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von Brigitta Hochuli, 05.02.2012

Kleinstspenden machen‘s möglich - Kulturamtchef begrüsst Crowdfunding als Ergänzung zur Kulturförderung

Kleinstspenden machen‘s möglich - Kulturamtchef begrüsst Crowdfunding als Ergänzung zur Kulturförderung
Die Gründer der Schweizer Crowdfunding-Künstlerplattform: Jürg Lehni, Johannes Gees und Rea Eggli (v.l.). | © Jozo Palkovits

Seit Sonntag ist die erste Schweizer Internet-Seite für Kunstspenden online. Mitinitiant dieses Crowdfunding-Portals ist der Thurgauer Künstler Johannes Gees.

Brigitta Hochuli

Die Erschaffer des Romanshorner Mocmoc (Com&Com) brauchen 20‘000 Franken, um für einen Fichtenstamm (Bloch) von Urnäsch aus die erste Etappe einer Weltreise zu finanzieren. Über die Internetseite wemakeit.ch sind Stunden nach dem Start dieses Crowdfundingprojekts schon mal 50 Franken versprochen. Erreicht das Projekt in 89 Tagen sein Finanzierungsziel, wird bezahlt - wenn nicht, wird kein Geld fliessen.

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Art-tv, dessen Beiträge regelmässig auch auf thurgaukultur.ch zu sehen sind, plant „TipX - Die Literaturshow von morgen“. In der Sendung sollen unter anderem Menschen vorgestellt werden, die zwar leidenschaftlich lesen, aber keine Wissenschaft daraus machen. Auch dafür werden 20'000 Franken gesucht. Bisher ist noch keine Unterstützung eingegangen, es verbleiben dazu 59 Tage.

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Unter dem Stichwort Mode läuft das Projekt „The Human Print“ zum Thema Sommersprossen. Die die Grafikerin Natalja Romine und die Mode-Designerin Stefanie Biggel erbeten 2000 Franken, von denen 5 Franken bereits zugesprochen sind. Es verbeliben 29 weitere Tage.

Nach wenigen Stunden hat das Projekt "Architektur im Würgegriff der Kunst" ein paar hundert Franken eingebracht und mehrere Unterstützer gefunden. In diesem Buchprojekt kommen junge Schweizer Künstler zu Wort; sie präsentieren ausgewählte Werke und stellen sich der Diskussion über ihren Umgang mit Räumen und Gebäuden.

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20 Projekte sind seit Sonntag, 8.30 Uhr, auf dieser ersten gesamtschweizerischen Crowdfunding- oder Schwarmfinanzierungs-Plattform online. Unter dem Stichwort „Projekte entdecken“ findet sich eine gute Übersicht. Die Idee stammt aus den USA. Die Leitung des Projekts und der wemakeit.ch GmbH haben die Kulturmanagerin Rea Eggli, der Designer Jürg Lehni und der Thurgauer Künstler Johannes Gees inne. Johannes Gees ist 1960 in Romanshorn geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet in Zürich. Unter anderem war 2006 seine Installation «Interfacing Landscapes» im Kunstraum Kreuzlingen zu sehen. 2011 erhielt er einen Förderbeitrag des Kantons Thurgau. Neben der finanziellen Hilfe für Künstler gehe es auch darum, „dass sich Publikum und Künstler näherkommen“ sagt Gees im „Tagblatt“.

Mitmachen können alle, also auch jene, die wenig Geld haben. Auch für sie gibt es eine Belohnung. Belohnungen reichen von Dankeskarten, Namenseinblendungen bis hin zu Mitgliedschaften. Der Künstler lege im Voraus fest, welche Summe in welchem Zeitraum zwischen 30 und 90 Tagen er sammeln und wie er das Publikum dafür belohnen wolle, schreiben die Initianten in einer Mitteilung. Dabei behalte er die Kontrolle über sein Projekt und könne es schnell und unbürokratisch realisieren.

Der Aufbau von wemakeit.ch wird übrigens unterstützt von der Ernst Göhner Stiftung, dem Migros-Kulturprozent und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.

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Hier geht‘s zu wemakeit.ch

Weitere Crowdfundingplattformen in der Schweiz (ab Mitte Februar) 100-days.net und in den USA (unter anderen) Kickstarter.com

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Hoffnung auf mehr Drittmittel

Der Thurgauer Kulturamtchef René Münz begrüsst die Crowfundingplattform wemakeit.ch als "eine ausgezeichnete Ergänzung zur bisher üblichen privaten und öffentlichen Kulturförderung". Sie ergänze die bisherigen Möglichkeiten mit den Mitteln der neuen Kommunikationstechnologie. "Grundsätzlich wird sich vermutlich aber an der bisherigen öffentlichen Kulturförderung nicht viel ändern", beantwortet Munz eine entsprechende Frage von thurgaukultur.ch. Die kantonale Kulturförderung geschehe aufgrund der Kantonsverfassung schon immer subsidiär zu Gemeinden und Privaten. Deshalb habe der Regierungsrat zum Beispiel in der Verordnung über die Verwendung der Mittel aus dem Lotteriefonds schon immer zur Bedingung gestellt, dass sowohl Eigenleistungen erbracht werden als auch sich alle Gesuchsteller um Mittel der Gemeinden sowie Dritter bemühen müssten.

"Zu hoffen ist", sagt René Münz, "dass sich solche Drittmittel mit der Möglichkeit des Crowdfunding breiter finden lassen und dass sich neue Kanäle öffnen für die Finanzierung von Kulturprojekten. Es wäre nur zu begrüssen, wenn dadurch die Kulturfinanzierung insgesamt auch ein bisschen unabhängiger würde von der öffentlichen Kulturförderung." Für den Kanton gälten aber selbstverständlich auch weiterhin die qualitativen Kriterien für die Unterstützung kultureller Projekte, wie sie im kantonalen Kulturkonzept festgehalten seien. (ho)

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