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von Brigitta Hochuli, 26.09.2012

„Man neigt dazu, den Job zu unterschätzen“

„Man neigt dazu, den Job zu unterschätzen“
„Hier treffe ich auf andere Generalisten, und das macht Spass!“, sagt die neue Leiterin des Kultursekretariats im Eisenwerk Frauenfeld, Claudia Rüegsegger. | © Brigitta Hochuli

Claudia Rüegsegger leitet neu das Kultursekretariat im Eisenwerk Frauenfeld. Dabei kommt der Theaterschaffenden der Hang zum Generalistentum zugute.

Brigitta Hochuli

Am Wochenende ist viel los im Eisenwerk: Am Donnerstag steigt das Waldgut-Lyrikfest von Beat Brechbühl, am Freitag sinkt die „Tittanic“, am Sonntag ist Familien-Workshop in der Shedhalle und beginnt die Konzertreihe des Jazzfestivals generations 2012. „Das ist durchaus courant normal“, sagt Claudia Rüegsegger, die als Leiterin des Kultursekretariats seit April hinter den diversen Kulissen die organisatorischen Fäden zieht. Zurzeit bereitet sie das Novemberprogramm vor, da sei die Frequenz genau so dicht. Im Eisenwerk seien eben mehrere Anbieter am Werk: die drei hauseigenen VorStadttheater, Verein Pro Eisenwerk und Verein neuer Shed, zudem die Eisenbeiz und externe wie zum Beispiel das „generations“.

Seit 25 Jahren mit Theater unterwegs

Claudia Rüegseggers 50-Prozent-Job in Frauenfeld ist zunächst die Koordination der jährlich über hundert Veranstaltungen; hinzu kommt das Marketing des gesamten Kulturbetriebs. Vom ihrem Werdegang her würde man solche Fähigkeiten nicht als erste erwarten. Die 49-Jährige ist von Beruf Schauspielerin und seit 25 Jahren im Kanton St. Gallen mit Theaterprojekten unterwegs. Dafür wurde sie mit dem Anerkennungspreis 2011 der St. Gallischen Kulturstiftung ausgezeichnet, und nicht zuletzt sitzt sie in der Kulturkommission der Stadt St. Gallen. Seit 1986 leitet sie das Wiler momoll theater, seit zwölf Jahren arbeitet sie vermehrt als Regisseurin und Theaterpädagogin mit jugendlichen und erwachsenen Laien. Im Thurgau hat Claudia Rüegsegger übrigens zuletzt im März dieses Jahres als Regisseurin der Eigenproduktion «Potiche» des VorStadttheaters von sich reden gemacht.

Der selbe Gegenstand

Wir sitzen im Garten der Eisenbeiz, ein kurzer Ausflug an die spätsommerliche Sonne, hinaus aus ihrem grossen Büro im ersten Stock des alten und deshalb jetzt schon kühlen Industriegebäudes. Wie bringt eine leidenschaftliche Theaterfrau die Arbeit einer Sekretariatsleitung mit der Kunst unter einen Hut? Sie lacht - wie ihr die Begeisterung während des Gesprächs überhaupt permanent im Gesicht steht. "Für mich ist es die Beschäftigung mit dem selben Gegenstand, einfach mit anderen Mitteln. Künstlerische Prozesse oder deren Rahmenbedingungen gestalten - im Kern geht es ums Gleiche: Kultur ermöglichen." Und sie erzählt von ihren Anfängen als junge Schauspielerin, als sie als einzige im Team eine Schreibmaschine besass. Das Organisatorische lag ihr schon immer; während vieler Jahre engagierte sie sich auch kulturpolitisch in Theaterverbänden. Und so hat sie 2004 einen MAS der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) als Kulturmanagerin erlangt.

Beteiligungsort, nicht Konsumtempel

Für die Schreibmaschine hat sie das Zehnfingersystem wohlweislich schon als Zwölfjährige gelernt. Heute entwirft sie auf dem Mac Plakate und den Werbeauftritt, managet den komplizierten Belegungsplan der Eisenwerk-Veranstalter, koordiniert deren Angebote, verfasst den Newsletter, betreut die eigene Web- und die Facebookseite. „Man neigt dazu, den Job zu unterschätzen“, sagt sie. Sekretariat töne ja nach Kaffekochen, dabei erlebe sie hier die ganze herausfordernde Bandbreite des Kulturmanagements. Sie tauscht sich zudem gerne aus mit den vielen Mitarbeitern, den Helferinnen und Helfern, dem „Chlüngel“ von Werktätigen und Stammgästen, die im Eisenwerk ein- und ausgehen, und natürlich auch mit ihrer Vorgängerin Karin Herzog, die jetzt die Eisenbeiz leitet und, wie sie im Vorbeigehen erzählt, mit ganz neuen Schwierigkeiten und Erfolgserlebnissen konfrontiert ist.

Das war Claudia Rüegsegger schon immer wichtig: „Die Menschen im Team“. Deshalb gelte es, das Eisenwerk als einen Beteiligungsort mit vielen Freiwilligen zu bewahren und es nicht als Konsumtempel zu etablieren. Denn es sei schon ein ganz besonderer Ort - ein Ort des Austauschs, nicht nur der passiven Konsumation. Zeiträume, Ort und Publikum als Rahmenüberlegungen zum Theater spielen für sie eine wichtige Rolle. Sie sei geprägt von den 80er Jahren, der Zeit der Generalisten der alten Theaterschule. Und das sei denn auch der Link zum Eisenwerk: „Hier treffe ich auf andere Generalisten, und das macht Spass!“

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