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von Brigitte Elsner-Heller, 27.11.2017

Heimat im Hundekörbchen

Heimat im Hundekörbchen
Gehen auf imaginäre Weltreise auf der Suche nach Heimat: Simon und Monty in dem Stück "Monty will's wissen: Wo genau ist eigentlich Heimat?", das jetzt im Kreuzlinger Theater an der Grenze zu sehen war | © Brigitte Elsner-Heller

Die neue Kindertheater-Reihe „Monty will's wissen“ tourt durch den Kanton. Dieses Mal geht es um Heimat. Eine heitere und anrührende Geschichte, die viel erklärt und das Herz öffnet. Wie die Aufführung im Kreuzlinger Theater an der Grenze zeigte

Von Brigitte Elsner-Heller

Klar kann man mit Hunden sehr schön zusammen leben. Wenn sie es sich in ihrem Körbchen bequem machen, vielleicht auch noch ein bisschen schnarchen, findet das auch der Mensch gemütlich. Und so haben es auch Simon und Monty, die Promenadenmischung, die sich im Bücherregal eingerichtet hat, zusammen ganz kuschelig. Hat Monty doch gerade auch noch so einen wunderbaren Traum gehabt: von einer Wurst, die vor seiner Nase tanzte, bis sie – gut, sprechen wir nicht von dem tragischen Unfall, bei dessen Erinnerung Monty sich mit der Zunge über die Schnauze lecken muss.

Nicht nur die Kinder im Theater an der Grenze in Kreuzlingen, wo Monty gerade „wohnt“, finden das lustig. Schnell gehören hier alle zusammen, wo „Monty will's wissen“ mit „Wo genau liegt eigentlich Heimat?“ gerade gastiert. Doch Simon (Simon Engeli) muss sich, kaum ist Fühstückszeit in unserer Geschichte, schon über die Nachrichten in der Zeitung aufregen: „Die Welt ist aus den Fugen!“, verkündet er, was Monty, immer noch gemütlich in seinem Körbchen (unterstützt von Puppenspielerin Rahel Wohlgensinger), nicht gleich so ganz versteht. Wie auch? Simon spricht auf einmal von Heimat, von zu Hause und Menschen, die geflüchtet sind aus ihrer Heimat. Auch das Nachschlagen im Lexikon macht Monty die Sache nicht unbedingt klarer. Also macht sich Simon auf, eine grosse Weltkarte und eine – nur etwas kleinere! – des Thurgaus zu holen.

Für Monty darf sein Hundekörbchen Heimat bleibenFür Monty darf sein Hundekörbchen Heimat bleiben. Bild: Brigitte Elsner-Heller

Ganz schön gross und ganz schön kompliziert, diese Erde, die für uns die Welt ist. Mit Hilfe der Kinder im Publikum lassen sich aber alle möglichen Länder und Kontinente auf der Karte ausfindig machen, und es stellt sich heraus, dass Simons Grossmutter aus Dänemark in den Thurgau kam. Schliesslich spielen Simon und Monty sogar Weltreise. Im Kopf und mit Requisiten, versteht sich, denn eine richtige Weltreise wäre viel zu teuer: „Eine richtige Weltreise können wir uns nicht leisten. Wir können uns nicht einmal Campingferien in Utwil leisten.“ Viel Spass aber auch so, denn schnell wird Monty in England zu Sherlock Holmes, ist in China mit Schirmchen unterwegs, wird Bäuerin und schliesslich in Kenia zum Löwen, der sein Mütchen gegenüber Simon ein wenig kühlen muss.

Haben Hunde eine Heimat?

Aber was ist eigentlich mit Hunden? Haben die eine Heimat? Ja, da gibt es den Deutschen Schäferhund, die Englische Dogge, den Neufundländer, den Rottweiler. Und Monty? „Tut mir leid, ich habe dich vom Tierheim. Du bist kein Rassehund, sondern eine Promenadenmischung“, muss Simon dem verdatterten Monty mitteilen, der auf einmal sehr traurig ist. Simon versteht schon, was in Monty vorgeht, kann aber wunderbar trösten: „Du bist ein Kosmopolit. Ein Weltbürger-Hund!“

Ganz so einfach ist „Heimat“ also gar nicht zu erklären. „Jeder von uns hat eine eigene Geschichte, eine eigene Heimat“, stellt Simon fest. Aber was für Geschichten sind das?

