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30.05.2012

Von traditionell bis neu und atonal

Von traditionell bis neu und atonal
Die Sopranistin Irina Ungureanu bei einem Auftritt. | © Francesca Pfeffer, compozitorii.blogspot.com

Die Sopranistin Irina Ungureanu tritt zweimal im Rahmen von manthan[west] beim forum andere musik auf. Die künstlerischen Facetten der 27-Jährigen haben viele Klangfarben.

Brigitta Hochuli

Mit vier Jahren hatte sie den ersten Geigenunterricht, mit 16 entschied sie sich für den Gesang, nachdem sie in einer Band zusammen mit Stephan Eicher in der Kartause Ittingen mitgewirkt hatte. Als Zweieinhalbjährige kam sie mit ihren Eltern aus Bukarest nach Deutschland, als Viereinhalbjährige in die Schweiz, wo sie in Frauenfeld aufwuchs. Von hier aus fuhr der Vater, ein Bratschist, nach Zürich ins Tonhalle Orchester, hier arbeitet die Mutter als Geigenlehrerin heute noch an der Musikschule. Das Rumänische fühlt sich als Sprache in ihrem Herzen heimisch. In der hochdeutschen Muttersprache hat sie aber den grössten Wortschatz. Rumänische Volkslieder singt Irina Ungureanu höchst unkonventionell zusammen mit ihrer Band „Grünes Blatt“. Der Name ist der Anfang vieler Lieder ihres Herkunftslandes. „Grünes Blatt“ hat vor einem Jahr unter dem Titel „Thirteen Ways" die erste CD produziert, finanziell unterstützt von der Kulturstiftung des Kantons Thurgau.

Seit einem Jahr ist Irina Ungureanu Gesangslehrerin an der Pädagogischen Maturitätsschule (PMS) in Kreuzlingen. Jetzt lernt man sie hier auch als Künstlerin kennen. Bei manthan[west] stellt sie sich am 1. Juni im Kunstraum der Thurgauischen Kunstgesellschaft vor. An den manthan-Abenden zeigen gemäss Konzept Menschen die kreativen Aspekte ihrer Arbeit, ihres Denkens, ihrer Methoden und Prozesse auf - dies möglichst auf der Spur eines „missing link“ zu einem unerklärten Phänomen. Diese Versuchsanordnung hat Irina Ungureanu in der Vorbereitung zu ihrer Präsentation zwar nicht bewusst reflektiert. Aber sie scheint auf sie zugeschnitten zu sein. Die Bandbreite ihrer künstlerischen Ausdrucksweisen ist neben dem Unterrichten riesig und reicht von alter zu neuer Musik, vom klassisch vibrierenden Gesang zur rumänischen Volksmusik und von der Theatermusik bis hin zur alles sprengenden Performance. „Sie lotet Extreme aus“, hiess es in einer Konzertkritik.

Tiefe genug?

Extreme auszuloten birgt Gefahren. Das sagt sich auch Irina Ungureanu. Deshalb wird die Spannweite ihrer Musik bei manthan das zentrale Thema sein. „Ich habe mich schon oft gefragt, ob es nicht besser wäre, mich auf eine einzige Richtung oder eine einzige Szene zu konzentrieren“, sagt sie im Gespräch in einem kleinen Musikzimmerchen der PMS. „Verzettle ich mich? Habe ich bei allem Tiefe genug?“ Andererseits würde ihr etwas fehlen. So probiert sie das, was sie gerade beschäftigt, so gut wie möglich zu machen. „Ich bin jung, ich kann noch nicht von der Warte von Musikern aus urteilen, die schon 20 Jahre Erfahrung haben.“ Wichtig ist ihr vor allem, dass Qualität und Intensität vorhanden sind – egal wo ihr künstlerischer Weg noch hinführen wird.

