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von Rolf Müller, 28.12.2014

Merci für die Hüppen

Merci für die Hüppen
Das Selfie zum Schluss: Schuran, Debrunner, Keller. | © Zora Debrunner

KellerSchuran in weissen Bademänteln – Udo Jürgens war Thema der Wochenschau, Frauenfelds Stapi-Wahl und magistrale Weihnachtslämpen. *Zora Debrunner brachte Tannzapfen für das Feuer unterm Hintern.

* Rolf Müller

Fein, dass Markus Keller und Uwe Schuran am Offensichtlichen nicht überaus interessiert sind. Kein Wort fiel bei der siebten Ausgabe der Wochenschau KellerSchuran darüber, dass leise der Schnee rieselt. Dafür traten die Late-Night-Talker wortlos in blütenweissen Bademänteln auf die Bühne; das Publikum realisierte sofort: Thema ist Udo Jürgens.

„Wie gefährlich sind Rühreier mit Speck?“

KellerSchuran behandelte seinen Tod absolut respektvoll und beleuchtete mit beissendem Witz vorwiegend die medialen Schauplätze. Von der schrägen Schlagzeile „Udo Jürgens überraschend am Bodensee gestorben“, dem letzten Zmittag („Wie gefährlich sind Rühreier mit Speck?“) über die Preise der Bademäntel bis zum Zeitungsbild vom Kameramann, der einsam vor dem Spital filmt – KellerSchuran kennt die Dossiers genau, läuft durch den intensiven Medienkonsum der Vorbereitung aber zuweilen auch Gefahr, sich etwas gar wohlig in der satirischen Medienkritik einzurichten.

Stand der Dinge: Uwe Schuran (links) und Markus Keller lassen im Udo-Jürgens-Bademantel Schlagzeilen Revue passieren. (Bilder: *Sascha Erni)


Musikalisch gekonnt waren Kellers Abwandlungen mit Gitarre von bekannten Jürgens-Gassenhauern wie „Ich war noch niemals in Aadorf“ oder „Merci Chérie, für die Hüppen und die Süssmostcreme“.

Alle Stapi-Kandidaten im Publikum

Andererseits: Das präzise Medienmonitoring führt vergnüglicherweise oft dazu, dass KellerSchuran und das wie immer zahlreiche Publikum im „Dreiegg“ eine verschworene Insider-Gemeinschaft bilden, gerade bei lokalen Polithemen. So nahm die Wahl des Frauenfelder Stadtpräsidenten im Frühling 2015 wiederum breit Raum ein. Mit relaxtem Selbstverständnis vermutet KellerSchuran gar, dass die Wochenschau das Zünglein an der Waage spielen könnte. Die Anwesenheit aller drei Kandidaten für das Amt an diesem Abend widersprach der gewagten Mutmassung zumindest nicht.

Starke Schwächen

Die Stärke der Wochenschau ist mitunter ihre relative Schwäche: Wer sich von einem ganzen Mitarbeiterstab produzierte Late-Night-Shows am TV mit Gags im Dutzend billiger gewohnt ist, muss lernen, Längen und Pausen und auch Fisimatenten mit der Technik auszuhalten. Das ist manchmal irritierend, aber auch wohltuend unaufgeregt und sympathisch. So stört es überhaupt nicht, wenn beispielsweise Schuran Keller an einer Stelle sanft erinnert: „Du wolltest noch etwas zur SVP sagen?“ – „Äh, nein, jetzt grad nicht“. Wenig später Keller: „Und noch etwas zur SVP…“.

Konzentration bei der Technik.


Immer toll sind die Videoeinspielungen. Hier geben KellerSchuran ihrem Faible für das Absurde richtig Auslauf. Beispielsweise mit der „zugespielten“ Go-Pro-Aufnahme der Kollisionsfahrt, welche der neu aufgestellten Lichtsäule beim Regierungsgebäude kürzlich das Genick brach (dass es sich bei der Haube des „Raserfahrzeugs“ um einen alten Volvo handeln muss, wie Keller ihn fährt, sei nur am Rande erwähnt).

Oder – ein Highlight – die wiederholten „Live-Einschaltungen“ eines Reporters von der regierungsrätlichen Weihnachtsfeier vor dem Haus von Kaspar Schläpfer, die wegen Eskalation der Geschehnisse abgebrochen werden mussten (man sah nur den Reporter und ein Haus).

Talk-Gast Zora Debrunner im Gespräch mit Uwe Schuran.

 

Talkgast der letzten Ausgabe der Wochenschau in diesem Jahr war die Autorin Zora Debrunner, die 2014 mit ihrem Blog „Demenz für Anfänger“ für den Grimme Online Award nominiert war und regelmässig auch für thurgaukultur.ch schreibt. Die 37-jährige Fachfrau Betreuung erzählte, wie sie die Sorge um die Demenzerkrankung ihrer Grossmutter vor zwei Jahren in eine Sprachlosigkeit trieb. Die Eröffnung des Blogs und das regelmässige Schreiben über ihre Innenwelt hätten ihr darüber hinweg geholfen.

Allerdings habe sie nie mit dem überwältigenden Interesse der Öffentlichkeit, schon gar nicht mit einer Grimme-Nomination gerechnet. „In Deutschland habe ich zum Thema eine hohe Wertschätzung erfahren. In der Schweiz war das bisher nicht der Fall“, so Debrunner.

Buchvertrag mit dem Ullstein-Verlag

Unterdessen erhalte sie oft lange Mails von Menschen, die ihr von Erfahrungen mit der Demenzerkrankung von eigenen Angehörigen berichten. Die Aktualität des Themas hat auch der renommierte Ullstein-Verlag erkannt: 2015 erscheinen Auszüge ihres Blogs in Buchform.

Ihre Grossmutter lebt mittlerweile gut umsorgt in einem Heim, und die Autorin und ihr Partner ziehen bald in die Nähe und das Haus im Toggenburg, das seit 60 Jahren im Familienbesitz ist. Über die Freuden und Nöte von Neo-Hausbesitzerinnen informiert Debrunner Interessierte über Twitter (über 100'000 Tweets, gut 3‘800 Follower) und Facebook laufend.

Feuer unter dem Arsch

Als Gastgeschenk brachte sie selbstgemachten Likör und Tannzapfen aus dem Toggenburg mit. „Die Tannenzapfen sollen dem Thurgau Feuer unter dem Arsch machen, mit dem Likör kann man die Flammen nachher wieder löschen“, lachte sie. - KellerSchuran war angetan von ihren Gaben.

Sorgt für den guten Ton: Der Multi-Instrumentalist Martin Schumacher.

 

***

* Zora Debrunner schreibt für thurgaukultur.ch.
* Rolf Müller ist Redaktionsleiter von thurgaukultur.ch.
* Sascha Erni lebt mit Zora Debrunner im Konkubinat.


***

Mehr zum Thema:

Late-Night-Shows ohne Netz - thurgaukultur.ch vom 5.11.2014
Zora Debrunner bleibt die Ehre - thurgaukultur.ch vom 27.06.2014

 

 

www.kellerschuran.ch

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