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von Rolf Müller, 06.03.2015

Miller backstage

Miller backstage
Kaffee vor dem zweiten Set: Rolf Miller in der Garderobe. | © Rolf Müller

Rolf Miller mit „Alles andere ist primär“ am KIK-Festival war wortfetzig, witzig und irre schnell. Ein Pausenbesuch in der Garderobe zeigt: Sein Erfolg gründet auf Nachdenken und solidem Handwerk.

Rolf Müller

Auf der Bühne gibt er den proletarischen Stammelsymphoniker, der kaum einen Satz zu Ende denkt, geschweige denn auf den Dings… äh, Punkt bringt, aber immer die Welt erklärt. Zusammen mit den Figuren der Kumpels Jürgen und Achim sowie – Premiere: zwei Frauen! – dem "Apparat" („Füsse bis zum Hals rauf“) sowie der „Sirene“ unterhielt er das Publikum im gut gefüllten Saal im Kreuzlinger Dreispitz bestens. Zwei Sets lang, beide rund fünfzig Minuten, alleine mit Stuhl, Mikrofon und einer Flasche Wasser.

Typische Pose I: Flätzender Rolf Miller, der ganz einfach die Welt erklärt. (Bilder: Rolf Müller)

Interessant - und zuweilen anstrengend: Millers Geschichten gehen immer weiter, er baut nicht auf wiederkehrende Witze mit Aha-Erlebnis, schliesst selten Erzählkreise, sondern schickt vielmehr mit schnellen Schnitten seine Figuren ins Gefecht, feuert Pointen ab und mäandert wild in den Themen – „verstehsch!“, und das in fränkischem Dialekt. Da muss man als Zuschauer schon bei der Sache sein. Gut, mindestens ein Drittel des Publikums an diesem Abend kam eh aus dem süddeutschen Raum.

Frauen in der Memo-Pause

Unverändert schlicht ist das Frauenbild, obwohl „der Mensch vom Typ her geschaffen ist für die Frau“. Im nächsten Leben will er mit der Weiblichkeit dann auch nicht mehr stationär, sondern nur noch ambulant zu tun haben, denn „warum ist die Scheidung so teuer? Weil sie es wert ist“. Und seine Ex-Freundin habe einen Gehfehler – sie gehe mit dem Falschen.

Kurvt er mit seinem Audi A5 rum, sieht er lauter verkehrsbehindernde Frauen „in der Memo-Pause“ – dreimal BWL abgebrochen, Jura nicht angefangen und jetzt in der Kosmetik tätig – um die vierzig Jahre in Mini Coopers, die samt und sonders in „psychotische Behandlung“ gehörten.

Rolf Miller erklärt backstage die Entstehung eines Programms, dann ruft KIK-Mann Micky Altdorf: "Achtung, noch sechs Minuten!"


Ja, diese Redewendungen. Millers Figur kennt sie alle, aber keine recht: „Reden ist Schweigen, Silber ist Gold“. – „Klar, alles hat Vor- und Nachteile, aber manchmal überwiegt beides“. Weiter gab Miller bekannt, dass Putin heimlich unter der Bettdecke die Bee Gees höre und Russen generell gerne Modern Talking – „schwuler geht’s gar nicht“ -, aber die AK 47 die beste Langfeuerwaffe der Welt ist, die können sie!

„Verstesch, Tür, von klein auf"

Obligat verhandelte er auch den Fussball („Super, WM in Katar im November, mit T-Shirt und Glühwein im Public Dings“), erinnerte sich an die Schulzeit (… da sagte der Lehrer: „Ihr seid so blöd wie… und dann ist ihm nichts mehr eingefallen“) und an den Beginn von Achims Türsteherkarriere: „Verstesch, Tür, von klein auf. Sagte immer schon: Ich will an die Tür“.

KIK-Festival 2015: So geht es weiter

Oropax, 6.3.; Alfred Dorfer, 10.3. (ausverkauft); Urban Priol, 12.3.; Günter Gründwald, 14.3.; Christine Prayon, 20.3.

Für die Veranstaltungen des KIK 2015 sind Tickets im Vorverkauf erhältlich: Bei Starticket (print@home, Vorverkaufsstellen) und in der Geschäftsstelle von Kreuzlingen Tourismus an der Hauptstrasse 39, 071 672 38 40. (rom)


Und so weiter, mit vielen weiteren Themen und Schwenkern. Dicht an dicht. Sehr vergnüglich. Kein Wunder braucht Miller für das Schreiben eines Programms jeweils rund ein halbes Jahr, wie er in der Pause in der Garderobe sagte. Er nimmt Versatzstücke, die er sich ausdenkt oder aufgeschnappt hat und setzt sie zusammen, geduldig pröbelnd.

Hinter der Bühne ist er offen, zurückhaltend, reflektiert. Mit ein Grund, wieso er in Talkshows für die Redakteure keine Wunschbesetzung sei: Er sei spontan einfach zu wenig spassig dafür.

Mit ein Grund, wieso seine Programme so gut laufen: Weil sie Grips haben.

Typische Pose II: "... alles andere ist primär".

 
***

Interviews mit Rolf Miller anlässlich des KIK-Auftritts:

Gescheite Intellektsperre - thurgaukultur.ch vom 15.01.2015
"Ich bin im Job lustiger als im Interview" - Thurgauer Zeitung vom 3.03.2015


***

Bisher erschienene Kritiken und Beiträge zum KIK 2015:

Erwin Grosche - thurgaukultur.ch vom 1.03.2015
Joachim Rittmeyer - thurgaukultur.ch vom 8.02.2015
Christoph Sieber - thurgaukultur.ch vom 7.02.2015
Jochen Malmsheimer - thurgaukultur.ch vom 6.02.2015
Vorschau mit Micky Altdorf - thurgaukultur.ch vom 29.11.2014

kik-kreuzlingen.ch

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