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von Brigitta Hochuli, 25.04.2012

Nach der Debatte die Tat

Nach der Debatte die Tat
Klaus Hersche, Beauftragter der Kulturstiftung des Kantons Thurgau, und Claudia Rüegg, Stiftungsratspräsidentin. | © Brigitta Hochuli

Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau arbeitet zurzeit daran umzusetzen, was Kulturschaffende in sieben Debatten vorgeschlagen haben: Ateliers im europäischen Ausland und eine kuratierte heimische Kunstplattform.

Brigitta Hochuli

Ein Jahr lang, von Dezember 2010 bis Dezember 2011, diskutierten Thurgauer Künstlerinnen und Künstler über ihr Befinden und ihre Wünsche. Zwei ihrer Anliegen will die Kulturstiftung unter Federführung ihrer Ratspräsidentin Claudia Rüegg und des Stiftungsbeauftragten Klaus Hersche jetzt umsetzen. Auf eine fachinterne Diskussion mit Theatermachern reagiert die Stiftungsleitung mit einem Hilfsangebot. Ein Debatten-Vorschlag wird von einer Arbeitsgruppe weiterverfolgt, zwei Vorschläge werden vorläufig auf Eis gelegt. Was von den Debatten geblieben ist, nennt Klaus Hersche Baustellen. Im Planungstadium wolle man nun Transparenz schaffen und für Stiftungsentscheide die Grundlagen erarbeiten, sagt Claudia Rüegg.

Atelier im europäischen Ausland

Angebote, auswärtige Kulturschaffende in den Thurgau zu holen, gebe es genug, meint Klaus Hersche. „Wir wollen uns darauf konzentrieren, die einheimischen wegzuschicken.“ Dabei wolle man die Förderbeitragspraxis des Kantons und das Berlinstipendium der Thurgauer Wirtschaft ergänzen, betont Claudia Rüegg. Der Idealfall wäre für sie, eine bereits bestehende Institution im europäischen, „auch sprachlich nicht zu exotischen“ und je nach Projekt ruralen oder urbanen Ausland zu finden, mit der die Stiftung in einem vorläufigen Zeitraum von zwei bis drei Jahren eine wechselseitige, entwicklungsfähige Beziehung aufbauen und überprüfen könnte.

Dort sollten sich Künstler aller Sparten mit einem Stipendium der Kulturstiftung für drei bis sechs Monate in einem Atelier arbeiten können und einen nachhaltigen Austausch mit den ansässigen Berufskollegen und der lokalen Bevölkerung pflegen. „Künstler sind da, wo Künstler sind“, zitiert Klaus Hersche die Performerin Muda Mathis und hebt den Vernetzungsgedanken des Angebots hervor. Dabei würde darauf geachtet werden, dass die Künstler so viel Geld bekämen, dass sie für den gesamten Aufenthalt nicht noch zusätzlich verdienen müssten. Die Finanzierung müsste realistisch sein. Einige 10‘000 Franken würde das Vorhaben deshalb pro Jahr binden, sagt Claudia Rüegg. Entschieden werde im Juli. Danach würde das Bewerbungsverfahren eingeleitet. „Sollte der Stiftungsrat dem Projekt zustimmen, könnte bereits nächstes Jahr das erste Atelier bezogen werden.“

Regionale Kunstplattform

Der Vernetzungsgedanke steht auch dem Wunsch nach einer gemeinsamen Kunstplattform im Thurgau Pate. Für Künstler der Region soll in Zukunft eine jurierte und kuratierte Werkschau organisiert werden. Dabei sollen alle vier vom Kanton subventionierten Thurgauer Kunsträume für einen Monat zusammenspannen. „Dadurch trägt nicht ein Kurator allein die ganze Last“, meint Claudia Rüegg. Es sei Teil des Experiments zu schauen, wie eine solche Zusammenarbeit möglich sei und wie viel Energie es dazu brauche. Mitmachen können nicht nur visuelle Künstler. Diese Kunstplattform soll gemäss Klaus Hersche unabhängig von traditionellen Gattungsbegriffen auch für performative Formen offen sein.
Gespräche mit den Vertretern des Kunstmuseums, des neuen Shed im Eisenwerk, des Kunstraums Kreuzlingen und der Kunsthalle Arbon haben bereits stattgefunden. Entschieden wird wie beim Atelierprojekt im Juli. Die erste Werkschau, deren Trägerschaft noch offen ist, könnte im November/Dezember 2013 stattfinden.

