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von Hans Gysi, 08.07.2015

sommer vorm balkon

sommer vorm balkon
Sommers sind wir am Wind - es sei denn, er regte sich nicht. | © Hans Gysi


warum sommergedichte? wegen dem barfussgang, - die energie der sonne, der bodensee wird wanne, gen süden, weite horizonte, zeit ohne stundung, faul sein, lange tage, das hereinbrechen der dämmerung.

Hans Gysi

sommer vorm balkon

den sommer liken wir wie nichts
der sommer ist luftig und licht
sommers ist farbe und die erde leicht
es atmet der schatten kühl
und es gibt sandalen und flip flops
die grenzen sind offen
sommers kaufen wir grenzenlos
sommers stirbt es sich schwerer

das fleisch am brüten die kohle am heizen
die stiele am eis o ja sommers
singen wir hell wir schwatzen schwanzen
und wagen ein tanzbein auf der au
ja sommers ist alles dufte
die mukke brummt vom see
schweiss fliesst aus den poren
das körpebedecken nimmt ein ende

 

*

sommers gibt es kultur nicht zu knapp auf
der burg am see in scheunen oder matten
und out in the green die birnen winken
der bär ist los sommers hallt der applaus
und wir reizen es aus feste sind sommers
zelte reihenweise die zapfhahne krähn
stehn parade oder moussierender wein
sommers kriechen wir im schatten

der sommer ist ein grosser rufer: ahoi segel setzen! (Bild: Hans Gysi)

*

sommers wandern wir flach mangel
an berg und meer kennen wir nicht
so sommerschnorchel wie wandersocke
kalkweiss lockt die ägäis kapital spielt jetzt keine
rolle weizen und trauben reifen
sommers sind wir am dorst im grünen forst
sommers kracht der blitz und die ewigkeit
hält ein gewitter lang ihren atem an

 

*

sommers gibt es kolonnen es
wechseln kegelregen mit hitzewürfeln
sommers flimmern die birkenblätter
kühe kühle und schweiss wechselweis
sommers ist blau eine himmelsfarbe
ein bier mit der nachbarschaft liegt drin
sommers fallen die hüllen zum teil
unvermittelt erstickt ein helles lachen

 

*

sommers brütet man schwer im stuhl
die bad news sind fern aber die badi ist nahe
schwer und gedankenlos hocken trocknen die körper
und knopfaugen schauen auf verdorrte erdkruste
mit einer angenehmen leere im kopf
sehn wir die schiffe vorbeiziehen
der sommer ist ein grosser rufer
ahoi segel setzen
sommers sind wir am wind

Hans Gysi (62) hat in Zürich eine Lehrer- und eine Schauspielausbildung gemacht. Als freischaffender Regisseur von Frühlingserwachen bis zur Kleinbürgerhochzeit inszeniert & als Schauspieler und Autor gearbeitet. Teilpensum in Berufsschule. Verschiedene Preise und Unterstützungen. Lebt über 25 Jahre im Thurgau. Unterhält das theaterbureau gysi. Veröffentlichungen „pocket songs“ und „generalprobe“ im Verlag edition 8.


***

Bisher erschienen:

here I am (hier bin ich) - thurgaukultur.ch vom 24.06.2015


***

Mehr zum Thema:

Lyrik für den Alltag - thurgaukultur.ch vom 13.05.2015

 

 

www.hansgysi.ch

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