von Andrin Uetz, 06.10.2021
Vom Bürgersaal bis Ghana
Die 12. Ausgabe des Jazzfestival «Generations» in Frauenfeld ist schon wieder Geschichte. Auch in diesem Jahr gab es wieder diese besonderen Momente. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Am Ende hatte man dann doch wieder etwas gelernt: Mit dem Versprechen auf gute Musik, viele Freunde und einer Menge Spass ist beinahe alles möglich. So liess sich jedenfalls die Erklärung des Jazzpianisten Django Bates am Samstagabend im Frauenfelder Rathaussaal interpretieren, als er erklärte, weshalb er nun ausgerechnet im beschaulichen Frauenfeld spiele:
„Imagine you get a phone call, and there is somebody on the line that asks you: Hey, would you like to play a concert on your birthday and then spend an entire week with friends and amazing musicians and play even more concerts and listen to some fantastic music…? That’s what I call being lucky!”, erzählt Django Bates da also zwischen einem seiner Songs einem gebannten Publikum im Bürgersaal des Frauenfelder Rathauses.
Der Prunksaal ist zu dem Zeitpunkt gut besucht, die Stimmung erwartungsvoll, vielleicht noch etwas verkrampft, und da hilft es ungemein, dass der soeben 61-Jährig-Gewordene seine nicht immer ganz leichte Kunst mit einer Portion Humor serviert.
Zum Geburtstag viel Jazz
Zu hören gibt es ein abwechslungsreiches Programm am Konzertflügel, wobei der Meister gekonnt zwischen Köln Concert (die letzte Nummer wird dann auch Keith Jarrett gewidmet), impressionistischen Klangfarben, sich vermischenden spätromantischen und atonalen Elementen (vgl. Skrjabin, Ives), sowie McCoy Tyners modalen Harmonie-Ekstasen navigiert.
Witzig, exzentrisch und unkonventionell sind zudem die Gesangs- und Pfeifeinlagen, mit welchen Bates zuweilen seine schnellen Läufe verziert.
Jazz im Schlosskeller
Das Festival unterscheidet zwischen Konzerten und “Jazz Clubs”, wobei letztere einen etwas informelleren Charakter haben. Passend zu einem Glas Rotwein serviert die Claude Diallo Situation (Claude Diallo am Piano, Luques Curtis am Bass, Tupac Mantilla am Schlagzeug) traditionelleren Jazz nach dem Lehrplan des Berklee College of Music in Boston, wo sich die Musiker vor rund fünfzehn Jahren kennen gelernt hätten.
Das Trio findet beim Publikum grossen Anklang, nicht zuletzt auch durch eine slapstickartige Body-Percussion-Einlage von Tupac Mantilla, sowie durch die lateinamerikanischen Rhythmen, den Salsa, mit welchem der Ostküsten-Jazz garniert wird.
Sehr schön auch die Eigenkomposition “La Finca” des Bassisten Curtis, welche den Schlosskeller tatsächlich für einen Moment in ein südamerikanisches Landhaus mit Garten verwandelt, wodurch der Wein gleich noch etwas besser zu schmecken scheint.
Bilderstrecke: Vula Viel im Dreiegg
Aufbruch und Ekstase zur Geisterstunde
Etwas versteckt im ersten Stock der Frauenfelder Ausgangsinstitution Dreiegg baute das Londoner Trio Vula Viel seine Gerätschaften auf. Vula Viel bedeutet auf Dagaare „gut ist gut“. Die Sprache ist im Nordwesten Ghanas verbreitet, wo Bex Burch insgesamt drei Jahre lebte, um sich das Spiel und die Kultur der Gyil anzueignen.
Bei diesem pentatonischen Xylophon läge es nahe, hauptsächlich auf polyrhythmische Verschiebungen im Stil der Minimal Music oder des Gamelan zu setzen. Erfrischenderweise arbeiten Vula Viel darüber hinaus mit Dub-artigen Halleffekten und einer teilweise fast schon an Post-Punk erinnernden Rohheit des Klangs sowie dynamischen Spannungsbögen und aberwitzigen Brüchen und Rhythmuswechseln.
Entwaffnend ehrliche Musik
Burch spielt das Gyil teils wie ein Perkussionsinstrument, teils wie einen Synthesizer, während dem der Schlagzeuger Jim Hart am Rhythmus arbeitet und Goller feinfühlig, aber nicht ohne die nötige Gewalt, die Fender Mustang zum Singen bringt. Diese entwaffnend ehrliche und direkte Musik, die unprätentiöse Musikalität und Spielfreude, bringt auch die letzten Vertreter:innen der Jazzpolizei zum Tanzen.
Fernab von World-Music-Kitsch beschert das Trio einem gelungenen ersten Festivalabend einen späten und wohlverdienten Höhepunkt.
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