorzeit. „Tacitus beschrieb 98 nach Christus die Bevölkerung als sittenstreng, aber dem Gerstensaft verfallen. Durch die Zeugnisse der Römer wissen wir vieles aus der Zeit, als durch den heutigen Thurgau entlang der Murg die Grenze zwischen den Provinzen der Helvetier und der Räter verlief.“ Neben den Römern hatte die Völkerwanderung grosse Auswirkungen. Drei Einwanderungswellen – mutmasslich ausgelöst durch einen Klimawandel - macht Gubler aus. „Ortsnamen mit der Endung -ingen weisen auf die erste Welle um das Jahr 260, danach kamen Orte, die mit -hausen enden und schliesslich jene mit -wil.“ Beherrscht wurde der Thurgau zunächst von den Merowingern, die auch für die Christianisierung zuständig waren, und danach von den Karolingern. „Das christliche Abendland entstand am Weihnachtstag des Jahres 800, als Karl der Grosse vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde“, erklärt der Autor. „Die Zusammenarbeit von geistlicher und weltlicher Macht markiert den Beginn einer Kultur.“

Faszinierte Zuhörer

Nach dem gut 90-minutigen Tauchgang in die Geschichte schwirrt den Zuhörern doch etwas der Kopf. Wer im ausgehenden Mittelalter welche Stadt gebrandschatzt hat und warum, ist eine komplexe Frage.  „Es war oft chaotisch“, fasst der Referent zusammen. „Und es war nicht leicht für die Thurgauer, sich mit den jeweils Herrschenden zu arrangieren. Daran hat sich eigentlich nicht viel geändert, wenn man überlegt, wie sich die Schweiz heute mit der EU arrangieren muss.“ Der Präsident der Volkshochschule Jürg Morf bedankt sich im Namen des Publikums: „Geschichte lebt von den kleinen Mosaiksteinen, die gemeinsam das grosse Bild ergeben. Sie ist leichter zu verstehen, wenn man diese Rosinen herauspickt und mit Humor präsentiert.“ Viele Zuhörer werden sich den zweiten Teil, der sich mit der Zeit von der Reformation bis zur Kantonsgründung 1803 befasst, nicht entgehen lassen.

Der zweite Teil: „Die Geschichte des Thurgaus in 100 Bildern“ (2. Teil): 17. Januar 2018, 19:30 Uhr im Torggel Rosenegg in Kreuzlingen. Alle Details zur Veranstaltung gibt es hier http://www.thurgaukultur.ch/agenda/23315 Die erste Auflage des Buchs „Geschichte und Geschichten rund um den Thurgau“ von 350 Exemplaren ist bereits vergriffen, aber der Autor lässt demnächst wieder drucken. Interessenten können sich per Mail unter gubler.ueli@bluewin.ch melden. Das Buch wird 35 Franken kosten.

Geschichte und Geschichten rund um den Thurgau: Ein Buch von Hobby-Historiker Ueli GublerGeschichte und Geschichten rund um den Thurgau: Ein Buch von Hobby-Historiker Ueli Gubler. Bild: Inka Grabowsky

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