Vielseitigkeit als Markenzeichen

Mittlerweile ist es gerade die Vielseitigkeit von Irina Ungureanus Stimme und Gestalten, die zu ihrem Markenzeichen werden könnte. Oft werde sie deswegen für Projekte angefragt, „weil nicht eine ausschliesslich klassische Stimme aus mir strömt“. „Es ist ziemlich toll, so weit wie möglich selber zu bestimmen, was man macht.“ Ihr Eigenes beisteuern kann sie auch beim Quintett „Grünes Blatt“. Dessen Arbeitsweise kommt Irina Ungureanu entgegen. Auch instrumental sei von rauh bis fein und sphärisch, von traditionell bis neu und atonal die Herausforderung der Interpretationen recht gross. „Aber das ist unsere Idealvorstellung, es stimmt, wir loten gerne Extreme aus.“ Am Auftritt des Quintetts am 9. Juni im Kunstraum wird sich der Anspruch von manthan[west] messen lassen können, der Ergänzung und Verbindung erreichen will „von der Metaebene der Reflexion über Entwicklungs- und Entstehungsprozesse zum sinnlichen Erlebnis, der Rezeption und Diskussion der Werke, die die Gäste aus dem Bereich Musik in einem Konzert präsentieren“.

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1. und 9. Juni, jeweils 20 Uhr, im Kunstraum Kreuzlingen, Bodanstr. 7a

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Zur Person

Irina Ungureanu wurde 1984 in Bukarest geboren. Ihre Interessen gelten insbesondere der freien Improvisation, der alten und der neuen Musik, der rumänischen Volksmusik und der Theatermusik. Im Alter von fünf Jahren erhielt sie ersten Geigenunterricht von ihrer Mutter Cristina Ungureanu und kam in der rumänischen Volksmusikgruppe ihres Vaters Marius Ungureanu früh mit der Bühne in Kontakt. Von 2001 bis 2004 nahm sie Gesangsstunden bei Martina Bovet in Zürich und von 2004 bis 2008 studierte sie (zeitweise als Stipendiatin der Lyra Stiftung und der Friedl Wald Stiftung) Gesang bei Jane Thorner-Mengedoht an der Zürcher Hochschule der Künste und schloss ihr Studium mit dem Lehrdiplom ab, für das sie den Preis der Berti Alter-Stiftung erhielt. 2006 erreichte sie die Finalrunde des «Concours Nicati». Weitere wichtige Anregungen erhielt sie von Lauren Newton und Andrew Morrish. Sie ist Gründungsmitglied zweier Trio-Formationen, die sich in unterschiedlicher Art beide mit rumänischer Volksmusik, neuer und improvisierter Musik auseinandersetzen: dem Trio Tafeal mit Teresa Hackel (Blockflöten) und Simone Keller (Klavier) sowie dem «Grünen Blatt»mit dem E-Gitarristen Urs Vögeli und dem Kontrabassisten Dominique Girod. Mit ihrem Soloprogramm «dezvaluiri» trat sie 2007 in Bukarest an der «Woche für zeitgenössische Musik» und am Festival «culturescapes Rumänien» in der gare du nord in Basel auf. An Festivals wie dem «Jazz Festival Montreux», an den «World Music Days» in Luxemburg und an der «Expo 2002» sowie an vielen weiteren Gelegenheiten trat sie mit Künstlern wie Karel Boeschoten, Stephan Eicher, Roger Girod, Räto Harder, Fritz Hauser, Lucas Niggli, Marius Ungureanu und vielen anderen auf. An mehreren Theaterproduktionen war sie verantwortlich für die Musik und arbeitete dabei eng zusammen mit den Regisseuren Katarina Gaub und Stephan Roppel vom Theater an der Winkelwiese Zürich, sowie u.a. den Schauspielern Vivianne Mösli und Hansrudolf Twerenbold, mit dem sie auch mehrere musikalische Lesungen gestaltete. 2005 entstand die CD «Linu-i lin, Irina & DRUM» mit rumänischer Volksmusik und freier Improvisation. Später folgten CD-Produktionen mit dem Schauspieler Imo Moszkowicz, der Organistin Nicoleta Paraschivescu und dem Vokalensemble für improvisierte Musik millefleurs. (www.triotafeal.ch)

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