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von Sascha Erni, 09.05.2022

Mit Debutalbum aus der Coronapause

Mit Debutalbum aus der Coronapause
Pilots of the Daydreams: Walo Bortoletto (Bass), Biagio Anania (Drums) und Marco Predicatori (Guitar/Vocals) | © PD

Biagio Anania, Marco Predicatori und Walo Bortoletto kennen sich schon lange, sowohl als Musiker als auch Freunde. Aber es sollte 2019 werden, bis sie mit «Pilots of the Daydreams» musikalisch zusammenspannten. Nun präsentiert das Thurgauer Trio sein erstes Album «Angels are Real» und geht auf Tournee. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Der Bandraum von «Pilots of the Daydreams» findet sich in einem alten Industrieareal mitten im Thurgau. Verschiedene Musiker:innen und Bands haben sich in den Kellern eingemietet, einer davon war vor fast 40 Jahren der Schlagzeuger Biagio Anania. Jetzt dient sein Proberaum den Pilots als Heimat.

Das Schlagzeug steht an der Wand, daneben der Gitarrenverstärker von Marco Predicatori, am anderen Eckpunkt eines gleichschenkligen Dreiecks Bortolettos Bass-Turm. Soweit, so normal für eine Rockband.

Aber zwei weitere Dinge fallen den Besuchenden sofort ins Auge: Ein Schreibtisch mit Computer und Aufnahme-Equipment. Und vor allem eine schon fast unheimliche Ordnung und Sauberkeit. «Das ist kein Ort zum abhängen, kein Band-Keller», sagt Walo Bortoletto. «Das ist ein Arbeitsplatz.»

«Die Genre-Frage, das ist die vielleicht schwierigste Frage, die uns gestellt wird»

Der Raum in Bürglen sei mehr Arbeitsplatz als Band-Keller, so Walo Bortoletto. Bild: Sascha Erni

 

Das Trio probt «Angels are Real», den titelgebenden Track ihres ersten Albums. Der treibende Rhythmus von Bortoletto und Anania bietet das Fundament für Predicatoris getragenen Gesang und angezerrte Gitarre. Aber schon nach 30 Sekunden merkt man – nein, das ist keine Gitarren-Rockband. Und auch kein klassisches «Powertrio».

Da ein Thema auf dem Bass, dort eine Verzierung in den Drums, plötzlich geht die Stimme eine Oktave höher. Auch fehlt die oft so typische «Wall of Sound», die kleine Formationen gerne einsetzen, um Klangfülle zu erzeugen.

Pilots of the Daydreams klingen dynamisch, wie ein gut eingespieltes Jazz-Trio. Jazzrock also? Oder Hard Rock mit Funk-Einflüssen? Etwas ganz Anderes?

Video: So klingen Pilots of the Daydreams

 «Ja, Genre, das ist die vielleicht schwierigste Frage, die uns regelmässig gestellt wird», schmunzelt Biagio Anania. Fragt man die drei Musiker direkt, wie sie ihren Sound beschreiben würden, fallen keine Genrebegriffe. Dafür hört man immer wieder ein Wort: «Authentizität». Denn was Pilots of the Daydreams so speziell macht, ist weniger der Genre-Mix, als wie dieser entsteht.

Er basiert auf der jahrzehntelangen Erfahrung der Männer und ihrer jeweils eigenen musikalischen Laufbahn. So wie Predicatori Metal-Einflüsse in sein Gitarrenspiel und besonders seinen Gesang einbringt, hört man Bortolettos Funk- und R&B-Hintergrund aus den Basslinien und spürt das Jazzige in Ananias Trommeln.

«Aber wir sind keine Metal-Jazz-Funk-Wasauchimmer-Band», betont Marco Predicatori. Es würden nicht bewusst Stilrichtungen vermischt. Sondern das, was jeder einzelne als Individuum mitbringt, wird aus einem Guss zu einem neuen Ganzen.

 

Guitar & Vocals: Marco Predicatori. Bild: Sascha Erni

 

Grosser Erfahrungsschatz ohne Ego-Trips


Die drei Musiker leben im Thurgau und in St. Gallen und prägten schon seit den 80er-Jahren die jeweilige lokale Musikszene. Dass daraus 2019 mit Pilots of the Daydreams eine neue Band entstehen sollte, war ein eher spontaner Entscheid.

