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von Manuela Ziegler, 01.12.2014

Eine erste Bilanz

Eine erste Bilanz
Ohne Thurgau kein Konstanzer Konzil: Logo der Thurgauer Beiträge. |

Im Frühjahr begann das 600-Jahr-Jubiläum des Konstanzer Konzils. Auch der Thurgau ging mit einem vielfältigen Programm an den Start. Doch die Veranstalter hüben und drüben nähern sich nur langsam an.

Manuela Ziegler

Zeitweise um die 70000 Besucher zählte die Stadt Konstanz während des Konzils von 1414-1418. Das religiöse und politische Grossereignis zog Besucher aus Europa und der Welt an. Versorgt und beherbergt wurden sie vor allem im Thurgau, der auch als Kornspeicher für die Nachbarstadt diente. „Ohne den Thurgau kein ‚Konstanzer Konzil‘“ lautet denn auch das träfe Motto von Thurgau Tourismus zum Auftakt der Feierlichkeiten.

So unabdingbar die Stadt und ihr benachbartes „Hinterland“ miteinander historisch verflochten waren – im bisherigen Jubiläumsprogramm beider Seiten spiegelt sich das kaum.

Ein Erfolg – und wie weiter?

Aus der Fülle aller bisherigen Aktivitäten ragt ein grenzüberschreitendes Projekt heraus: Die Sigismundtafel im Mai 2014. Die Einladung zum Picknick zog um die 1200 Gäste ins deutsch-Schweizer Grenzland Tägermoos. Beim lockeren Austausch unter Nachbarn war für einmal das Verbindende erlebbar. Doch die Bilanz der weiteren gemeinsamen Aktivitäten in den ersten sieben Monaten fällt dünn aus. Programmplanung sowie Budgetierung der Veranstalter laufen getrennt ab. Im Thurgau selbst gibt es keinen gemeinsamen Fördertopf und viele Veranstalter.

So werden die Beiträge zum Konziljubiläum je nach Höhe von Kanton, vom Departement für Erziehung und Kultur oder dem Kulturamt gesprochen. Als grösstes vom Kanton getragenes Projekt mit 500 000 Franken ist eine vierbändige wissenschaftliche Publikationsreihe zu nennen, die quasi als Rückgrat der Jubiläumsjahre gilt, so Ramona Früh, Ansprechpartnerin beim kantonalen Kulturamt Frauenfeld.

Die Mitra ist zurück im Thurgau

Unter Polizeischutz wurde die Bischofskrone diesen Frühling vom Historischen Museum Thurgau an die Konzil-Feierlichkeiten ausgeliehen. Papst Johannes XXIII. soll 1414 auf dem Weg zum Konzil im Kloster Kreuzlingen übernachtet und dafür dem Abt das Recht verliehen haben, Stab und Mitra zu tragen. Zum 1. Advent ist die Mitra nun wieder ins Museum im Schloss Frauenfeld zurückgekehrt. (rom)


Meist handelt es sich jedoch um Mischfinanzierungen, wie bei der Sigismundtafel. Beteiligt waren die Konzilstadt Konstanz, Stadt Kreuzlingen, Gemeinde Tägerwilen und Agromarketing Thurgau. Die vom Regierungsrat eigens eingerichtete Koordinationsstelle bei Thurgau Tourismus ist auf Meldung der einzelnen Veranstalter angewiesen, um den Überblick zu behalten. Insgesamt seien kantonal getragene Veranstaltungen wie der Patriziergarten auf dem Arenenberg, Wege des Konzils und auch historische Produkte des Agro Marketings Thurgau bisher sehr erfolgreich gewesen, so die Verantwortliche Jasmine Forster.

Im Grossen schwer – im Kleinen leichter

Auch Ruth Bader, Geschäftsführerin der Konzilstadt zeigt sich sehr zufrieden mit der bisherigen Besucherresonanz und betont die riesige, überregionale Medienberichterstattung. Sieben Millionen Euro kostet das vielfältige Jubiläumsprogramm und beinhaltet Ausstellungen, Kunst, Theater, Musik, Literatur, Vorträge. Erste konkrete Zahlen liegen zur Pressekonferenz am 10. Dezember vor.

