von Brigitta Hochuli, 28.09.2012
Kunstmuseum Thurgau: Mit 16 Millionen in die Challenge League

Das bestehende Museum in der Kartause Ittingen muss saniert werden und erhält einen Erweiterungsbau. Nicht zuletzt sollen damit die Besucherzahlen erhöht werden.
Brigitta Hochuli
Pressekonferenz in Weinfelden:
● „Wir wollen in die Challenge League“, sagt Jakob Stark, Regierungsrat und Chef des kantonalen Departements für Bau und Umwelt.
● Die Besucherzahlen seien insgesamt rückläufig und betrügen zuletzt um die jährlich 32‘000, ergänzt Monika Knill, Regierungsratspäsidentin und Chefin des Departements für Erziehung und Kultur. Die Strategie: Zwei Museen, ein Ort. Zudem solle die Museumssammlung mehr Gewicht erhalten und mit Aufträgen an zeitgenössische Künstler „eine verstärkte Ausstrahlung“ erreicht werden. Alleinstellungsmerkmal sei und bleibe auf Grund von Expertisen die Einbettung des Kunstmuseums in die historische Kartause Ittingen.
● Weil der geplante Erweiterungsbau und die Ausstellungsräume im bestehenden Museum bautechnisch voneinander abhingen, müsse deren Sanierung gleichzeitig mit dem Neubau vorgenommen werden - der Klimaregulierung, des Brandschutzes und der Sicherheit wegen, erläutert Kantonsbaumeister Markus Friedli.
● Für die Volumina zeitgenössischer Kunst brauche es heute andere räumliche Gegebenheiten als noch zu Zeiten des Biedermeier, stellt Robert Fürer als Vizepräsident der Stiftung Kartause Ittingen und Bauherr klar. Auf den je 64 Quadratmetern der vor 30 Jahren gebauten Ausstellungsklausen (Nummer acht bis 14) habe das Iglu eines Mario Merz keinen Platz. Mit einem Wettbewerb habe man zudem die Architekturfrage schon im Jahr 2000 antizipiert und nach der Pensionierung des Ehepaars Guyer in Harder&Spreyermann neue ständige Baumeister gefunden (siehe Interview weiter unten).
Sanierung: 4,6 Millionen Franken über Kantonsbudget 2013
Eine umfassende Klimasanierung der bestehenden Ausstellungsräume ist unter Leitung des Hochbauamtes des Kantons Thurgau durch das Architekturbüro Antoniol+Huber+ Parter erabeitet worden. Das Projekt ist mit 4,6 Millionen Franken veranschlagt, die im November mit dem kantonalen Budget 2013 und separater Botschaft dem Grossen Rat als Objektkredit beantragt werden.
Die klimatischen Bedingungen im gesamten Museumsbereich würden im Neubau am strengsten sein, heisst es im Projektbeschrieb. Eine Pufferzone stelle der Kreuzgang mit den Ausstellungsräumen Nord dar, das historische Museum bleibe unverändert. Da die betrieblichen Kosten gesenkt werden sollten, müssten der Luftwechsel und die Heizkosten möglichst tief gehalten werden. Insgesamt könne durch die Sanierung der Energieverbrauch um 75 Prozent gesenkt werden.
600 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche
Gleichzeitig mit der Sanierung wird der Erweiterungsbau des Kunstmuseums vorgenommen. Er soll eine „nachhaltige und zukunftsgerichtete Entwicklung mit attraktiven Ausstellungen“ ermöglichen. Ein Vorprojekt wird zurzeit durch das Zürcher Architekturbüro Harder&Spreyermann zu einem Detailprojekt weiterentwickelt. Es soll der Stifuntung Kartause Ittingen im November zur Genehmigung vorgelegt werden. Begleitet wird die Arbeit auch durch den Chef des Hochbauamts Markus Friedli und durch die Chefin des Amtes für Denkmalpflege Beatrice Sendner. Die Pläne sehen einen langgezogenenen Holzbau zwischen den Ausstellungsklausen und der Kostermauer im sogenannten Nordhof der Kaurtause vor; darin sollen zusätzliche 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen werden. Bauherrin ist die Stiftung Kartause Ittingen.
Ins Innere des Erweiterungsbaus kommen zwei Endräume (wovon der östliche mit Aussenbezug), daran anchliessend mittegrosse Ausstellungsräume und in der Mitte ein grosser Raum zu liegen. Das asymmetrische Giebeldach schaffe Höhe, ein durchgehendes Oblicht die nötige Helligkeit, so der Projektbeschrieb. Das ganze Gebäude soll mit einer unbrennbaren schwarzen Holzkonstruktion verkleidet und an zwei Stellen mit dem bestehenden Museum verbunden werden. Zusätzlich soll vor dem heutigen Eingangsbereich mehr Übersicht herrschen. Baubeginn ist im Mai 2013, Fertigstelllung im März 2014.
