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von Brigitta Hochuli, 23.04.2013

Für die Wahrheit der Komik gecastet

Für die Wahrheit der Komik gecastet
Jan Rutishauser bei seinem Auftritt am Oltner Kabarett-Casting. | © Dieter Graf

Zwei junge Thurgauer sind zum Kabarett Casting der Oltner Kabarett-Tage angetreten. Der Slampoet Raphael Kaufmann und Jan Rutishauser, der es ins Finale vom 28. Mai geschafft hat.

Interview: Brigitta Hochuli

Die beiden Thurgauer nehmen den Thurgau und - wie könnte es zurzeit anders sein? - den Thurgauer Dialekt aufs Korn. Slampoet Raphael Kaufmann aus Bichelsee kam damit beim Casting der Oltner-Kabarett-Tage in die Endrunde, der Güttinger Kabarettist Jan Rutishauser ins Finale. Der eine spielt mit Dialekt und etwas Französisch, der andere mit geschliffenem Hochdeutsch und etwas Dialekt. Die Lacher des Publikums sind ihnen damit sicher. Wir haben dem 25-jährigen Jan Rutishauser befragt.

***

Herr Rutishauser, was bedeutet Ihnen dieser Finalplatz?

Jan Rutishauser: Er ist für mich eine tolle Bestätigung, dass sich meine Arbeit in die richtige Richtung entwickelt. Abgesehen davon freue ich mich natürlich wie ein Schneekönig!

Welche Bedeutung hat das denn für Ihre Karriere?

Jan Rutishauser: Unabhängig davon, ob ich das Casting gewinne, ist schon alleine dieser Finalplatz ein kleinerer Meilenstein meiner künstlerischen Laufbahn. Zudem ist es einfach eine wunderbare Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen, sich unter Gleichgesinnten auszutauschen, Bühnenerfahrung zu sammeln und mein Schaffen bekannt zu machen.

Und die Bedeutung des Anlasses selbst?

Jan Rutishauser: Das Kabarett Casting ist alleine schon durch seine Existenz eine Bereicherung der Schweizer Kulturszene. Durch seine professionelle Durchführung wird es in Zukunft einen immer grösseren Stellenwert einnehmen, davon bin ich überzeugt.

Ihr Thurgauer Kollege in der Endrunde des Castings war der Slampoet Raphael Kaufmann. Sie selber nennen sich Kabarettist.

Jan Rutishauser: Ja, ich rechne mich selbst dem Kabarett zu, denn Kabarett lässt sich schwer eingrenzen und lässt so Raum für meine ganz eigene Definition. Mein Wunsch dabei ist es, auf der Bühne offen und ehrlich zu sein. Denn aus dem echten, eigenen Leben kommen die spannendsten und skurrilsten Geschichten. Um Bezauberndes oder tief Komisches zu finden, muss man nur genau und lange genug hinsehen.

Was heisst das genau, auf der Bühne ehrlich zu sein?

Jan Rutishauser: Die Idee dabei ist es, in der Wahrheit Komik zu finden. Wobei natürlich der Begriff Wahrheit sehr dehnbar ist. Dazu kommt: Je individueller und persönlicher das Thema, desto grösser auch der Reiz und die Faszination für den Zuschauer.

Komik der Wahrheit, ein grosses Wort! Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

Jan Rutishauser: Ich sehe mich in meinen Träumen als Steve Jobs des Wortdesigns, als Muhammed Ali des Phrasendreschens, ja als Lionel Messi der lyrischen Akrobatik. Wenn ich aber dann morgens aufwache, möchte ich am liebsten sofort schon mit meinem abendfüllenden Programm unterwegs sein und die deutschsprachigen Bühnen Europas unsicher machen.

Vor diesem europäischen Hintergrund sind Sie aber auch Thurgauer. Was bedeutet diese Herkunft für Sie als Künstler?

Jan Rutishauser: Thurgauer zu sein und der Thurgau als Thema an sich bietet sich natürlich geradezu an, satirisch verwertet zu werden. Das wird in meinen Texten logischerweise auch behandelt. Es macht allgemein total viel Spass mit den interkantonalen Vorurteilen und Klischees zu spielen und sie auf den Kopf zu stellen. Ich bin sonst aber alleine schon dadurch stark vom Thurgau beeinflusst, dass ich fast mein ganzes Leben hier verbracht habe. Das färbt ab, ob man will oder nicht, künstlerisch wie auch sonst. Eine Katze wird halt kein Fisch, auch wenn man sie ins Wasser wirft.

Sehen Sie auch im Thurgau selber künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten?

Jan Rutishauser: Es ist generell nicht einfach, sich als Künstler zu etablieren. Ob im Thurgau oder anderswo macht keinen Unterschied. Aber im Moment ist es im Thurgau schwierig, neue und deswegen zumeist kurze Sachen auszuprobieren. Es fehlen in der Region regelmässige offene Bühnen wie zum Beispiel die "Splitternacht" des K9 in Konstanz.

Kein gutes Wort zu Ihrem Heimatkanton?

Jan Rutishauser: Doch. Der Thurgau ist keineswegs kulturelles Niemandsland, im Gegenteil: Der Thurgau überrascht mit einer grossen Menge an kulturellen Angeboten. Es gibt zahlreiche Organisationen und Vereine, die sich mit viel Leidenschaft der Aufgabe widmen, etablierten Bühnenkünstlern eine Plattform zu bieten. So zum Beispiel das Theater an der Grenze in Kreuzlingen oder die Löwenarena in Sommeri.

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Jan Rutishauser

Jan Rutishauser ist 25 Jahre alt, in Güttingen aufgewachsen und hat in Romanshorn die Matura absolviert. Durch Zauberkunst habe er mit 16 Jahren seine Liebe zum Theater entdeckt. Mit 19 wurde er Mitglied der Konstanzer Improvisationstheatergruppe „Theater mit beschränkter Hoffnung“ (TmbH). Da habe er beschlossen, seine Passion zum Beruf zu machen. 2011 schloss er die „Scuola Teatro Dimitri“ mit dem Bachelor of Arts in „Physical Theatre“ ab. An der „Ecole Philippe Gaulier“ in Paris absolvierte er danach einen dreimonatigen Workshop in Clowntechniken, danach verbrachte er sechs Monate an der „International School of Corporeal Mime“ in London.

Nach seiner Ausbildung entwickelte Rutishauser die Zaubershow „Der Hasenflüsterer“ und ist heute als Autor, Theatersportler und Moderator tätig. Für das Satiremagazin „PET“ von SRF1 verfasst er heitere Kurznachrichten. Mit Ausschnitten aus dem ersten abendfüllenden Programm „BurnOut - Kabarett für schöne Menschen“ tritt er im Mai zum Finale des zweiten Kabarett Castings Olten an. (red.)

janrutishauser.ch

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