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von Inka Grabowsky, 06.02.2015

Eloquenter KIK-Start

Eloquenter KIK-Start
Kein Misanthrop – nur Menschenhasser: Jochen Malmsheimer. | © Inka Grabowsky

Vor fast ausverkauftem Haus ist das Festival „Kabarett in Kreuzlingen“ gestartet. Jochen Malmsheimer, der Meister des von ihm erfunden „epischen Kabaretts“, beeindruckte mit gewaltiger Eloquenz.

Inka Grabowsky

Wenn er gefragt werden würde, was er beruflich mache, komme er ins Grübeln, sagt Malmsheimer auf der Bühne der Aula der PMS. „Meine Söhne haben eine einfache Antwort: ‚Quatsch!’, sagen sie. Aber ich sage: es ist kein politisches, kein literarisches, sondern episches Kabarett.“ „Episch“ meint: Der Germanist und gelernte Buchhändler erzählt viel, und zwar durchaus auch Politisches und Literarisches.

Schon der Titel des aktuellen Programms „Flieg Fisch, lies und gesunde! Oder, Glück, wo ist Dein Stachel?!“ ist Literaturverweis und bildungspolitische Forderung in einem. Freundlicherweise klärt der Künstler darüber während der Vorstellung auf. Statt wie Paulus im Korintherbrief den Tod nach seinem Stachel zu fragen, frage er lieber das Glück. Das Treffen stelle er sich angenehmer vor. Und im Lesen von Büchern sieht er Hoffnung im Kampf gegen die Krankheit der menschlichen Dummheit.

Dichter Wortwitz

Dumm darf man nicht sein, um aus einem Abend mit Jochen Malmsheimer Vergnügen zu ziehen. Gut, es gibt auch Pointen, die immer und überall funktionieren: „Magst Du keine Meerschweinschen? Doch, in Sahnesauce!“ Doch meist freuen sich die Zuhörer über Wortspiele wie „Kindernazis mit Resignationshintergrund“, über Zoos, die „unzooisch sind, eher gärtnerisch, geradezu abgartend “ oder über „anwesende Periphermenschen – ‚Mitmenschen’ ist mir zu familiär.“

"Bücher geben Hoffnung im Kampf gegen die Krankheit der menschlichen Dummheit." (Bild: Inka Grabowsky)


Die Witze des Sprachliebhabers sind keine Schenkelklopfer. Bei genauerem Hinhören sind sie arrogant. „Wir haben – nein: ich habe eine wunderbare Muttersprache“, mutet der Bochumer seinem Schweizer Publikum zu. Das trägt es mit Humor, schliesslich hatte sich der Kabarettist vorher geoutet: „Nein, ich bin kein Misanthrop – ich hasse einfach Menschen.“ Sein Dank am Schluss klingt entsprechend zynisch: „Es war mir ein inneres Fussbad, für Sie zu spielen.“

Menschliches, Allzumenschliches

Die Rolle des Menschenfeinds zieht sich nicht durchgängig durch das Programm. Einen grossen Teil nehmen Betrachtungen über das Älterwerden ein, in dem Malmsheimer vor allem sich selbst durch den Kakao zieht. Sein erstes graues Haar wird zum Drama shakespearischen Ausmasses – inklusive der jambischen Pentameter. Selbstironie macht den 54-Jährigen sympathisch, egal, wie gemein er sich gibt.

Einzigartige Vortragskunst

Malmsheimer hat viele Vorbilder. Explizit nennt er den Dichter und Satiriker Robert Gernhardt, doch Walter Moers, Heinz Erhardt und Loriot glaubt man von Zeit zu Zeit auch wieder zu erkennen. Die Mischung und Kunstfertigkeit des Vortrags jedoch sind einzigartig. Schon deshalb bildete Jochen Malmsheimer einen würdigen Auftakt für das Kabarettfestival am Bodensee.

Programm und Vorverkauf KIK-Festival 2015

Christoph Sieber, 6.2.; Joachim Rittmeyer, 7.2.; Thomas Reis, 21.2.; Erwin Grosche, 28.2.; Rolf Miller, 5.3.; Oropax, 6.3.; Alfred Dorfer, 10.3. (ausverkauft); Urban Priol, 12.3.; Günter Gründwald, 14.3.; Christine Prayon, 20.3.

Für die Veranstaltungen des KIK 2015 sind Tickets im Vorverkauf erhältlich: Bei Starticket (print@home, Vorverkaufsstellen) und in der Geschäftsstelle von Kreuzlingen Tourismus an der Hauptstrasse 39, 071 672 38 40. (rom)


***

Mehr zum Thema:

Gescheite Intellektsperre (Interview Rolf Miller)
- thurgaukultur.ch vom 15.01.2015
KIK 2015 startet jetzt - thurgaukultur.ch vom 29.11.2014

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Alle Informationen und das Detailprogramm hier:

 

 

kik-kreuzlingen.ch

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