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11.08.2017

Säugetieren auf der Spur

Säugetieren auf der Spur
Naturmuseumsdirektor Hannes Geisser erklärt anhand der Spitzmaus, dass vor allem auch die kleinen Säugetiere in der Schweiz noch zu wenig erforscht sind. | © Kanton Thurgau

Fachleute erfassen zurzeit landesweit Säugetiere im Rahmen der Arbeiten zum neuen Verbreitungsatlas der Säugetiere. Dabei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, die Experten des Naturmuseums Thurgau im Seebachtal vorstellten.

Säugetiere beschäftigen den Menschen seit Jahrtausenden als Beutetiere und Konkurrenten oder als Nutz- und Haustiere. Trotzdem sind nur wenige der rund 90 wildlebenden einheimischen Säugetierarten einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Selbst unter Fachleuten ist der Wissensstand über zahlreiche Arten erstaunlich gering. Ein landesweit angelegtes Projekt möchte dies ändern. Das Naturmuseum Thurgau ist als lokaler Projektpartner daran beteiligt.

Fachleute arbeiten an der Herausgabe eines neuen «Verbreitungsatlas der Säugetiere der Schweiz und Liechtensteins», der 2020 erscheinen soll. Herausgeberin ist die Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie SGW-SSBF. Das Wissen um die Verbreitung vieler Säugetierarten der Schweiz weise derzeit jedoch Lücken auf, heisst es in einer Medienmitteilung. Ein Teil der Lücken soll im Rahmen der Arbeiten zum neuen Säugetieratlas mit Feldprojekten durch Experten geschlossen werden. Dabei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, mit denen Säugetiere einfach und ohne Störung nachgewiesen werden können. Das Naturmuseum Thurgau und beigezogene Fachleute gaben im Seebachtal jetzt Einblick in die Methoden für die wissenschaftliche Jagd nach Säugetieren.

Wie man mit Fischsuppe Tiere vor die Kamera lockt

Automatische Fotofallen kommen in der Säugetierforschung seit geraumer Zeit zur Anwendung. Sie erlauben den sicheren Nachweis unterschiedlich grosser Arten vom Wildschwein bis zum Hermelin aber auch von Arten mit einer nächtlichen oder heimlichen Lebensweise. Fotofallen bestehen aus einer Fotokamera und einem für Wildtiere unsichtbaren Infrarotblitz in einem wasserdichten Gehäuse. Die Kameras werden gezielt in verschiedenen Lebensraumtypen ausgebracht, in denen die verschiedenen Arten zu erwarten sind. Mit einer Montagehöhe von 20 bis 60 Zentimeter ab Boden können kleinere wie grössere Arten erfasst werden. Gleichzeitig ist damit die Privatsphäre von Passanten gewährleistet, da höchstens deren Beine fotografiert werden.

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ein Tier vor die Kamera läuft, kommen gelegentlich Lockstoffe zur Anwendung. Im Seebachtal hat sich eine «Fischsauce», abgefüllt in eine vor der Kamera stehende PET-Flasche, bewährt. Durch den intensiven Geruch der Flüssigkeit angelockt treibt Neugier die Tiere an den Kamerastandort. In einer Studie im Seebachtal konnten auf diese Weise an elf Kamerastandorten über einen Zeitraum von fünfeinhalb Monaten insgesamt elf verschiedene Säuretierarten wie Wildschwein, Biber, Eichhörnchen oder Hermelin zum Teil mehrfach nachgewiesen werden.

Wie die Bevölkerung mithelfen kann

Besonders bei mittelgrossen und kleineren Säugetierarten wie bei Baummarder, Illtis, Hermelin und Mauswiesel oder Mäusen und Siebenschläfer ist auf Grund ihrer versteckten Lebensweise ein direkter Nachweis nur schwer möglich. Auch automatische Fotofallen sind dafür nur bedingt geeignet, da die Auslöseverzögerung der Geräte oft zu gross ist, um die kleinen, sich flink fortbewegenden Tiere zuverlässig zu erfassen. Der indirekte Nachweis mit Hilfe von Spurentunnel bietet sich bei diesen Arten als alternative Methode an. Dabei kommen Tunnel aus Holz zum Einsatz. Im Tunnel wird ein Laubfrettchen gleicher Länge eingeschoben, auf welchem in der Mitte ein Stempelkissen mit ungiftiger Tinte befestigt ist. Daran anschliessend befindet sich auf jeder Seite ein mit Fixiermittel imprägniertes Papier. Tiere, welche durch den Tunnel laufen, benetzen die Pfoten mit der Tinte und hinterlassen auf dem Papier Abdrücke ihrer Zehen- und Sohlenballen. Die Bestimmung aufgrund von Grösse und Form ist im Idealfall bis auf Artniveau möglich, erfordert aber Erfahrung.

