ein Videoclip aus dem Thurgau sorgt gerade für Furore im Netz. Eine Kamera schwebt über Weinfelden, Schlager-Pop-Rhythmen pirschen sich ans Ohr des Hörers und dann taucht von unten ein grauhaariger Mann mit Brille ins Bild auf und singt grob zusammengefasst über seine Liebe zu Weinfelden und warum er nirgendwo anders leben und, nun ja, lieben könnte. Das klingt dann im Refrain zum Beispiel so: „Wiiiiiiiiiifälde ist für mich der richtige Platz und dort finde ich meinen goldigen Schatz/denn in Wiiiiiiiiifäälde hat mein Herz einen Ankerplatz". Ja gut. Kann man machen. Der grauhaarige Mann mit Brille trifft mit seinem Song aber offenbar einen Nerv. Auf YouTube wurde der Clip rund 26.000-mal angesehen, auch auf anderen Videoportalen läuft es ähnlich gut für Dä Brüeder vom Heinz. Im richtigen Leben heisst der Musiker Manfred Fries und freut sich über seinen Überraschungs-Hit.
Es ist ein ganz eigener Beitrag zu einem Megathema unserer Zeit: Heimat. Ständig wird irgendwo darüber gesprochen, dabei ist nicht mal ganz klar, was dieses Ding eigentlich sein soll. Folgt man Debatten dazu, dann bekommt man nicht selten den Eindruck, dass doch jeder etwas anderes darunter versteht. Also: Was ist Heimat? Bezeichnet das Wort den Herkunftsort? Und wenn ja, ist es wirklich nur der Ort oder gilt auch die Region drumherum als Heimat? Oder meint man den aktuellen Wohnort, wenn man von Heimat spricht? Oder ganz anders: Ist es allgemein gesprochen eher ein spiritueller Begriff, losgelöst von jeder Geographie, also ein Wohlfühlort an dem man sich emotional Zuhause fühlt, ohne dass man zwangsläufig jahrelang dort gelebt haben muss? Wen man auch fragt, die Ansichten sind da unterschiedlich. Der weltreisende Hans-Ulrich Obrist beispielsweise hat im Interview mit thurgaukultur.ch beispielsweise den schönen Satz gesagt: „Heimat ist da, wo ich gerade bin". Das spricht für ein eher nüchternes, unromantisches Verständnis des Begriffs.
Etwas mehr Pathos gibt es bei Johann Gottfried Herder. Ihm wird der Spruch zugeschrieben: „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss." Moritz Leuenberger, früherer Schweizer Bundespräsident hatte eine eigene Formel für seine Heimatdefintion: Heimat entstehe nicht durch Abgrenzung, „sondern durch Verbundenheit, durch Anteilnahme und durch Mitwirkung."
Man kann sich der Heimat also auf verschiedenen Wegen nähern. Auf Bauchhöhe, wie es Dä Brüeder vom Heinz mit seinem Song Wyfelde tut. Oder auch auf Kopfhöhe, wie es die Künstlerin Sonja Lippuner noch bis Ende dieser Woche in der Remise Weinfelden tut. Die Ausstellung heisst „Paradise Island oder wie wir leben wollen" und nimmt sich des ganzen Heimatkomplexes angenehm anregend an. Wer die Ausstellung gesehen hat, bekommt jedenfalls neue Ansichten und Inspiration frei Haus geliefert.
Ach und nochmal kurz zum Brüeder von Heinz. Es war ja nur eine Frage der Zeit bis sich andere Städte dadurch herausgefordert fühlen würden. In Romanshorn bereiten sie schon einen eigenen Song vor. Die ersten Zeilen hat David Gyolay auf Facebook bereits formuliert: "Romanhorn die Hafestadt am Bodesee isch wunderbar/S Wätter isch im Summer so wie s Wasser, eifach sunneklar/D Läbesqualität isch Top, da weiss mer sogar ohni luege/"dä Brüeder vom Heinz" wott doch sälber da e Wohnig sueche.."
In diesem Sinn, viel Freude beim Weiterdichten.
Kommen Sie gut durch diese Woche. Es gibt wieder viel zu erleben. In der Heimat und überall sonst.
Herzlichst, Ihr Michael Lünstroth |