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von Brigitta Hochuli, 14.06.2011

Kulturgespräch mit Jazzer Adrian Egli

Kulturgespräch mit Jazzer Adrian Egli
Jazzgitarrist, Komponist und Liedersänger Adrian Emanuel Egli. | © pd

Der Kreuzlinger Adrian Egli, Absolvent der Jazzschule St. Gallen, geht auf Konzerttournee. Er spricht über Heimatorte, das Endee Quintett und Erlösung in der Kunst.

Brigitta Hochuli

Herr Egli, wie beschreiben Sie Ihren Weg von Kreuzlingen nach St. Gallen und jetzt als Lehrer wieder zurück nach Kreuzlingen? Gab es auf diesem Weg auch Umwege?

Adrian Egli: In St.Gallen habe ich studiert und viele Musiker kennengelernt, es haben sich dadurch viele Türen für mich geöffnet. Aber Kreuzlingen wird immer meine Heimat bleiben. Hier bin ich aufgewachsen und habe meine Kindheit verbracht. Es gab Umwege, aber nicht auf diesem Weg, sondern auf dem Weg zurück nach St.Gallen. Ich habe zwei Jahre zusammen mit einer Freundin in Winterthur gewohnt und jetzt ziehen wir wieder nach St.Gallen. St.Gallen ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden.

Sie singen Thurgauer Dialekt - warum?

Adrian Egli: Ich singe im Thurgauer Dialekt, weil dies nun mal mein Dialekt ist. In seiner eigenen Sprache kann man die Dinge klarer beschreiben und auch experimenteller mit der Sprache arbeiten. Es wird auch persönlicher, oder sogar intimer - natürlich abhängig vom Song.

Ihre kommende Konzerttournee bestreiten Sie zusammen mit dem Endee Quintett und dessen Jazzsängerin Nicole Durrer vom Endee Quintett. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Adrian Egli: Nicole Durrer habe ich in St.Gallen an der Jazzschule kennengelernt an meinem Diplomkonzert. Die Zusammenarbeit begann in den letzten zwei Jahren. Wir begannen Jazzstandards im Trio mit Gabriel Meyer, der nun bei meinem Quintett mitmacht, zu spielen. Nicole wollte nicht nur in der Jazzschule das Diplomkonzert geben, sondern plante einige öffentliche Konzerte, so fragte sie mich an, ob ich auch eine Band zusammenstellen würde - und nun passiert's.

Sie beide pflegen in Ihrer Musik volksmusikalische Einflüsse. Aus welchen Sphären?

Adrian Egli: Bei Nicole kommen die volksmusikalischen Einflüsse von ihrer Verbundenheit zur Zentralschweiz und den Bergen. Sie kommt ja aus Einsiedeln. Ich finde es interessant, Altes neu zu erfinden.

Im Toggenburg, wo Sie neben Kreuzlingen unterrichten, haben Sie mit Schülern das Bilderuch "Wo die wilden Kerle wohnen" des amerikanischen Illustrators Maurice Sendak vertont und aufgeführt. Gibt es noch mehr solcher Projekte und wie lassen sie sich mit Jazz grundsätzlich vereinen?

Adrian Egli: Ja, ich plane noch mehr solche Projekte. In einem Jahr möchte ich ein Theater über Erich Kästners „Emil und die Detektive“ schreiben. Ich werde die Musik komponieren, so wie ich das auch für die „wilden Kerle“ gemacht habe, die Musik einstudieren und das Ganze mit Primarschülern aufführen. Für den Theaterteil möchte ich mit der Primarschule oder vielleicht auch mit der Oberstufe zusammen arbeiten.

Kommen wir zu Ihren eigenen Lieder. In ihnen erklingt ein sanfter melancholischer Ton. Die Texte sind zum Teil sehr deprimierend, zum Beispiel wenn es heisst „und i wott tod sy nöd e so verwirrt sy, nöd so blockiert sy nöd e so verirrt sy!“ Was genau drücken Sie damit aus?

Adrian Egli: Ich denke nicht, dass das meine Texte deprimierend sind, sie sind vielleicht etwas provokant. Ich suche in meiner Kunst Erlösung. Die Todessehnsucht ist eine übertriebene, durchgeknallte Lebenslust. Ich ersterbe mir täglich neues Leben.

Und Ihr Musikstil? In welcher Musik- oder Jazz-Tradition komponieren Sie eigentlich?

Adrian Egli: In Swing und Bossa Nova. Da ich aber nicht in den 50ern lebe, bin ich auch beeinflusst von modernem Jazz. Meine Vorbilder im Jazz sind im Moment Ben Monder, Brad Shepik, Kurt Rosenwinkel und Pat Metheny. Es gibt zwei Welten: Die Welt der Songs und die des Jazz. Stiller Haas ist eine Vorbild, wenn es um Kleinkunst und Bühnenperformance geht, aber nicht im Jazz.

Und Ihre Texte? Von wem sind sie beeinflusst?

Adrian Egli: Ich schreibe wie und was ich will. Ich glaube, dass ich sehr eigenwillig Texte schreibe und ich für mich selber eine Inspiration sein kann. Ich schreibe, wie ich die Welt sehe mit meinen Augen. Vielleicht bin ich beeinflusst von Hermann Hesse, Dylan Thomas und Eddie Vedder.

*****

Konzerttournee in der Ostschweiz: Musikschule Kreuzlingen, 23. Juni, 20 Uhr; Lokremise St. Gallen, 29. Juni, 19.30 Uhr; Jazzschule St. Gallen (Endee Quintett), 6. Juli, 19.30 Uhr

*****

Zum Adrian Emanuel Egli Quintett gehören seit diesem Frühling Egli selber, Stefan Adres, Michael Neff, Gabriel Meyer und Mario Söldi. Zum Endee Quintett gehören ebenfalls seit Gründung im Frühling Nicole Durrer, Michael Neff, Pirmin Schädler, Stephan Reinthaler und Mario Söldi.

Der Kreuzlinger Adrian Egli hat 2007 an der Jazzschule St.Gallen abgeschlossen. Gitarrenunterricht hatte er bei Ueli Gasser und Peter Eigenmann. Heute ist er an den Musikschulen Degersheim und Kreuzlingen angestellt. In Kreuzlingen unterrichtet er seit zweeinnhalb Jahren E-Gitarre und gibt Bandworkshops. Ausserdem ist er Mitglied im Kammerchor St.Gallen als Bass unter der Leitung von Niklaus Meyer. Seine eigene Musik bewegt sich in lyrischem Jazz, flächigen Sounds, clusterreichen, sustainschwangeren Klangkonstrukten unter volksmusikalischen Einflüssen mit Westerngitarre bis hin zu traditionellem Swing mit der guten alten Jazzgitarre. Er komponiert und arrangiert seine Musik für Kontrabass, Schlagzeug, Saxofon und Trompete. (red.)

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