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von Anschi Inauen, 21.04.2016

Begehrte Portraits - Bilanz Rina Jost

Begehrte Portraits - Bilanz Rina Jost
Ein "Selfie" der Illustratorin Rina Jost. | © Rina Jost

Rina Josts Portraits von Künstlern und Gästen am Stand des Gastkantons Thurgau und live vor der Bühne an der Künstlerbörse in Thun kamen dermassen gut an, dass ihr Engagement spontan um einen Tag verlängert wurde.

Anschi Inauen

 

Rina, hast du mit einem solchen Erfolg gerechnet? Was braucht es damit die Leute Schlange stehen und sich auch die Künstler mit Vergnügen porträtieren lassen?

Nein, mit einer Verlängerung meines Aufenthaltes habe ich wirklich nicht gerechnet, aber es freut mich natürlich. Ich glaube, es ist einfach faszinierend, etwas unmittelbar entstehen zu sehen. Es muss aber nicht unbedingt eine Zeichnung sein. Der Prozess hinter einem Kunstwerk hat die Leute immer schon interessiert. Ausserdem konnten die Besucherinnen das Porträt mitnehmen, das war vielleicht auch eine Motivation.

Wie setzt sich deine Arbeit zusammen? Wie oft machst du Live-Zeichnungen?

Das Schöne an meinem Beruf (Illustratorin) ist, dass er so vielseitig ist. Kein Auftrag ist wie der andere. Hauptsächlich arbeite ich in den Bereichen Editorial, Buchillustration, Reisereportage/Visual Essay, und eben Eventzeichnen. Auch verschiedene Visualisierungen habe ich schon gemacht. Das wird dann meist nicht veröffentlicht, sondern zum Beispiel für die interne Kommunikation gebraucht. Live-Zeichnen ist sicher ein berufliches Standbein, aber auch privat führe ich gerne Skizzenbücher, zum Beispiel wenn ich reise.

Was fasziniert dich besonders?

Beim Live-Zeichnen interessiert mich das Unmittelbare, das genaue Hinschauen, die Abstraktion. In anderen Bereichen der Illustration fasziniert mich die visuelle Überraschung, das Spiel mit Erwartungen und Sehgewohnheiten, das Sequentielle und die Verknüpfung von Bild und Text. Aber ich schweife ab. Live-Zeichnen macht momentan vielleicht etwa einen Viertel meines Einkommens aus, das ändert sich aber immer.

Für die Porträtierten ist das Porträtiertwerden etwas intimes. Wie erlebst du das?

Vor allem für mein Gegenüber ist es anfangs sicher seltsam, sich so genau betrachten und zeichnen zu lassen. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber nach den ersten Minuten entspannen sich die Leute meist. Man muss auch Geduld mitbringen. Ich hingegen bin mich ja an die Situation gewöhnt und kann mich auch hinter meinem Auftrag verstecken. Ich bin dann jeweils sehr konzentriert und zeichne, ohne zu werten.

Und du selber?

An der Künstlerbörse hat mich jemand gefragt, wie viel ich wohl meinerseits während dem Zeichnen preisgebe. Das ist mir jeweils gar nicht so bewusst, aber die Leute schauen mich ja dann auch an. Auch die Betonung von bestimmten Merkmalen und Farben sind meine Entscheidung - die Zeichnung entspricht also eigentlich meiner Wahrnehmung einer Person. Man muss natürlich berücksichtigen, dass nicht jede Zeichnung so herauskommt, wie ich sie gerne wollte. Es ist übrigens schwieriger, Leute zu zeichnen die ich bereits kenne. Ein Mensch ist eben viel mehr als nur ein Gesicht, auch die Bewegungen, die Art zu sprechen, Sympathie, erst alles zusammen bestimmt, wie wir eine andere Person sehen. Ich hoffe, die Leute nehmen es nicht zu persönlich, wenn sie sich auf der Zeichnung nicht wirklich erkennen.

