von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 03.08.2020
Anders als geplant
Seit einem Jahr ist Simon Keller neuer Leiter der Bühne Thurtal. In diesem Sommer wollte er eigentlich sein Stück „Zwinglis Frau“ inszenieren. Dann kam Corona. Gespielt wird jetzt trotzdem am Kloster Fischingen.
Ganz klar, diesen Sommer hatte sich Simon Keller anders vorgestellt. Ganz anders. Seit einem Jahr ist der 26-Jährige Leiter der Bühne Thurtal und in diesem Juli sollte sein Stück „Zwinglis Frau“ als Open-Air-Theater-Produktion am Kloster Fischingen glanzvolle Premiere feiern. Ein Stück über Anna Reinhart, die Frau an der Seite des Reformators Ulrich Zwingli, der im Toggenburg aufgewachsen ist und später unter anderem in Zürich gewirkt hat. Es sollte mal eine andere Perspektive auf die Geschichte werfen.
Aber dann kam das Coronavirus und irgendwann war klar, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt wäre, für diese Geschichte. „Wir haben dann alles abgesagt und auf 2021 verschoben. Trotzdem wollten wir auch in diesem Sommer etwas Kleines spielen“, sagt Simon Keller im Gespräch mit thurgaukultur.ch am Kloster Fischingen. Und so proben sie jetzt seit dem 20. Juli „Nöd Zwingli“. Ein aus der Not geborener Titel, weil die TheatermacherInnen am Anfang nicht wussten, was sie spielen würden. Sie wussten eben nur, dass es nichts mit Zwingli zu tun haben würde.
Das Stück haben sie in 3 Wochen selbst entwickelt
An einem Donnerstag Ende Juli proben sie den ersten Durchlauf. Der Himmel blitzeblau, die Sonne steht hoch am Himmel, das golden Ziffernblatt der grossen Uhr am rosa-weisse Kirchturm des Klosters Fischingen und schimmert in den Nachmittag. 14.30 Uhr. Die einzelnen Szenen des Stücks sollen langsam zusammenwachsen. Alle beteiligten SchauspielerInnen haben ihre Szenen selbst verfasst. „Mein Job war es dieses Mal eher, aus den Texten eine stimmige Geschichte zu formen“, erklärt Regisseur Simon Keller.
Im vergangenen Sommer hatte der eigentlich aus dem Schauspiel kommende Simon Keller (Ausbildung an der privaten Zürcher European Film Actor School) die Leitung der Bühne Thurtal übernommen. „Ich wollte damals eigentlich eine eigene Gruppe gründen, das mit der Bühne Thurtal hat sich dann so ergeben“, blickt Keller zurück. Wichtig war ihm immer, dass er sein „eigenes Ding machen kann“, wie er sagt. Er wollte keine Tradition übernehmen, für die er nicht steht. Bei der Bühne Thurtal kann er sich nun austoben, wie es ihm gefällt. Gelegentlich steht er auch noch selbst auf der Bühne, aber er sieht sich inzwischen eher als Regisseur: „Für mich ist es das Schönste, Bilder auf der Bühne zu kreieren“, sagt er. 2018 hatte er das Freilichtspiel „Krabat“ in Krinau inszeniert.
Eine klassische Liebesgeschichte im Innenhof des Klosters
In diesem Jahr sollte es nun etwas Musikalisches sein, mit tänzerischen Einlagen und eine Liebesgeschichte. Bloss nichts zu Schweres in diesem Corona-Sommer, lautete die Devise. Und so soll ab Freitag, 7. August, eine klassische Liebesgeschichte vom ersten Verlieben bis zum Herzschmerz nach Streit und Trennung erzählt werden. „Es ist eine Geschichte, wie wir sie alle kennen, und sie wird auf ganz besondere Weise erzählt: Aus zwei verschiedenen Perspektiven. Das Publikum sitzt im Klosterhof Fischingen auf Liegestühlen und setzt das Puzzle der Ereignisse Schritt für Schritt zusammen“, erklärt Regisseur Keller.
Dass sie nun trotz Corona spielen, habe vor allem zwei Gründe, sagt Simon Keller: „Wir hatten schlicht Lust zu spielen und wir wollen der Region etwas bieten.“
Sein Engagement bei der Bühne Thurtal versteht Simon Keller durchaus langfristig. Zwei bis drei Produktionen will er pro Jahr aufführen, darunter auch immer ein Stück für Kinder. Dei Freilichtspiele sollen künftig alle zwei Jahre stattfinden. Womöglich regelmässig am Kloster Fischingen, aber das ist noch nicht endgültig geklärt. Die Bühne Thurtal sieht Keller dabei als etwas, das bislang gefehlt habe in der Ostschweiz: Ein Theater, das den Mittelweg zwischen Laien- und Profitheater geht. „Bei uns kann man reinsitzen und versteht es. Wir wollen Geschichten erzählen, die berühren“, sagt Keller.
Termine: Aufführungen von „Nöd Zwingli“ ab Freitag, 7. August, 20 Uhr. Insgesamt soll das Stück an 10 Terminen bis zum 22. August gezeigt werden. Alle Termine im Überblick gibt es in unserer Agenda. Der Eintritt ist frei. Kostenlose Ticketreservationen sind über die Webseite der Bühne Thurtal möglich. Bei schlechtem Wetter fällt die Vorstellung aus.
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Machen statt labern (04.04.2024)
- Pixel in Pink (27.03.2024)
- Wen wählen? Die Parteien im Kulturcheck (25.03.2024)
- „Neuer Standort für das Kunstmuseum in urbanem Raum“ (25.03.2024)
- «Im Verteilkampf das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren.» (25.03.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Bühne
Kommt vor in diesen Interessen
- Vorschau
- Schauspiel
Ähnliche Beiträge
Ist das die Schule der Zukunft?
Was, wenn man sich die Schule nach seinen eigenen Bedürfnissen auswählen könnte? Mit der Produktion „Better skills“ entwirft das momoll Jugendtheater ab 20. April ein spannendes Gedankenspiel. mehr
Blond, aber nicht blöd
Am Ende gab es Standing ovations: „Sugar – Manche mögen’s heiss“ rief bei der Musical-Premiere auf der Zentrumsbühne in Bottighofen Begeisterung hervor. mehr
Raus aus der Komfortzone
… rein in die bunte Vielfalt der „Kulturbühne 2024“: Die Wiler Kulturtage stehen vor der Tür, mit Veranstaltungen aus allen möglichen Sparten sowie Aktionen, offenen Ateliers und Proben. mehr