reden wir über Heimat. Ständig wird irgendwo darüber gesprochen, dabei ist nicht mal ganz klar, was dieses Ding eigentlich sein soll. Folgt man Debatten dazu, dann bekommt man nicht selten den Eindruck, dass doch jeder etwas anderes darunter versteht. Also: Was ist Heimat? Bezeichnet das Wort den Herkunftsort? Und wenn ja, ist es wirklich nur der Ort oder gilt auch die Region drumherum als Heimat? Oder meint man den aktuellen Wohnort, wenn man von Heimat spricht? Oder ganz anders: Ist es allgemein gesprochen eher ein spiritueller Begriff, losgelöst von jeder Geographie, also ein Wohlfühlort an dem man sich emotional Zuhause fühlt, ohne dass man zwangsläufig jahrelang dort gelebt haben muss?
Wen man auch fragt, die Ansichten sind da unterschiedlich. Der weltreisende Star-Kurator Hans-Ulrich Obrist beispielsweise hat in einem Interview mit thurgaukultur.ch mal den schönen Satz gesagt: „Heimat ist da, wo ich gerade bin". Das spricht für ein eher nüchternes, unromantisches Verständnis des Begriffs. Aber trifft es das auch?
Heimat hat wenig mit Geographie, viel mit Gefühl zu tun
Es gibt keine einfache Antwort darauf, was Heimat ist. Jeder wird für sich definieren, was es ist und was nicht. Für mich zum Beispiel hat Heimat gar nichts mit Herkunft zu tun. Heimat ist für mich ein Ort, in dem ich sein kann, wie ich bin. Ein Ort, an dem mir das Herz schneller schlägt und ich mich lebendig und aufgehoben fühle. Oder vielleicht so: Heimat ist für mich ein Ort, der meiner Seele entspricht. Das klingt jetzt vielleicht esoterisch, ist aber so. Man kann das ja nicht steuern, welche Orte man mag. Das passiert einfach. Ich hätte zum Beispiel auch nicht gedacht, dass ich mich mal in einen Moloch wie Toronto verlieben würde. Ist aber geschehen. Weil diese Stadt in der Zeit als ich dort war, mir alles gegeben hat, was ich gebraucht habe und davor gesucht hatte. Letztlich hat Heimat eben doch sehr viel mit dem persönlichen Seelenzustand zu tun.
Auch der im Thurgau lebende Sänger und Komponist David Lang setzt sich mit dem Thema auf seinem neuen Album „Kutscher“ auseinander. Unsere Korrespondentin Barbara Camenzind hat sein Konzert im Frauenfelder Eisenwerk gehört und schreibt über das Lied „Heimat“: „In Sachen Schönheit, Herzblut und Melodieführung besser als das Meiste, was in der Ostschweiz so als Wiedererkennungsmelodie herumgeistert. Die St. Galler würden platzen vor Neid, wüssten sie von diesem Song.“ Ihre ganze Besprechung des Abends können Sie hier lesen.
Unsere weiteren Themen im Magazin sind unter anderem:
Ausgezeichnet: Zsuzsanna Gahse hat am vergangenen Donnerstag in Bern den Schweizer Grand Prix Literatur für ihr Gesamtwerk erhalten. Sie lebt seit zwanzig Jahren mit ihrem Mann Christoph Rütimann und ihren Texten im Thurgau. Ein Porträt.
Kunst als Prozess: El Frauenfelders kantige Behausungen sind ein Angebot an den Betrachter, sich in ihnen zu verlieren. Auszuprobieren noch bis 10. März im Kunstverein Frauenfeld.
Kunst und Politik: In einem lange unter Verschluss gehaltenen Gutachten zu einer Erweiterung des Kunstmuseums, setzen Denkmalpfleger enge Grenzen für eine Bebauung. Das könnte auch die neuen Pläne erschweren.
Kommen Sie gut durch die neue Woche!
Herzliche Grüsse,
Ihr Michael Lünstroth |