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von Judith Schuck, 04.05.2023

Ausgesuchte Literatur für ein Special-Publikum

Ausgesuchte Literatur für ein Special-Publikum

Die Welt der Literatur nach Frauenfeld zu holen, ist das Anliegen der Reihe Lesefeld. Erstmals findet am 11. Mai eine Lesung im Eisenwerk statt, denn es könnte voll werden. (Lesezeit: ca. 2 Minuten)

Im süddeutschen Raum gebe es eine Diaspora von Georgier:innen, sagt Marianne Sax. «Und ich hoffe, sie kommen alle zu uns, wenn Nino Haratischwili liest.» Haratischwili ist 1983 in Tiflis geboren. 1995 floh sie mit ihrer Mutter nach Deutschland, kehrte allerdings zwei Jahre später, als 14-Jährige, allein zurück nach Tiflis.

Ab 2003 studierte sie Theaterregie in Hamburg – sie spricht gut Deutsch. Wenn die georgisch-deutsche Autorin und Dramaturgin am 11. Mai ihr Buch «Das mangelnde Licht» vorstellt, wird Marianne Sax also keine:n Übersetzer:in organisieren müssen. Haratschwili wurde mit ihrem 2014 erschienenen Roman «Das achte Leben» bekannt, in dem sie uns mittels sehr nahbarer Figuren die osteuropäische Kultur näher bringt.

«Wenn man einem die Sprache wegnimmt, weiss man, warum man Souveränität möchte.»

Ana Walter

«Das mangelnde Licht» thematisiert den Kampf Georgiens für seine Unabhängigkeit. Eine Freundin von mir, die selbst aus Georgien stammt und Haratschwili persönlich kennt, sagte kürzlich: «Nino Haratischwili erklärt sehr gut, warum wir so patriotisch sind. Wenn man einem die Sprache wegnimmt, weiss man, warum man Souveränität möchte.»

Ein Corona-Kind

Initiatorin der Reihe ist Marianne Sax, die Inhaberin des Bücherladens SaxBooks in Frauenfeld. Gemeinsam mit Nadia Guddelmoni, Claudia Hefti, Lukas Hefti und Christina Thalmann aus dem Vorstand des Vereins Lesefeld veranstaltet sie diese seit Anfang 2022. Sie arbeiten eng mit der Kantonsbibliothek zusammen, die sie vor allem auch mit technischer Infrastruktur versorgt. Gegründet hat sich der Verein im August 2020. Im Sommer 2021 startete Sax mit «Literatur auf der Terrasse», denn die Lesungen fanden auf der Terrasse des Buchladens statt.

Die Qual der Wahl vor gut bestückten Bücherregalen
Die Qual der Wahl vor gut bestückten Bücherregalen. Bild: Judith Schuck

 

Die Idee, eine «Draussenlesung» zu machen, war Corona geschuldet, «ist aber auch sehr schön gewesen», erinnert sich die Initiatorin. Dass am 3. Mai mit Sasha Filipenko ein belarussischer Autor liest und eine Woche drauf die Georgierin Haratischwili, habe nicht direkt etwas mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Obwohl Filipenko selbst im Schweizer Exil ist, ist er nicht unumstritten; bei den einen, weil er Russisch spricht, und als Systemkritiker natürlich in Belarus und Russland.

Lesung mit Vorsichtsmassnahmen

Für seine Veranstaltung traf Marianne Sax erstmals Sicherheitsvorkehrungen für den Fall der Fälle und informierte die Polizei. «Ich musste an Salman Rushdie denken. Die Schuld liegt bei den Veranstaltern, das möchte ich mir nicht vorwerfen lassen müssen.» Wegen der Gefahr abzusagen, kam für sie nicht in Frage. Filipenko sei eine wichtige Stimme.

Ingeborg Bachmanns und Max Frischs intensiver Briefwechsel vorgestellt vom Herausgeber.
Auch Klassiker kommen bei der Lesereihe zum Zuge. Bild: Judith Schuck

 

Filipenko stellte sein Buch «Der Kremulator» in der Kantonsbibliothek vor, einer der Kooperationsorte von Lesefeld. Dort haben gut 80 Personen Platz, im Buchladen rund 50, auch mit der Theaterwerkstatt Gleis 5 besteht eine Zusammenarbeit sowie mit der Bibliothek der Kulturen.

«Wir arbeiten sehr gerne mit Ähnlichdenkenden zusammen», und obwohl Judith Zwick in der Theaterwerkstatt ebenfalls Lesungen veranstaltet, sähen sie sich nicht als Konkurrenz, sondern Ergänzung.

Inspirationsquelle Buchmessen

Am 26. Mai besucht der Österreicher Robert Menasse mit seinem Roman «Die Hauptstadt» Frauenfeld, Thomas Strässle stellt am 16. Juni als dessen Herausgeber den Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch vor, bis die Thurgauer Autorin Tabea Steiner sich vor der Sommerpause mit ihrem autobiografisch gefärbten Roman «Immer zwei und zwei» dem Thema Freikirchen widmet.

«Unser Konzept ist es, nicht weit vorauszuplanen», sagt Marianne Sax, die gerade mit jeder Menge frischer Inspirationen von der Leipziger Buchmesse zurückgekehrt ist. Bei der Autor:innenauswahl achteten sie darauf, wer gerade auf Lesetour ist und nach Zürich oder Basel kommt.

«Unser Konzept ist es, nicht weit vorauszuplanen.»

Marianne Sax

So schaffen es immer wieder grosse Schriftsteller:innen in den Thurgau. Für den Herbst stehen bereits Matthias Politycki mit «Alles wird gut» fest auf dem Programm sowie Doris Knecht, die aus «Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe» liest.

Obwohl die Reihen bei Lesungen nicht immer einfach zu füllen sind, scheint das Format gut passen. «Das Publikum für Literatur ist special», sagt die Veranstalterin, und bei kleinen Lesungen sei es sogar «special, special». Dem versucht sie in Zusammenarbeit mit ihrem Vorstand und Kooperationspartner:innen gerecht zu werden. Und immerhin ist ihre Buchhandlung SaxBooks auch für die Buchhandlung des Jahres 2023 nominiert.

 

 

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