Hilfe für Theaterschaffende

In einem fachinternen Treffen auf Schloss Klingenberg, das Klaus Hersche „cosa nostra“ nennt, hat die Kulturstiftung Anfang Oktober 2011 auch die Sorgen und Nöte der Theaterschaffenden vernommen. Hier sei in der Vergangenheit viel Geschirr zerschlagen worden, sagt er. Die Frage sei, wie unter Thurgauern eine neue Theaterkultur ohne Konkurrenzdenken geschaffen werden könne. Es dürfe nicht Zufall bleiben, dass beispielsweise das See-Burgtheater und das Freie Theater Thurgau ihre Termine koordinierten. Dabei, dass sich die Theatermacherinnen und -macher besser gegen aussen vernetzten und nicht nur Nabelschau betrieben, wolle die Kulturstiftung behilflich sein. Es gehe nicht darum, die Theaterkultur zu kanalisieren, das Biotop brauche Gutes und Schlechtes, brauche auch Durchlässigkeit zwischen professionellem und Laientheater. Vielmehr wolle man künftig ein- bis zweimal pro Jahr den Austausch pflegen und allenfalls Anträge zum Beispiel zu Aufführungsmöglichkeiten oder zur ausserkantonale Wahrnehmung entgegen nehmen.

Kulturlandsgemeinde im Ideenprozess

Die Idee einer vom Appenzellischen auf den Thurgau angepassten Kulturlandsgemeinde hatte der Theaterschaffende Uwe Schuran an der Debatte vom 6. Dezember 2011 eingebracht. Diese Idee wird unabhängig von der Kulturstiftung von einer Arbeitsgruppe weiterverfolgt. Sie besteht aktuell aus Uwe Schuran, Markus Keller, Reto Müller und Matthias Frei. Man befinde sich in einem Prozess, sagt Markus Keller auf Anfrage von thurgaukultur.ch. Von einer Landsgemeinde sei man im Moment aber abgekommen und präsentiere dieser Tage den Stiftungsräten eine neue Form.

Expo auf Eis

Die Idee einer frühen künstlerischen Beteiligung an der Expo 2027 haben die Stiftungsverantwortlichen vorläufig als „noch nicht konkret“ auf Eis gelegt. Debattiert worden war sie am 29. August in der Trotte Pfyn. Vorgeschlagen worden war, dass sich die Thurgauer Kulturschaffenden aktiv und produktiv in das Projekt einer «Landesausstellung Ostschweiz» einbringen sollten. Kunst und Kultur müssten nicht einfach nur selbstverständlicher Bestandteil, sondern das tragende Fundament dieser Ausstellung sein, und zwar in dem Sinne, als Kultur demokratische Prozesse provozieren, produktive Energie freisetzen und kooperative Prozesse auslösen könne, schrieb Klaus Hersche in seinem Protokoll.

Kulturcluster zurückgestellt

Zurückgestellt ist gemäss Claudia Rüegg die Idee eines Kulturclusters Konstanz-Kreuzlingen, der in einem Neubau auf dem brachliegenden Gleisdreieck zwischen den Städten hätte entstehen können. Der Cluster war am 16. November 2011 Thema der sechsten Debatte im UBS-Ausbidlungszentrum Wolfsberg, bei der Think Tank Thurgau-Stiftungsratspräsident Toni Schönenberger Gastgeber war. Der TTT als Ideenträger habe zwar dereinst Gespräche mit den Ansprechpartnern der Städte, Hochschulen, Wirtschaft und Kultur geführt, Interesse sei auch gezeigt worden. Zur Umsetzung fehle aber bis heute der Wille. Gleichzeitig laufe das vom Bund subventionierte Agglomerationsprogramm, das Kultur ebenfalls nicht unterstütze.

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