von Inka Grabowsky, 20.07.2014
Mehr als Seemuseum
Das Seemuseum im Seeburgpark Kreuzlingen entwickelt sich noch stärker zum Multispartenbetrieb. Seit dem 9. Juli ist es nicht mehr nur Museum, Veranstaltungsort und Wohnraum, sondern auch ein Café. Die Besucherzahl stieg 2013 von 5000 auf 7000! Museumsleiter Walo Abegglen zieht im Gespräch Bilanz.
Interview: Inka Grabowsky
Herr Abegglen, das Seemuseum finanziert sich durch Mieteinnahmen der Stiftung, zusätzlich durch Beiträge der Stadt, der Stiftungsmitglieder und der Sponsoren. Soll das neue Café auch einen Return-on-Investment bringen, oder ist es eher als Marketingmassnahme zu betrachten?
Viel Geld ist mit dem Kafi sicher nicht zu verdienen. Aber wir haben auch nur wenig Geld riskiert: Etwa 3000 Franken mussten wir für Mobiliar und eine Grundausstattung ausgeben. Bei Kaffeemaschine, Theke und Kühlschrank haben uns verschiedene Sponsoren unterstützt. Unser ehrenamtliches Team bekommt nur die Materialkosten erstattet. Wir arbeiten alle gemeinsam daran, das Seemuseum noch attraktiver zu machen. Dabei ist das Kafi ein wichtiges Glied in einer Kette von Massnahmen zur Steigerung der Empfangsqualität. Das „West-Ost-Gefälle“ im Seeburgpark mit vielen Besuchern am Hafen und wenigen an der Seeburg soll aufgebrochen werden.
Sie haben für das vergangene Jahr schon eine hübsche Bilanz aufzuweisen. Die Zahl der Besucher stieg von 5000 auf 7000. Die Sonderausstellung „FisCHe“ hat aber auch besonders viele Schulklassen angezogen. Um den Standard zu halten, muss noch mehr angeschoben werden als nur das Café, oder?
Die FisCHe-Ausstellung war ein Türöffner, der uns vertieften Kontakt zu den Schulen verschafft hat. Die Primarschulgemeinde Kreuzlingen ist nun ein Partner, der uns jährlich 2000 Franken zahlt, und dafür für 15 Klassen freien Eintritt erhält. Das ist für uns Ansporn, bei allen unseren Ausstellungen an die Schulrelevanz zu denken. In Bezug auf Einzelbesucher arbeiten wir an unserer Sichtbarkeit: Ein Baum zwischen dem Museum und der Seepromenade wurde in Absprache mit Naturschützern gefällt, ein Werbebanner gehisst – jetzt können Spaziergänger wahrnehmen, dass es uns gibt.
Und inhaltlich?
Der wichtigste Punkt ist sicher unser Programm. Die Reihe „Seeblicke“, bei der Bodensee-Experten aller Couleur Vorträge halten, zieht viele Besucher an. Und unsere neue Sonderausstellung mit See- und Wasserbildern des Malers Willi Oertig ab 23. August ist eine würdige Nachfolgerin der „FisCHe“. Sie ist absolut besuchswürdig. Kurz- und mittelfristig sind wir also auf gutem Weg. Auf lange Sicht müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern und insbesondere mit der Stadt Kreuzlingen einen Weg finden, die Dauerausstellung attraktiv zu halten. Damit das Museum nicht verstaubt, sind neue Konzepte und Investitionen nötig.
Mit den „FisCHen“ konzentrierte sich das historische Seemuseum auf die Naturkunde. Jetzt mit Willi Oertig machen Sie den Kunstgalerien Konkurrenz. Fürchten Sie nicht, sich zu verzetteln und Profil zu verlieren?
Wir haben insofern ein klares Profil, als dass wir uns – entsprechend der Stiftungsurkunde – immer auf die Region und den Bodensee konzentrieren. Eine Kunstausstellung, die nichts mit dem See zu tun hat, würde unsere Grenzen eindeutig überschreiten. Ausserdem versuchen wir, uns klar vom Museum Rosenegg abzugrenzen. Wir wollen uns ergänzen, nicht konkurrenzieren.
Sie sind seit rund zwei Jahren Museumsleiter mit einer halben Stelle. Daneben haben Sie noch ihren Beruf als Geschichtslehrer auszufüllen. Als Kreuzlinger Gemeinderat sind Sie nun nach 19 Jahren zurückgetreten. Kann es sein, dass das Seemuseum doch mehr Ihrer Zeit beansprucht als eigentlich geplant?
Im Museum stehen uns insgesamt 165 Stellenprozente für die professionelle Arbeit zur Verfügung. Das ist eigentlich zu wenig. Unsere Ehrenämtler bringen aber bestimmt noch einmal 80 Prozent auf. Trotzdem ist man als Verantwortlicher gelegentlich am Anschlag. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die einen Grossteil der Zeit beanspruchen. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch nicht auf mein 35%-Pensum als Hauptlehrer an der Pädagogischen Maturitätsschule verzichten. Zwischen beiden Aufgaben haben sich fruchtbare Synergien ergeben.
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Das Café ist als Gelegenheitswirtschaft (mit Alkohol) mittwochs, freitags, samstags und sonntags jeweils von 13.30 bis 17 Uhr geöffnet. Ehrenamtliche Helferinnen bieten dort an vier Nachmittagen pro Woche Erfrischungen und Leckereien wie selbstgebackene Kuchen oder den Wein an, der im Seeburgpark wenige Meter vom Museum entfernt wächst. Das Museum ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr zu besichtigen. Ab Oktober gelten neue Öffnungszeiten.
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Von Inka Grabowsky
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