Heimat hat mit der Geschichte eines Menschen zu tun

Um das herauszufinden, macht sich Monty bald als Sonderreporter auf den Weg zum Kreuzlinger Boulevard. Und ab hier wird die Geschichte tatsächlich zu einer Reportage, gespielt für Kinder und in Form eines Filmes auf die Leinwand gebracht, als die die Rückseite der Weltkarte auch gut dienen kann. Ein Spiel im Spiel, bei dem Simon als Studioleiter im Raum bleibt. Im Film werden viele Stimmen aus Kreuzlingen festgehalten, die von Orten, Gefühlen, vor allem aber auch von anderen Menschen handeln, die eine Heimat ausmachen können. Ein Geflüchteter spricht von Sicherheit – eine neue Qualität, die für Kinder bei uns vermutlich nicht selbstverständlich ist. Schliesslich trifft Monty auf einen Chor, in dem Menschen aus vielen Ländern zusammen singen, dann begegnet er Usama, der einst aus Bagdad (Irak) in die Schweiz gekommen ist (Usama Al-Shahmani). Er ist bald darauf als „Studiogast“ mit Monty bei Simon und den Besuchern im Theater an der Grenze. Seine Geschichte ist eine von Flucht. Und seine Heimat? „Meine Heimat ist mein Zuhause, meine Kinder, meine Freunde. Heimat heisst, frei zu sein. Heimat sind schöne Momente:“

Heimatkunde mit Gitarre und Studiogast: Simon Engeli (links im Bild) mit Usama Al-ShahmaniHeimatkunde mit Gitarre und Studiogast: Simon Engeli (links im Bild) mit Usama Al-Shahmani. Bild: Brigitte Elsner-Heller

Gut, wenn es Heimat geben darf

Für die kleineren Kinder mag das noch schwer zu verstehen sein, doch der Ansatz dieses kleinen Theaterstücks ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn es gerät doch einiges aus den Fugen. Für Monty darf sein Hundekörbchen Heimat bleiben, zudem sein „soziales Gefüge“, wie er noch einmal mit der Kraft seiner neuen Erfahrungen wortmächtig anhängt. Naja, und die Servela, die eigentlich doch auch.

Details zur Produktion 

„Monty will’s wissen“ ist eine gemeinsame Produktion von Puppenspiel.ch und RAUM3.

Schauspiel und künstlerische Leitung: Simon Engeli
Pupenspiel: Rahel Wohlgensinger
Idee und Produktionsleitung: Judith Zwick
Film: Theresa Renn

„Usama“ ist der Literaturwissenschaftler und Autor Usama Al-Shahmani, der vor 15 Jahren wegen eines regimekritischen Theaterstücks aus Bagdad flüchten musste und heute mit Familie in Frauenfeld lebt. Zusammen mit Bernadette Conrad hat er das Buch herausgegeben „Die Fremde – ein seltsamer Lehrmeister“. 2016 erschienen im Limmat Verlag.

 

Die nächsten Termine: "Monty will's wissen: Wo genau liegt eigentlich Heimat?" gastiert am 3. und 10. Dezember (jeweils ein Sonntag), 11 Uhr, in der Theaterwerkstatt Gleis 5 in Frauenfeld. Geeignet für Kinder ab 5 Jahren. 

 

Weitere öffentliche Veranstaltungen und Schulveranstaltungen.

www.puppenspiel.ch 

www.raum3.info 

www.kklick.ch  
Ansprechpartnerin: Judith Zwick, E-Mail: judith.zwick@puppenspiel.ch, Tel: +49 7531 3621269

 

Videos: Monty auf der Suche nach Heimat

 

Monty will's wissen: Die Reihe erklärt im Video

 

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