Zwar kannten sie sich bereits zuvor und bezeichnen sich als langjährige Freunde, aber ein Projekt zu dritt? Das war Neuland. Es habe sofort «Klick» gemacht, erinnert sich die Band. «Wir drei sind musikalisch auf Augenhöhe, haben uns die Sporen mit 20 abverdient», erklärt Biagio Anania.

 

Drums: Biagio Anania. Bild: Sascha Erni

 

Das hätte zu einer gewissen Reife und einem breiten Erfahrungsschatz geführt. Und damit müsse man nicht über Kleinigkeiten diskutieren oder einen Prozess als Band finden. Ausserdem blieben so Ego-Trips aus, wie Marco Predicatori ergänzt. «Niemand hat das Gefühl, sich beweisen zu müssen.»

Schnell entstanden zwei Songs, die Pilots of the Daydreams noch 2019 im Studio aufnahm. Geplant war der für «junge» Bands übliche Ablauf: Songs einüben, ein paar davon aufnehmen, um sich bei Veranstaltern vorzustellen, Auftritte vor Publikum.

Aber dann kam Corona.

Eine Pandemie als Chance

«Wie wohl alle Leute auf diesem Planeten hatten wir andere Pläne, als der Lockdown kam», erinnert sich Walo Bortoletto. Zwar wäre es nicht gerade an die berufliche Existenz gegangen – Bortoletto arbeitet als Versicherungsexperte, Predicatori als Kommunikationsberater und Erwachsenenbildner und Anania als Medienberater. Dennoch bestand die Gefahr, dass dem noch jungen Musikprojekt die Luft ausgehen könnte. «Aber dann kam Marco mit der Idee, einfach ein Album zu schreiben.»

 

Bass: Walo Bortoletto. Bild: Sascha Erni

 

 

Die Zeit hätte hier für sie gespielt, sagt Biagio Anania. «Vom Timing her kam die Pandemie gerade recht, um gleich ein ganzes Album zu produzieren.» Denn so konnte die ganze Energie, die man üblicherweise in die Suche nach Auftrittsmöglichkeiten und Proben steckt, in die zehn Songs von «Angels are Real» fliessen.

Der konkrete Ablauf hat sich schnell ergeben. Marco Predicatori brachte ein Gitarren-Riff oder eine Gesangszeile als Idee vor, daraus entwickelte die Band gemeinsam den jeweiligen Song, weiter ging’s zur nächsten Idee und zum nächsten Stück.

«Wir waren beim Songwriting wie beseelt, merkten sofort, wann eine Idee zündet und wann nicht», so Predicatori. Walo Bortoletto nickt. «Wir hatten immer eine gute Stimmung untereinander. Und dann noch eine Idee, und noch eine Idee, und noch eine Idee.» Die drei lachen. Ohne die Pandemie hätte es Pilots of the Daydreams wohl in der jetzigen Form nicht gegeben, sind sich die Musiker einig.

Live is Life

Live: Pilots of the Daydreams. Bild: PD

 

Aber es ist klar: Liveauftritte fehlten der Band, nur sporadisch waren während der Pandemie Konzerte möglich. Nicht ideal, denn bei der Musik ginge es ihnen immer auch um das Lebensgefühl, wie es Walo Bortoletto nennt. «Rock and Roll muss man leben und mit Leidenschaft und Herzblut nach Aussen tragen.» Das würden viele Leute nicht wirklich verstehen, so Bortoletto weiter.

«In der Geschäftswelt höre ich oft, dass die Band doch ein schöner Ausgleich für mich sei. Das ist falsch, es ist kein Ausgleich, sondern Lebenselixier.» Klar sei der Übungsraum auch so etwas wie ein Rückzugsort. «Aber jetzt ist es an der Zeit, dieses Lebenselixier zum Publikum zu bringen.»

 

Die Band auf Tournee

14. Mai: Kulturlokal Treppenhaus (Rorschach)

10. Juni: Tropfstei Kultur im Rottal (Ruswil)

11. Juni: Openair Rheinauenpark (Widnau)

25. Juni Album-Releaseparty: Eintracht (Kirchberg SG)

08. Juli: Rock & Blues Night (Gossau)

Weitere Tourdaten in Vorbereitung.

 

Das Album: Pilots of the Daydreams: «Angels are Real.» Soundclips, Bestellung und weitere Informationen: www.potd.ch

 

Gewinnspiel: Wir verlosen das Debütalbum von Pilots of the Daydreams zwei mal. Alle Infos dazu gibt es hier.

 

 

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