„Die Sigismundtafel war mein persönlicher Höhepunkt des Konziljubiläums bisher“, sagt die Geschäftsführerin. Als weiteres grenzüberschreitendes Ereignis nennt sie die Internationale Nacht der Lichter von den Kirchen organisiert, die in den Medien als Konzilsereignis leider „unterging“.

 

Das Weihnachtsgeschenk: "Rom am Bodensee"

Die Thurgauer Regierung hat für die vierteilige Publikationsreihe „Der Thurgau im späten Mittelalter“ 500‘000 Franken aus dem Lotteriefonds gesprochen. Der erste erschienene Band beleuchtet die Herrschaftsverhältnisse im Thurgau, das Leben in der Stadt Konstanz sowie den Alltag am Konzil selbst. «Rom am Bodensee - Die Zeit des Konstanzer Konzils» kann hier bestellt werden. Die ausführliche Buchbesprechung hier lesen. (rom)

 

Es fällt auf, dass grenzüberschreitende Aktionen dort zustande kommen, wo es um konkrete Projekte geht. Das zeigt auch der „Lehrerkoffer“ der Pädagogischen Hochschule Thurgau in Kreuzlingen zur Vermittlung des historischen Sachverhalts an Schulen. Er ging erst kürzlich an den Start. Es geht also, zwar nicht im Grossen, da mögen die Verwaltungsstrukturen der Länder zu verschieden sein, aber doch im Kleinen.

Grenzüberschreitende Aktivitäten sollen 2015 stärker fokussiert werden, so Ruth Bader, Geschäftsführerin Konzilstadt Konstanz. Auch Jasmine Forster von Thurgau Tourismus spricht von gemeinsamen Planungen, die aber noch nicht spruchreif seien. Beide Stellen betonen einen stetigen Informationsfluss. Auch eine gemeinsame Vermarktung ist angedacht.

Auf zur Grosstadt Bodensee

Gespannt sein, darf man schon jetzt aufs kommende Jahr. „Meeting Point“, initiiert von den Kunstvereinen Konstanz und Kreuzlingen, zeigt Arbeiten von Künstlern internationaler Herkunft, die sich mit dem Konzil beschäftigt haben. Und der Kunstfonds Konzil, eingerichtet von der Konzilstadt, ermöglicht ein Strassentheaterprojekt über die Grenze. Fürs Wirtschafskonzil gibt’s grenzüberschreitende Arbeitsgruppen. Das von beiden Städten für diesen Herbst vorgesehene Stadttor wurde aufgrund der verkehrsbedingten Änderungen am Kreuzlinger Zoll verschoben und sei in der Überarbeitung, so die Kreuzlinger Stadträtin Dorena Raggenbass.

Das Jubiläum über vier Jahre zu stemmen ist keine leichte Aufgabe. Das ergab bereits eine Interreg-Vorstudie zum Konziljubiläum. Nicht nur die Dauer, auch die Komplexität des historischen Ereignisses, seine politischen, religiösen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen bieten eine riesige Spielwiese einerseits, auf der man sich aber andererseits auch verlaufen kann. Nachhaltig und wertschöpfend soll das Ganze sein - zu Recht, angesichts der Ausgaben. Wünschenswert sind dafür gemeinsame Erlebnisse, nicht nur hüben und drüben, auch über den See hinweg, damit die historische Grossstadt Bodensee bewusst wird.


***

Mehr zum Thema:

Videobilanz zum Konzil - thurgaukultur.ch vom 17.06.2014
Von Rom angehaucht (Buchbesprechung) - thurgaukultur.ch vom 23.05.2014
60‘000 Fr. für Konzil-Stelle - thurgaukultur.ch vom 8.05.2014
Konstanz erinnert ein Weltereignis - thurgaukultur.ch vom 27.04.2014
Thurgau für Körper und Geist - thurgaukultur.ch vom 15.04.2014
Es ging nicht ohne den Thurgau - thurgaukultur.ch vom 17.01.2014
Zwischen Habsburg, Reich und Eidgenossenschaft - thurgaukultur.ch vom 13.01.2014

 

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