von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 13.05.2019
Transparent, nicht gläsern
Am Sonntag läuft die Abstimmung über das neue Öffentlichkeitsgesetz. Die Behörden würden dadurch endlich zu mehr Transparenz verpflichtet. Warum das auch eine Frage der politischen Kultur ist, aber nur ein erster Schritt sein kann.
Manche Dinge dauern im Thurgau ein bisschen länger als anderswo. So ist das auch mit dem Öffentlichkeitsgesetz, das am Sonntag zur Wahl steht. Als einer der letzten Kantone der Schweiz könnte dann auch der Thurgau die politischen Verwaltungen zu mehr Transparenz verpflichten. Bei einer Annahme des Gesetzes müssten Politik und Verwaltung künftig offensiver über ihr Handeln informieren. Sie könnten sich weniger hinter geheimen Interessen verschanzen. Nicht mehr der Bürger müsste erklären, weshalb er bestimmte Informationen wünscht, sondern die Behörden müssten argumentieren, weshalb sie bestimmte Dinge geheim halten wollen. Eine längst überfällige Umkehr der Beweislast.
Deshalb kann es am Sonntag eigentlich nur ein „Ja“ zum Öffentlichkeitsprinzip geben, den eine fraktionsübergreifende Initiative um den GLP-Kantonsrat Ueli Fisch auf den Weg gebracht hat. Niemand muss Angst vor diesem Gesetz haben, es geht nicht darum, eine komplett gläserne Verwaltung zu schaffen, sondern ein bisschen mehr Transparenz zu ermöglichen. Vom Datenschutz betroffene Personendaten zu Steuern, Einkommen, Vermögen, Krankheiten, Sozialhilfe und individuelle staatliche Leistungen werden auch weiterhin geschützt bleiben.
Die Gegner der Initiative haben kaum belastbare Argumente
Die Gegner der Initiative - wenig überraschend ein Zusammenschluss einiger Gemeindepräsidenten - begründen ihre Ablehnung vor allem mit dem bürokratischen Aufwand, den das Gesetz mit sich bringe. Das ist das denkbar schlechteste Argument, das man hier ins Feld führen kann. Wem es zu viel Aufwand ist, die Bürger transparenter und verständlicher über das Handeln von Politik und Behörden zu informieren, der hat im Politikbetrieb des 21. Jahrhunderts eigentlich nichts mehr verloren. Das ist letztlich eine Frage der politischen Kultur: Hat die Politik den Mut mit ihren Bürgern auf Augenhöhe zu diskutieren oder will sie lieber weiter in kleinen Zirkeln eigenmächtig Entscheidungen treffen können, ohne sie von der Gesellschaft prüfen zu lassen? Schon aus reinem Eigeninteresse sollten Politik und Behörden die Initiative begrüssen: Geheimhaltung schafft Politikverdrossenheit. Offenheit und Partizipation wirkt dem entgegen. Und zufriedene, engagierte Bürger sollten doch das Ziel jeder Politik sein.
Richtig ist allerdings auch: Niemand sollte zu viel von dem neuen Öffentlichkeitsprinzip erwarten. Zum einen bleibt der Thurgau hinter Regelungen in anderen Kantonen zurück. In Zug beispielsweise gilt das Öffentlichkeitsprinzip für alle Behörden des Kantons und der Gemeinden: Einwohner-, Bürger-, Korporations- und Kirchgemeinden. Im Thurgau beschränkt man sich auf den Kanton, die politischen Gemeinden sowie die Schulgemeinden.
Ein erster Schritt, weitere werden folgen müssen
Zum anderen kann die Ermöglichung des Zugangs zu Informationen, was das Öffentlichkeitsprinzip in erster Linie leistet, nur ein erster Schritt sein. Denn: Zugang zu Informationen hilft nur mässig, wenn die Informationen dahinter nicht verständlich sind. Deshalb ist es an Politik und Behörden, künftig ihre Informationen so aufzubereiten, dass man sie auch ohne Jura-Studium verstehen kann. Verwaltungs-Fachsprache in allgemein verständliche Sprache zu übersetzen, wird die nächste grosse Aufgabe sein ohne die das Öffentlichkeitsgesetz seine erhoffte Wirkung kaum wird entfalten können.
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