Was für Reaktionen der Porträtierten hast du erlebt?

Die Reaktionen in Thun waren positiv. Vielleicht waren die Leute an der Künstlerbörse auch besonders nett zu mir. Überhaupt reagieren fast alle sehr gut darauf, wenn ich sie zeichne. Ich habe aber auch schon erlebt, dass jemand fand, ich hätte sie dünner oder mit weniger Falten zeichnen sollen oder die anmerkten, dass ihnen die Zeichnung überhaupt nicht ähnlich sehe. Kinder sind da übrigens besonders ehrlich. Echt harte Kritiker. Aber ich schätze konstruktive Kritik.

Nimmst du dir auch die künstlerische Freiheit und überzeichnest Details oder hast du eher den Anspruch möglichst realitätsnah zu zeichnen?

Das ist so ein Zwischending. Ich versuche, das Spezielle an einer Person einzufangen, ohne es zu überzeichnen. Also keine Karikatur und auch kein realistisches Porträt anzufertigen, sondern mit möglichst wenigen Strichen einen Charakter einzufangen. Manchmal gelingt es, manchmal nicht.

 

Wie war‘s in Thun?

„Die Stimmung in Thun habe ich als angenehm erlebt. Die Leute waren interessiert an den verschiedenen Auftritten, das Wetter und die verschiedenen Orte zur Verpflegung haben sicher zur Entspannung in den Pausen beigetragen. In der Messe konnte man teilweise schon spüren, dass die Leute aktiv Werbung gemacht haben, aber der grösste Teil war überhaupt nicht aufdringlich sondern einfach am Austausch interessiert. Das Team vor Ort war wirklich top. Dass wir uns alle gut verstanden haben war sehr angenehm für die Atmosphäre. Nach dem ersten Tag sind wir wirklich ein bisschen zusammengewachsen, das behalte ich auf jeden Fall sehr positiv in Erinnerung.“

 

Und der Kanton Thurgau?

 

„Es war toll, mit den verschiedenen Künstlern später am Stand und während dem Porträtieren zu reden. Das war interessant, weil die Kleinkunst eigentlich nicht mein Metier ist. So konnte ich aber trotzdem mit den Leuten reden und habe einen Einblick erhalten, was im Thurgau so läuft. Ich hoffe natürlich, dass der Kanton auch bei den Besuchern einen guten Eindruck hinterlassen hat! Das kann ich aber nicht wirklich beurteilen. Für mich persönlich war es schön, neue Leute kennenzulernen. Sowohl privat als auch beruflich sind diese Kontakte sicher nachhaltig und auch bereichernd. Die Erinnerung an ein intensives aber schönes Wochenende werde ich natürlich auch mitnehmen.“

 

Was geschieht mit den Bildern?

 

„Die Vereinbarung war, dass die Leute ihr Porträt mitnehmen dürfen. Wir haben die Bilder aber gescannt, und das Urheberrecht liegt weiterhin bei mir. thurgaukultur.ch besitzt ebenfalls Nutzungsrechte, um die Bilder im Zusammenhang mit der Berichterstattung von der Künstlerbörse zu nutzen. Ich werde die Bilder vor allem für die Eigenwerbung nutzen können und davon profitieren, dass nun mehr Leute meine Arbeit kennen.“ (Rina Jost/ho)

 

Am 21. Mai ist Rina Jost am Comic Slam in der Alten Kaserne Winterthur dabei. Neun ZeichnerInnen werden in wenigen Minuten etwas zu spontan genannten Begriffen aus dem Publikum zeichnen. Ausserdem zeichnet sie vom 10. bis 12. Juni am Delémont’BD Festival vor Ort. Die Ergebnisse dieser kleinen Zeichnungsreportage kann man dann in einer Nebenausstellung betrachten, die während diesen drei Tagen stetig wächst. Sie wird voraussichtlich im Atelier von Denis Tcheskiss zu sehen sein (Rue du N 7, 2800 Delémont).

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Bühne
  • Kunst

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