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Ausgetanzt

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Der letzte Schrei: Das Festival «tanz:now» ist Geschichte, die Kulturstiftung zieht sich aus dem Projekt zurück. Trotzdem soll es Tanz weiterhin geben im Phönixtheater. Im Dezember 2020 gastiert Reut Shemesh mit der Produktion «ATARA» | © Phönixtheater Steckborn

Schluss nach 15 Jahren: Die Kulturstiftung beendet das Festival „tanz:now“ wegen mangelnder Resonanz. Das Steckborner Phönixtheater will nun eine eigene Veranstaltungsreihe für zeitgenössischen Tanz etablieren.

15 Jahre lang brachte das Festival „tanz:now“ jedes Frühjahr die Schweizer Tanz-Elite in den Thurgau und bot dem Publikum ein Programm, dass es sonst nur in Grossstädten zu sehen gibt: ambitionierten, zeitgenössischen Tanz. Damit ist jetzt Schluss. Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau zieht sich aus dem Projekt zurück, damit entfällt auch die bisherige Förderung des Festivals mit 67’000 Franken im Jahr.

Für Stefan Wagner, Beauftragter der Kulturstiftung, ist diese Entscheidung auch eine Konsequenz aus der Bewertung des Festivals. „Das war in all den Jahren gut wie es war, aber wir haben gesehen, dass die Entwicklung nicht richtig weitergeht. Wir hätten viel verändern, viel mehr investieren müssen, um das Festival nochmal neu zu beleben. Wir haben uns dann dagegen entschieden.“ Wohl auch, weil die Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren auf einem eher niedrigen Niveau blieben.

„Wir versuchen es jetzt aus eigener Kraft zu stemmen.“

Philippe Wacker, Leiter Phönixtheater Steckborn (im Bild gemeinsam mit Carolin Minjolle von der Kulturstiftung, beide hatten das Programm bei tanz:now in den vergangenen Jahren gemeinsam gestaltet

Philippe Wacker, Leiter des Steckborner Phönixtheaters und Co-Veranstalter des „tanz:now“, beziffert die durchschnittliche Auslastung in den vergangenen Jahren bei etwa 60 Prozent. Das habe aber sehr geschwankt. Je nach Produktion lag die Auslastung nach Zahlen des Phönixtheaters zwischen 21 und 95 Prozent. Konkret bedeutet das: Es gab zum Beispiel im Festival 2019 Vorstellungen mit bis zu 57 Zuschauern, zu manchen kam aber auch nur vier.

Die Entscheidung der Kulturstiftung hat Philippe Wacker nicht überrascht: „Es war immer klar, dass das Festival irgendwann in die Eigenständigkeit entlassen wird. Die Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung war in den vergangenen Jahren hervorragend. Jetzt versuchen wir es eben aus eigener Kraft zu stemmen“, sagt Wacker.

Wie das aussehen könnte, ist noch offen. Im kommenden Jahr soll alles bleiben wie gewohnt, das Programm des abgesagten Festivals aus diesem Jahr werde dann voraussichtlich gezeigt. Ab 2022 könnte sich Wacker vorstellen, das Tanz-Programm nicht als Festival anzubieten, sondern verschiedene Produktionen über das Jahr verteilt ins Programm des Phönixtheaters zu integrieren. Der Steckborner Theaterleiter sieht auch eine Chance in dem Wechsel: „Bislang waren wir sehr auf Schweizer Compagnien konzentriert. Das könnten wir im neuen Konzept ausweiten und auch mal Compagnien aus dem europäischen Ausland einladen“, sagt Wacker.

Video: Rückblick auf das Festival 2019

 

„Wenn es zu experimentell wird, kommen weniger Zuschauer.“

Philippe Wacker über das Tanz-Publikum im Thurgau

Grundsätzlich solle die Ausrichtung auf den zeitgenössischen Tanz bleiben. Wacker will in der Programmierung aber künftig stärker auf das Publikumsinteresse achten. „Performativer Tanz war hier immer schwierig. Wenn es zu experimentell wird, kommen weniger Zuschauer. Das ist hier in der Provinz einfach anders als in den Städten“, erklärt Wacker. Was er hingegen ausbauen will - die Vermittlungsangebote für Tanz. Damit man den ZuschauerInnen die Kunstform des zeitgenössischen Tanzes auch über die Aufführung hinaus näher bringen kann.

Klar ist auch: Den Namen „tanz:now“ werde das neue Programm im Phönixtheater nicht mehr tragen, sagt Stefan Wagner von der Kulturstiftung. Weitere finanzielle Unterstützung des Festivals sei auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen: „Das Phönixtheater kann natürlich jederzeit ein Gesuch einreichen“, sagt Wagner. Die Kulturstiftung selbst wendet sich damit auch nicht endgültig vom Tanz ab. „Wir denken über alternative Wege der Tanzförderung nach“, sagt Wagner. Wie das aussehen könne, sei aber noch nicht klar.

„Wir denken über alternative Wege der Tanzförderung nach.“

Stefan Wagner, Beauftragter der Kulturstiftung (Bild: Ramona Früh)

Dass sich die Stiftung zum Rückzug aus dem Tanzfestival entschlossen hat, ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Ungewöhnlich war eher, dass die Stiftung dem Projekt so lange treu geblieben ist. Denn eigentlich will die Kulturstiftung neue Projekte vor allem anstossen, Starthilfe geben und sich dann nach einer gewissen Zeit wieder zurückziehen, um neue Dinge zu ermöglichen. Auch andere Langzeitprojekte der Kulturstiftung wie das Frauenfelder Lyrikfestival oder die Werkschau sind intern derzeit auf dem Prüfstand.

 

New Yorker Atelier wird geschlossen

Eine weitere Änderung bei der Kulturstiftung gibt es bei den angebotenen Atelierstipendien. Künftig wird es das bislang alle vier Jahre gemeinsam mit dem Kulturamt ausgeschriebene Stipendium in New York nicht mehr geben. Die Kosten für die Miete seien zuletzt deutlich gestiegen und die Rückmeldungen der KünstlerInnen, die zuletzt dort waren, seien auch nicht so gewesen, dass man das Projekt habe fortführen müssen, erklärt Stefan Wagner, Beauftragter der Kulturstiftung des Kantons Thurgau.

 

Zudem sei New York aus künstlerischer Sicht auch nicht mehr unbedingt der innovativste Ort, so Wagner weiter. Stattdessen sucht man nun nach neuen Möglichkeiten für Atelierstipendien. Das Stipendium in der serbischen Metropole Belgrad soll hingegen auch in den kommenden Jahren weiter geführt. Zumindest dann, wenn es die Corona-Lage im Land zulässt.

 

Weiterlesen: Eine ausführliche Geschichte über den Sinn von Atelierstipendien könnt ihr hier lesen: https://www.thurgaukultur.ch/magazin/raus-aus-der-enge-3535

 

 

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