von Brigitta Hochuli, 05.07.2011
„Federer für alle“
Der Thurgauer Schriftsteller und Sprechartist Christian Uetz schrieb ein Buch über unser aller Tennisgott. Das Buch ist hinreissend.
Brigitta Hochuli
Christian Uetz spielt nicht Tennis. Aber er schreibt über Tennis. Genauer über Roger Federer. Christian Uetz kennt weder Federers Ehefrau Mirka noch Roger persönlich und er wird auch nicht von ihnen subventioniert. Aber Uetz ist süchtig nach Federer. Er wirft seine Tasche in die Ecke, „genauso wie Roger Federer einen Ball mit seiner ausschliesslich einhändigen Rückhand schlägt“. Mit derselben Rückhandbewegung lässt er in der Küche den Abfall in den Eimer gleiten und verschiebt einen Stuhl. Christian Uetz macht das nicht, weil er es machen will. Er stellt einfach fest, „dass wir gegen die herrliche Traumgegenwart des vollkommenen Spiels machtlos sind.“
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Roger Federers Tennsspiel sei das „Aufscheinen der Göttlichkeit, die uns allen fehlt“, schreibt Christian Uetz. Und auch das macht süchtig. Zum Beispiel nach den Übertragungen im Fernsehen. Dass wir so süchtig seien nach Übertragungen von Sport, Popkonzerten oder Artemis-Quartetten habe immer mit derselben, uns eingepflanzten Gottessehnsucht zu tun.
Glaubt Christian Uetz an Gott? „Ja“, meint er auf die Frage von thurgaukultur. „Und ich glaube, dass wir nicht nur unablässig glauben oder nicht glauben, was der andere sagt, sondern dass Glauben und Nichtglauben so sehr all unser Erleben konstituiert, dass das Unglaubliche auch unsere Wahrheit ist, wenn wir es wissen wollen. Wir leben partout vom Unglaublichen und Fantastischen und Wunderbaren und Unmöglichen, welches uns fehlt.“
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„Roger Federer für alle“, heisst das Buch. Da muss es ausser um Gott natürlich auch um Persönlichkeit gehen. Federers Persönlichkeit sei Grösse, königlich. „Das schenkt jedem einzelnen Federer.“ Dabei sei Federer „federerleicht“. Nomen sei Omen für sein Spiel. In der Lust an der Sache „übertrifft Federer auch den grossen Immanuel Kant“ - und damit die Pflicht.
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Wimbledon 2008: Das Jahrhundertmatch „war pures Licht der Göttlichkeit“, schreibt Christian Uetz. Geschehen auf dem Heiligen Rasen, in der Kathedrale, in der Ehrfurcht einer Messe. Dabei glaubt Christian Uetz an Federers Demut. Bestimmt werde er „Tennis und Glauben trennen und mit Recht sagen: Es gibt Wichtigers als Tennis, und Tennis ist keine Religion und schon gar nicht Gott.“
Dass ich trotzdem schmunzle, nimmt Christian Uetz mir nicht übel, sondern erklärt: Dass eine Ikonenbildung bei Stars wie Federer oder Maradona oder Michael Jackson oder Mozart oder Freud oder Einstein ein urreligiöses Phänomen sei, sei allen selbstverständlich. „Wenn dies aber ernsthaft als uns allen inhärente Gottsehnsucht ausgelegt wird, ist das zugleich lächerlich und peinlich. Da wir aber eh lächerlich und peinlich sind, kann einem das lächerlich und peinlich sein oder drum erst recht fantastich.“
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Federer, und das dürfte im Thurgau besonders interessieren, ist „grösser als Napoleon“. Warum? „Weil Federer der Welt eine Gottlichtung schenkt. Und durch ihn strahlt auch die Schweiz in herrlicherer Kleinheit. Und die Schweiz als Märchen schlägt auch wieder auf Federer zurück, dessen Kraft auch Verdichtung schweizerischer Stabilität ist.“ Bezeichnend deshalb für Federer: Sein Werben für die berühmtesten Schweizer Werte wie Uhren, Banken, Versicherungen, Schokolade, Luxusgeräte. Was noch? Es „fehlt nur noch der Käse“.
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Christian Uetz, geboren 1963 in Egnach, studierte Philosophie, Komparatistik und Altgriechisch. Er ist unter anderem Thurgauer Kulturpreisträger 2005. Das Buch „Federer für alle“ ist im Echtzeit Verlag erschienen.
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