von Brigitta Hochuli, 30.12.2010
Drei Fragen an...

... den Amriswiler Stefan M. Seydel zum Ende von rebell.tv und zum Neuanfang mit dem zur dfdu ag gewandelten Unternehmen durch seine Frau Tina Piazzi.
Brigitta Hochuli
Herr Seydel, heute, 31. Dezember 2010, Mitternacht, schalten Sie Ihr rebell.tv ab. In einem aktuellen Artikel in der deutschen „Die Welt“ ist die Rede von der „Langzeit-Performance eines Sozialarbeiters im Web 2.0“. Wie lautet Ihre persönliche Bilanz?
Stefan M. Seydel: Dass wir anders weitermachen, ist die Konsequenz einer ökonomischen Bilanz. Ansonsten gilt, was Grossväterchen Heinz von Förster wusste: "Anfänge und Enden sind Interpunktionen." Übrigens: Der Dauerperformer Bazon Brock hat in Freiburg unseren Abschluss so kommentiert: "Freiheit ist, sich den Bedingungen des Lebens anzupassen."
Rebell.tv geht nun in „Die Form der Unruhe“ (http://dfdu.org) über. Erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern, die Ihre letzten Blog-Einträge verpasst haben, was sie erwartet?
Seydel: "Stets der Empfangende bestimmt den Inhalt einer Botschaft", wusste mein Bruder im gleichen P.E.N-club (www.pen-club.li), Paul Watzlawick. Ich habe mich nie ums Senden interessiert. ich habe mich immer bemüht, keine billigen Erwartungen zu bedienen. Mit Tina Piazzi habe ich mich darum interessiert, wie sich menschliche Kommunikation wandelt, wenn sich bits (Nullen und Einsen) in Sprache, Bilder, Töne einloggen. (Das Wort "blog" und die Tätigkeit "bloggen" weisen auch auf diesen sensationellen Umstand hin.)
Sie haben sich nun über drei Jahre lang hauptberuflich mit rebell.tv befasst, sind gereist, haben sich mit Grössen der Kunst, Philosophie und Soziologie getroffen, haben täglich gebloggt, kommentiert, dokumentiert - was tritt nun an die Stelle dieser Arbeit?
Seydel: Ich bin Sozialarbeiter und ich werde weiterhin am Sozialen arbeiten. Aber nicht mehr im eigenen Unternehmen (ich bin mich am Bewerben). Tina Piazzi wird mit dem zur dfdu ag gewandelten Unternehmen weiter machen: konstellative kommunikation. In Band 2 von "die form der unruhe", Kapitel 4, haben wir dazu einiges ausgeführt. Wer am Nachmittag vom 1. Januar http://rebell.tv eingibt, wird ein Bild sehen. Eine Konstellation. Gegenstände, welche von Tina Piazzi in bestimmt bestimmender Beziehung zueinander abgelegt worden sind. Wir behaupten, das sei ein Protoyp einer typischen "web 3.0-site". Dirk Baecker hat in Band 1 von "die form der unruhe" (gefördert von der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. d!a!n!k!e!) geschrieben: «Nur die Kontroverse informiert darüber, welche
Beobachterperspektiven an welcher Sache im Ablauf welchen Prozesses welche Art von Interesse haben. Wenn diese Informationen nicht in einer dauernden Bewegung und damit Bewährung an sich selbst sind, kann man schlechterdings nicht wissen, woran man ist.» Das Bild - tatsächlich werden es drei Bilder sein! - ist ein Versuch, diese Relationen zu explizieren (und damit der Kritik zugänglich zu machen). Nei!nein! Das ist gar nicht so kompliziert wie es tönt: bloss hingucken und selber weiter denken!

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