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01.09.2017

Von Kenia zum Iselisberg

Von Kenia zum Iselisberg
Kenia Leaks“ ist der achte Höner-Roman, der auf dem Limmat Verlag erscheint. | © Tobias Rüetschi, Bearbeitung tgk

Am Donnerstag hat der Schweizer Autor Peter Höner seinen fünften Krimi „Kenia Leak“ vorgestellt. Das unkonventionelle Detektivduo Mettler-Tetu hat darin mit heiklen Daten zu grossen Geschäften zu tun. Inspiriert dazu haben jüngste Geschehnisse aus der realen Welt.

Tobias Rüetschi

Natürlich freut sich Jürg Mettler darüber, dass sein alter Freund und Ermittlungspartner Tetu ihn in der Schweiz besuchen kommt. Doch irgendwie bekommt er den Verdacht nicht los, dass die Augenoperation, mit der der Polizist aus Kenia seine Erblindung heilen will, nur ein Vorwand für den Besuch ist. Die Wahrheit lässt auch nicht lange auf sich warten, und als Tetu ihm den wahren Grund für seinen Trip in die Schweiz gesteht, finden die zwei alten Ermittler sich in einem Fall wieder, der viel zu gross für sie scheint. Im Mittelpunkt: Eine CD mit sensiblen Daten, die auf nicht ganz saubere Geschäfte des kenianischen Finanzministers Kimele und dessen Clan schliessen lässt. Und auch Mettlers Name kommt darin vor. Tetu wird wiedermal misstrauisch, wie das bei früheren Fällen der beiden oft der Fall war. Doch kann er diesem Bauchgefühl dieses Mal vertrauen?

Das Duo Mettler-Tetu ist dem Kopf von Peter Höner entsprungen, der vergangenen Donnerstag in der Kantonsbibliothek in Frauenfeld eine Kostprobe aus seinem neusten Roman „Kenia Leak“ gab. Es ist sein achtes Buch, das über den Zürcher Limmat Verlag erscheint. Fünf davon waren Krimis, alle mit den Ermittlern Mettler und Tetu. 

Ein unkonventioneller Roman-Detektiv

Höner ist studierter Schauspieler und seit 1981 freischaffender Schriftsteller und Regisseur. Gelebt hat er unter anderem in Kenia und Wien, nun wohnt er in Iselisberg. Kein Zufall, dass seine Figuren auch an all diesen Orten ermittelt haben, hat er doch Privatdetektiv Jürg Mettler anfangs nach seinem eigenen Abbild erschaffen. „Mittlerweile ist Mettler eher ein naher Bekannter für mich“, sagt Höner. Als er seinen ersten Krimi schrieb, hoffte er darauf, bei der Verfilmung selber Mettler zu spielen, erklärt er schmunzelnd. Als das Projekt aber geplant wurde, kam er nicht in Frage. Mittlerweile sei der Detektiv auch „schusseliger und dicker“ als er selber geworden. Nur das Alter teilen sie noch, denn Höners Charaktere altern bei jedem Roman mit, was sie von konventionellen Roman-Detektiven unterscheidet.

Die Inspiration für Tetu hingegen kam Höner bei seinem vierjährigen Aufenthalt in Kenia. Im Polizeirevier habe er kurz einen Polizisten gesehen, der sein Büro vom einem Flurende zum anderen zügelte. Diese kurze Impression reichte aus, um in Höners Kopf die Figur entstehen zu lassen.

Kulturelle Unterschiede und verschiedene Ebenen

Die kulturellen Unterschiede der zwei sorgen für verschiedene Perspektiven und teils witzige Missverständnisse und Kommunikationsschwierigkeiten. So kommt Tetu, wenn er nicht gerade von Mettlers Fahrstil ausgelöste Todesangst hat, nicht aus dem Staunen heraus, wie neu doch alle Fahrzeuge auf der Autobahn aussehen. Auch als Mettler behauptet, dass sein Auto ja schon alt sei und sie sich anstrengen müssen, im richtigen Licht zu stehen, um die Schramme auf der Fahrertür zu sehen, formt sich in Tetus Kopf ein gigantisches Fragezeichen. „Wieso zeigt er mir das überhaupt? Schämt er sich für seinen Reichtum?“, fragt er sich innerlich. 

Die vier Kapitel, die Höner an der Lesung präsentiert, zeigen die verschiedenen Ebenen auf, auf denen sich der Roman abspielt. Nebst dem Zwischenmenschlichen gibt es das Kulturelle, auf dem sich auch Mettlers derzeitiger Job als Betreuer für Asylsuchende und den daraus resultierenden Clash mit den Dorfdemonstranten abspielt. Und dann gibt es noch die Ebene, die um einiges grösser ist als die der Ermittler. Auf dieser spielt sich der ganze Kimele-Skandal ab, deren Vorbild der Panama-Papers-Leak vergangenen Jahres ist.

Verlagschef Erwin Künzli (Links) führt durch den Abend, während Peter Höner Teile seines neusten Romans vorliest. (Bild: Tobias Rüetschi)

Während der Lesung bringt Höner mit seiner Gestik und Mimik die Charaktere zum Leben, und in den Pausen stellt Limmat-Verlagschef Erwin Künzli passende Fragen und analysiert das Buch mit den gegebenen Informationen, ohne zu sehr den Inhalt zu verraten. Die Lesung macht Lust auf mehr und die Gäste, welche die Kantonsbibliothek mit ihrem Exemplar von „Kenia Leaks“ verlassen, können es wohl kaum erwarten, das verregnete Sommerende damit zu verbringen, herauszufinden, wie sich der Fall auflösen wird.

www.limmatverlag.ch

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