von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 11.01.2019
Wenn die Welt still steht
Am 20. Januar startet die neue Saison im Konzertprogramm des Kloster Fischingen. Das Programm setzt auf Vielfalt und die besondere Atmosphäre im Kloster.
Es gibt diesen einen Moment, da wird die Welt im Kloster Fischingen plötzlich ganz klein und still: „Bevor der erste Ton erklingt, ist es in der Bibliothek mucksmäuschenstill. Spätestens, wenn die Musikerinnen und Musiker mit grosser Spannung durch die Stuhlreihen auf das Podest zuschreiten und nach wenigen Augenblicken der erste Ton hörbar wird, haben Alltagsgedanken keinen Platz mehr“, beschreibt Cornelia Scheiwiller die kleine Magie, die bei Konzerten in den alten Klostermauern entstehen kann. Scheiwiller ist seit Jahren die Leiterin des Kulturprogramms im Kloster Fischingen. Die Stimmung kurz vor den Konzerten findet sie immer noch besonders.
Auch 2019 soll es diese Momente wieder geben. Im neuen Programm setze man einerseits auf Fixpunkte wie das Trio Artemis oder das Ensemble Fiacorda, man fördere aber auch junge Musiker (Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn zum Beispiel) und lasse Platz für neue Ensembles, die noch nicht in Fischingen gespielt haben, wie das Duo Skylla oder das Holzbläserquintett quAIRulanten, erklärt Cornelia Scheiwiller. Insgesamt gibt es in der neuen Saison 13 Konzerte an verschiedenen Orten im Kloster. Den Auftakt macht am Sonntag, 20. Januar, das Jugendorchester „il mosaico“. Unter der Leitung von Hermann Ostendarp und mit Chiara Enderle am Cello spielen die jungen Musiker Werke von Haydn, Yoshimatsu und Chopin.
Eine Rarität: Ein Programm nur aus Komponistinnen
Da Komponistinnen in der Konzertliteratur immer noch selten sind, dürfte das Programm am Sonntag, 10. Februar, ganz spannend werden. Das Duo Skylla, das sind Ursula Fortin (Geige) und Dorrotya Marosvári (Klavier), führt unter dem Titel „Verborgene Leidenschaft“ Werke von fünf Komponistinnen auf: Clara Schumann, Lili Boulanger, Vitezslava Kaprálová, Rachel Fortin und Iris Szeghy. Das Duo Skylla gewann 2008 den dritten Preis am internationalen Wettbewerb Rovere d’orp in Italien. In ihren Programmen vereinen sie zeitgenössische und klassische Werke.
Für die Musikerinnen Katja Hess, Bettina Macher und Myriam Ruesch, besser bekannt als das Trio Artemis, dürfte der 21. April auch kein ganz gewöhnlicher Tag werden: 24 Jahre nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt in der Bibliothek des Klosters kehren sie an nach Fischingen zurück. Gemeinsam mit dem New Yorker Jazzer Daniel Schnyder spielen sie eine Mischung aus klassischen Werken und modernen, dem Jazz angelehnten Kompositionen. Unter anderem werden Stücke von Bach, Händel, Gershwin und Piazzolla zu hören sein.
Ungewöhnliche Ensembles sind zu Gast
Daneben gibt es die Möglichkeit weitere ungewöhnliche Ensembles kennenzulernen. Zum Beispiel die 13-köpfige Gruppe Les Passions de l’Ame. In ihrem Programm „Schabernack“ wollen sie den Humor, Witz und die Fantasie in barocken Werken zeigen. Musikkritiker Wolfgang Schicker (BR Klassik) meinte dazu: „Manchmal meint man direkt zu hören, wie die Musiker beim Spielen in sich hinein kichern - als ob sie den Scherz mit dem Komponisten zusammen selbst ausgeheckt hätten.“ Oder: Das BlattWerk Quintett. Sie spielen mit Rameaus „Suite la Triomphante“, Schumanns „Waldszenen“ und Debussys „Children’s Corner“ allesamt Werke, die ursprünglich für Tasteninstrumente geschrieben wurden. Beim BlattWerk Quintett werden die Töne der Tasten bei den Arrangements auf die fünf Holzblasintrumente verteilt.
Die Zusammenstellung des Programms fällt im Kloster Fischingen in die Zuständigkeit einer eigenen Kulturkommission. Die Musiker müssten dabei nicht gesucht werden, „die Musiker finden uns“, sagt Cornelia Scheiwiller. Es gebe in der Schweiz und im nahen Ausland mehr Musiker als Auftrittsmöglichkeiten. „Das ermöglicht der Kulturkommission alljährlich aus einem reichen Fundus ein paar musikalische Perlen herauszupicken“, so Scheiwiller. Wichtigste Auswahlkriterien seien demnach Qualität der Künstlerinnen und Künstler sowie die Vielfalt des Programms: „Liebhaber von Streichmusik sollen von unseren Konzerten ebenso angesprochen sein wie Anhänger von Blas- und Tasteninstrumenten.“
Im vergangenen Jahr kamen wieder mehr Besucher
Getragen wird die Initiative Kultur Kloster Fischingen von einem Trägerverein, in dem sich drei Vereine engagieren: Der Verein Barockkirche Fischingen, die Katholische Kirchengemeinde Faschingen und der Verein Kloster Fischingen. Macht die Reihe ein Defizit in einer Saison, wird es von den Trägern ausgeglichen. Der Konzertbetrieb wird vom Kanton Thurgau über den Lotteriefonds, der Gemeinde Fischingen und weiteren Partnern unterstützt. Im vergangenen Jahr besuchten 1650 Zuhörer und Zuhörerinnen die Konzerte im Kloster. Beliebtestes Konzert war das Gastspiel des Tenebrae Chor zu dem 312 Besucher kamen.
Überblick: So klingt das Programm 2019
20. Januar, 16 Uhr, Bibliothek: Jugendorchester „il mosaico“
10. Februar, 16 Uhr, Bibliothek: Duo Skylla
10. März, 16 Uhr, Bibliothek: Junge Zürcher Harmoniker
31. März, 11 Uhr, Bibliothek: quAIRulanten
21. April, 16 Uhr, Bibliothek: Trio Artemis & Daniel Schnyder
12. Mai, 16 Uhr, Bibliothek: Ensemble Cantissimo
9. Juni (Pfingstsonntag), 16 Uhr, Bibliothek: Les Pasiones de l’Ame
18. August, 16 Uhr, Klosterkirche: Nicoleta Paraschivescu
25. August, 16 Uhr, Klosterkirche: Irene Roth-Halter (Orgel) & Andreas Wulf (Trompete)
22. September, 16 Uhr, Klosterkirche: Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn
8. November, 19 Uhr, Festsaal: BlattWerk Quintett
1. Dezember, 16 Uhr, Festsaal: Gerardo Vila (Klavier), Davide Bandieri (Klarinette), Nada Anderwert (Viola)
31. Dezember, 20.30 Uhr, Klosterkirche: Ensemble Fiacorda
Tickets: Die Ticketpreise für die einzelnen Konzerte unterscheiden sich. Sie liegen zwischen 30 und 50 Franken. Reservationen sind telefonisch (071/978 72 20) oder per E-Mail (info@klosterfischingen.ch) möglich. Die Tageskasse öffnet jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre haben freien Eintritt.
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