Museumsdirektor Hannes Geisser erläutert den Spurentunnel, mit dem die Fussabdrücke der Säugetiere erfasst werden können.Museumsdirektor Hannes Geisser erläutert den Spurentunnel, mit dem die Fussabdrücke der Säugetiere erfasst werden können. Bild: Kanton Thurgau

Ähnlich der Fotofallenkameras ist eine regelmässige Kontrolle der Spurentunnel aufwendig. Die Anschaffungskosten sind aber geringer und auch die Auswertung der Spurenblätter kostet – sofern auswertbare Spuren darauf sind – weniger Zeit. Je nach nachzuweisender Art müssen die Fallen jedoch mehrere hundert Nächte im Feld stehen, da die Wahrscheinlichkeit eines Tunnelbesuchs doch gering und zufällig ist.

Mit leeren Tetrapackungen, Tinte und Papier lässt sich auch ein einfaches Modell herstellen und im eigenen Garten auslegen – ein spannendes Vergnügen gerade auch für Kinder oder ganze Schulklassen, die kleine Säugetiere rund ums Schulhaus nachweisen können! Auf der Webseite des Naturmuseums findet sich eine Bauanleitung mit hilfreichen Tipps für den erfolgreichen Einsatz eines Spurentunnels, eine Bestimmungshilfe für Spuren und weitere Informationen. Damit kann auch die interessierte Bevölkerung bei der Datenaufnahme für den Säugtieratlas aktiv mithelfen. Spuren oder Totfunde von Säugetieren können mit Funddatum und Fundort auf der Webseite www.säugetieratlas.wildenachbarn.ch eingetragen werden. "Jede Meldung ist wichtig und liefert wertvolle Hinweise zur Verbreitung unserer wildlebenden Säugetiere", heisst es in einer Medienmitteilung dazu.

Nachweise aus der Luft mit Hilfe von Drohnen

Wo immer Tiere unterwegs sind, hinterlassen diese Spuren. Dies gilt insbesondere für die grösseren Vertreter der Säugetiere. Dank der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der Drohnentechnolgie können diese mit der Hilfe von Drohnen-Luftbildaufnahmen ohne zeit- und kostenintensive Feldbegehungen grossräumig erfasst und kartiert werden. So lassen sich beispielsweise bestehende, stark begangene Wildwechsel vor dem Bau einer neuen Strasse lokalisieren, um daraus Schutzmaßnahmen für die Wildtiere als auch für die Verkehrsteilnehmer zu entwickeln. Ein anderes Beispiel ist die Verbreitung des Bibers im Seebachtal: Mit der Hilfe von Drohnen-Luftaufnahmen können die Aktivitätsgebiete des Bibers detailliert kartiert werden, um daraus Rückschlüsse auf die Anzahl und Grösse der Biberfamilien im Gebiet zu ziehen. Mit den gewonnenen Daten kann zudem die Lage der Biberbauten eingegrenzt werden. Zum Einsatz kommen Drohnen welche über eine gut ausgestattete hochauflösende Kamera verfügen, idealerweise klein und leicht für Einsätze im Feld sind sowie über ausreichend Flugzeit verfügen.

Die mit den vorgestellten Methoden wie auch sämtliche andere landesweit gewonnen Daten über Säugetierarten während der Projektdauer werden vom Centre Suisse de Kartographie de la Faune CSCF an der Universität Neuchâtel zentral erfasst. Hier erfolgen auch die Qualitätskontrolle sowie die anschliessende Auswertung der Daten durch erfahrene Expertinnen und Experten. (tgk)

Termin: Exkursion Wilde Nachbarn in der Stadt am 20. August

Was haben Fuchs, Dachs, Igel, Taube und Eichhörnchen gemeinsam? Sie alle leben mitten unter uns in der Stadt. Das Naturmuseum Thurgau und der WWF laden am Sonntag, 20. August, von 10 bis 13 Uhr zu einem Streifzug durch Frauenfeld ein. Gemeinsam mit einem Jagdaufseher und dem Museumsleiter durchstreifen die Teilnehmenden Frauenfeld und erfahren Spannende über die tierischen Mitbewohner. Für Erwachsene und Familien mit Kindern ab 8 Jahren.

 

Auskunft / Anmeldung: WWF Regiobüro AR/AI-SG-TG, St. Gallen, Tel. 071 221 72 30 / anmeldung@wwfost.ch 

 

 

 

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