von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 05.10.2017
Zu Besuch bei den alten Römern
Wie lebten die Römer im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus am Bodensee? Eine neue Ausstellung im Museum für Archäologie sucht nach Antworten - und findet sie.
Wenn Urs Leuzinger über diesen alten Helm spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen. "Das ist wie bei Asterix und Obelix, da kann man sich wirklich vorstellen, wie die Römer damals hier in unserer Region gelebt haben", sagt der Chef des Frauenfelder Museums für Archäologie. Der Militärhelm ist Teil einer neuen Ausstellung des Museums, die noch bis Februar 2018 zu sehen ist. Sie heisst "Stadt, Land, Fluss - Römer am Bodensee" und beschreibt genau das. Anhand von zahlreichen Funden aus dem internationalen Bodenseeraum wird die Epoche greifbar. Das ist auch deshalb möglich, weil das Projekt eine internationale Kooperation des Thurgauer Museums mit dem Archäologischen Landesmuseum (ALM) Baden-Württemberg, der Kreisarchäologie Konstanz, dem Vorarlberg Museum, dem Amt für Kultur, Archäologie im Fürstentum Liechtenstein und dem Historischen Museum St. Gallen ist. In Frauenfeld wird die Schau nun zum ersten Mal gezeigt, danach geht sie auf die Reise durch die weiteren beteiligten Einrichtungen.
Im Video: Warum uns die alten Funde heute noch interessieren sollten
Wie war das jetzt mit den Römern vor mehr als 2000 Jahren rund um den Bodensee? "Um 15 vor Christus eroberten römische Truppen die Bodenseeregion. Es fand damals angeblich sogar eine Seeschlacht zwischen den Vindelikern und den römischen Invasoren auf dem See statt", erklärt Urs Leuzinger. Die Wirkung der Römer auf die Region war demnach nachhaltig: "Innert kürzester Zeit übernahm die keltische Bevölkerung um den Bodensee den 'Roman way of life'. Sogar die eigene Götterwelt erweiterte und ergänzte man mit Jupiter, Merkur, Venus oder Minerva", beschreibt Leuzinger den Eindruck, den die Römer hinterliessen.
Migration, Mauern, Ängste: Verblüffende Parallelen zum 21. Jahrhundert
Nach und nach entstanden grössere und kleinere Siedlungen. Bregenz wurde zu einer römischen Stadt mit Tempelbezirk, öffentlichen Bauten sowie Wohnquartieren ausgebaut. In Eschenz errichtete man gleichzeitig eine Strassensiedlung mit Brücke über den Rhein. Den Bewohnern standen dort unter anderem ein öffentliches Bad, Tavernen sowie zahlreiche Geschäfte wie Drechslereien, Töpfereien, Schmieden oder Schusterwerkstätten zur Verfügung. "Für die Region kam mit den Römern auch der wirtschaftliche Aufschwung", fasst Urs Leuzinger zusammen.
Die Ausstellung "Stadt, Land, Fluss" bringt nun ganz verschiedene archäologische Funde aus der Region erstmals so zusammen. Für Urs Leuzinger geht die Ausstellung aber über eine Ansammlung von Funden hinaus. "Man kann sich ja fragen, was der ganze Römerkram heute noch mit uns zu tun hat. Aber wenn man genau hinschaut, erkennt man verblüffende Parallelen: Es gibt Migrationgsströme, Multikulti-Gesellschaften, es entstehen Ängste, dass man etwas verlieren kann, Mauern werden errichtet und Grenzwälle werden zum Schutz gebaut. Klingt doch fast nach heute", findet der Archäologe.
Termin: Die Ausstellung "Stadt, Land, Fluss. Römer am Bodensee" ist noch bis zum 18. Februar 2018 im Museum für Archäologie in Frauenfeld zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, den man im Museumsshop oder unter www.archaeologie.tg.ch für 22 Franken kaufen kann. Führungen durch die Ausstellung gibt es am 8. Oktober, 4. November und 10. Januar. Beginn ist jeweils um 10.30 Uhr. Zusätzlich sind Führungen für Schulklassen und Gruppen nach Anmeldung jederzeit möglich.
Bilder aus der Ausstellung:
Auch kuriose Funde versammelt die neue Ausstellung: Das Objekt vorne zum Beispiel war eine Klobürste des 1. Jahrhunderts nach Christus. Bild: Michael Lünstroth
Aus dem Leben der alten Römer: Anhand von zahlreichen Funden veranschaulicht die Ausstellung "Stadt, Land, Fluss" das Leben von vor mehr als 2000 Jahren. Bild: Michael Lünstroth
Funde aus Bregenz: Die Stadt wurde damals zu einer römischen Stadt ausgebaut. Bild: Michael Lünstroth
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Pixel in Pink (27.03.2024)
- Wen wählen? Die Parteien im Kulturcheck (25.03.2024)
- „Neuer Standort für das Kunstmuseum in urbanem Raum“ (25.03.2024)
- «Im Verteilkampf das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren.» (25.03.2024)
- «Das neue Museum in Arbon muss priorisiert angegangen werden» (25.03.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Wissen
Kommt vor in diesen Interessen
- Geschichte
- Archäologie
Ähnliche Beiträge
Die 36-Stunden-Revolution
Der «Ittinger Sturm» jährt sich zum 500. Mal. Acht Ostschweizer Kulturakteure widmen sich jetzt diesem aufsehenerregenden Ereignis aus dem Jahr 1524 in der Kartause Ittingen. mehr
Der lange Arm der Reichenau
«Frau & Bau. Geburt einer Hauptstadt» hat das Historische Museum Thurgau sein Jahresthema überschrieben. Im Zentrum steht dabei das Schloss Frauenfeld. mehr
Frischer Wind für stürmische Zeiten
Peter Stohler, der neue Museumsdirektor des Kunstmuseums und des Ittinger Museums, präsentiert ein volles Jahresprogramm. Eines der zentralen Themen: der Ittinger Sturm vor 500 Jahren. mehr