9 Millionen aus dem Lotteriefonds, 2,25 Millionen Stiftungsbeitrag
Die Stiftung Kartause Ittingen beteiligt sich mit eigenen und akquirierten Mitteln in der Höhe von 2,25 Millionen Franken an den Baukosten, die Regierung bewilligt reglemtskonform 9 Millionen Franken - also 80 Prozent der Gesamtsumme von 11,25 Millionen - aus dem Lotteriefonds. Dieses Modell sei ein symbiotisches, sagt Regierungsrat Jakob Stark. Gemäss Stiftungs-Vizepräsident Robert Fürer entspricht es der langjährigen Praxis. Bei der Sanierung der Kartause Ittingen 1979 bis 1982 hätten Stiftung und Kanton vereinbart, dass die Stiftung baue und der Kanton an die Erstellungskosten einen substanziellen Beitrag aus dem Lotteriefonds leiste, dafür aber keinen Mietzins bezahle, erklärt Fürer gegenüber thurgaukultur.ch. Das sei „thurgauisch pragmatisch“, schreibt das Departement für Bau und Umwelt in der Einleitung zum Projektbeschrieb.
Mit Einsprachen sei nicht zu rechnen, sagt Robert Fürer. Die Kartause sei eine Klosterzone; zuständig sei der Kanton und nicht die Gemeinde. „Wir befürchten nichts“.
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„Bescheidene Ergänzung“
Interview mit Robert Fürer, Vizepräsident des Stiftungsrates Kartause Ittingen
Herr Fürer, für den Neubau will die Regierung 9 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds zur Verfügung stellen. Das sind 80 Prozent der Gesamtfinanzierung. Die Bauprojektierung des Kunstmuseums ist im Gang und wurde der Geschäfts- und Finanzkommission (GFK) und der Kulturkommission zusammen mit dem Sanierungsprojekt bereits vorgestellt. Wie waren die Reaktionen? Gefällt das Neubauprojekt?
Robert Fürer: Die Präsentationen bei der GFK und bei der Kulturkommission haben zu durchaus positiven Reaktionen geführt. Ich denke, dass sich die GFK bei der Beratung des Budgets 2013 für das Projekt einsetzen wird.
In Gesprächen wird die Frage gestellt, ob für diesen Prestigebau nicht ein neuer Wettbewerb sinnvoll gewesen wäre. Bauen in der Kartause Ittingen ist nach Ihrer Aussage gemäss 30jähriger Usanz aber Sache der Stiftung. Ein Architekturwettbewerb mit garantierten Nachfolgeaufträgen an das Büro Harder&Spreyermann sei erfolgt. Gibt es noch andere Argumente für den Verzicht auf einen erneuten Wettbewerb?
Robert Fürer: Vorweg: Wir planen keinen Prestigebau. Ich höre dieses Wort zum ersten Mal. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wünschen eine Erweiterung des Kunstmuseums, die sich als bescheidene Ergänzung und nicht als selbstverliebte Selbstdarstellung präsentiert. In der Kartause Ittingen wurde immer gebaut und wird immer gebaut werden. Wie bei Dom- und Kathedralbauten empfiehlt sich deshalb das Prinzip der Bauhütte: über längere Zeit trägt ein Baumeister die Verantwortung. Von 1983 bis 1999 waren Esther und Rudolf Guyer Baumeister. Seit im Jahr 2000 Regula Harder und Jürg Spreyermann aus einem Architekturwettbewerb als Sieger hervorgegangen sind, sind sie unsere Baumeister. Dieses Prinzip hat wesentliche Vorteile: Kenntnisse des Gesamtobjektes, Erfahrung mit der Denkmalpflege, Einsatz der Betriebshandwerker und so weiter. Die Stiftung Kartause Ittingen will nicht bei jedem Bauvorhaben neue Architekten. Diese Darstellung hat sowohl der GFK als auch bei der Kulturkommission eingeleuchtet.
Die Sanierung des bestehenden Museums kostet gemäss Regierungsrat Jakob Stark 4,6 Millionen Franken und gelangt über das Budget in den Grossen Rat. Warum wird die Finanzierung des Neubaus mit Lotteriefonds- und Stiftungsgeldern anders gelöst?
Robert Fürer: Das ist ein Ausfluss aus dem Prinzip, dass der Kanton der Stiftung keine Miete bezahlt. Ein weiterer Grund besteht darin, dass die Stiftung keine Rückstellungen für Sanierungen machen kann, wie das bei normalen Mietverhältnissen der Fall ist. Daraus folgt, dass der Mieter für die nötigen Sanierungen aufzukommen hat. (ho)

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