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von Brigitta Hochuli, 17.06.2016

Abfuhr für Petition zum Tanzverbot

Abfuhr für Petition zum Tanzverbot
Öffentliches Tanzen ist im Thurgau nicht immer erlaubt und an Feiertagen auch der Justizkommission nicht unbedingt genehm. | © Rainer Sturm  / pixelio.de

Die Petition der Jungen CVP (JCVP) „Gegen das staatliche Verbot zu tanzen“ stösst bei der Justizkommission des Thurgauer Grossen Rates auf Ungnade. Eine Petition sei das falsche Mittel, eine Gesetzesänderung zu verlangen. Ausserdem vermutet sie Missbrauch des Petitionsrechts zu propagandistischen Zwecken.

Brigitta Hochuli

Worum geht es?

Die Junge CVP Thurgau hatte im Februar eine Petition mit 847 Unterschriften eingereicht, um das sogenannte Tanzverbot abzuschaffen, nach dem an hohen Feiertagen öffentliche Konzerte, Film- oder Theatervorführungen nicht gestattet sind. Es handelt sich dabei um Paragraph 5 Absatz 2 des Ruhetagsgesetzes.


Beratung: falsches Instrument

Die Justizkommission des Thurgauer Grossen Rates hat darauf verzichtet, beim Regierungsrat eine Stellungnahme einzuholen und in ihrer Detailberatung ging sie gar nicht erst auf den Inhalt der Petition ein. Stattdessen erörtete sie das Petitionsrecht, das in Artikel 33 der Bundesverfassung garantiert sei. Die Petitionäre forderten den grossen Rat dazu auf, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Für ein solches Anliegen aus der Bevölkerung sehe die Thurgauer Verfassung aber die Gesetzesinitiative vor. Dabei könnten 4000 Stimmberechtigte „den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen verlangen“.


Ausserdem hätten sich die Petitionäre auch ohne weiteres an ein Kantonsratsmitglied wenden können, „welches einen entsprechenden Vorstoss mit den zur Verfügung stehenden parlamentarischen Instrument hätte einreichen können.“ Nachdem es sich zumindest bei den Initianten der Petition um Parteimitglieder handle, hätten diese Kenntnis von den möglichen politischen Instrumenten, schreibt die Justizkommission in ihrem Bericht.


Schlussfolgerung: erledigt

Der Justikommission scheint die Einreichung der Petition zum Tanzverbot „entweder als Versuch zur Umgehung der Voraussetzungen für eine Volksinitiative zu sein, oder aber es handelt sich um einen medienwirksamen Aufhänger für öffentliche Auftritte der Petitionäre. So oder anders entspricht dies nicht dem Sinn und Zweck des Petitionsrechts.“ Entsprechend beantragt die Kommission dem Grossen Rat, „von der Petition Kenntnis zu nehmen und das Geschäft damit als erledigt anzusehen“.

 

„E chli fräch“

Lukas Auer, Präsident der JCVP Thurgau, äussert sich auf Anfrage enttäuscht über die Schlussfolgerung der Justizkommission. Er kritisiert auch, dass sie beim Regierungsrat keine Stellungnahme eingefordert habe. Davon hätte man sich einiges versprochen. Unter anderem interessiere nämlich, welche wirtschaftlichen Folgen das „Tanzverbot“ habe. Nun bleibe der Thurgau diesbezüglich stehen.


Die Behauptung, seine Partei habe die Petition „praktisch nur wegen der Medien“ eingereicht, weist er als Unterstellung von sich. „Das isch e chli fräch.“ Man habe sich sehr wohl ein anderes Vorgehen überlegt. Doch für eine Initiative seien Aufwand und Kosten zu gross gewesen, und für einen Einzelvorstoss durch ein CVP-Kantonsratsmitglied habe sich niemand bereit erklärt. Man habe schliesslich bewusst zum Mittel der Petition gegriffen, um den Regierungsrat zu einer Antwort „herauszulocken“. Ein Problem sei wohl auch die Zusammensetzung der Justizkommission, in der viele „Leute mit einem stärkeren christlichen Glauben“ sässen.


Lukas Auer gibt aber nicht auf. Nun könne man einen Kantonsrat von einer anderen Partei um einen Vorstoss bitten, als letzten Weg jenen der Volksinitiative gehen oder darauf hinarbeiten, dass alle Jungparteien in dieser Sache zusammenspannten. Ende Monat wolle der Vorstand das Vorgehen besprechen. (ho)

 


„So oder so wenig Chancen“

Christoph Stillhard, programmverantwortlich für das Cinema Luna in Frauenfeld und Kulturbeauftragter der Stadt, der sich zu Ostern zum Kinoverbot geäussert hatte, meint aktuell zum Bericht der Justikommission:


„Ich weiss nicht, was die JCVP für Gründe hatte, aber ich befürchte, dass das Geschäft auch auf anderen Wegen wenig Chance hätte. Den Umstand, dass die Thurgauer im Gegensatz zu den meisten anderen Schweizern an besagten Tagen nicht tanzen und nicht ins Kino gehen dürfen, finde ich nach wie vor eine Absurdität, die nichts mit den heiss umstrittenen Ladenöffnungszeiten zu tun hat.“ (ho)

 

Mehr zum Thema auf thurgaukultur hier und hier.

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