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von Rolf Müller, 23.08.2014

250 Stunden Tim und Tam

250 Stunden Tim und Tam
Premiere im Sommer 2015: Kaspar Schweizers Spielfilm. | © Rolf Müller

20 Tage lang drehte der Sekundarschüler Kaspar Schweizer die Adaption eines Jugendbuchklassikers. Der Rohschnitt ist fast fertig, und Autorin Federica de Cesco fragte schon nach dem Weg nach Steckborn.

Rolf Müller

Bereits als 1. Klässler hatte Kaspar Schweizer einen ersten Film im Kopf. Ihm schwebten damals gefährliche Cowboys auf Steckenpferden vor, die rund um ein Biotop wilde Sache machen. Die Rösser galoppierten dann nie wirklich, aber die Idee vom Filmemachen blieb. Das war 2005.

Die Eltern unterstützten das Interesse, in der Unterstufe folgten Improvisationen mit den Geschwistern vor der Kamera. Das machte zwar Spass, aber letztlich wenig Sinn: Ohne Drehbuch wird das nie etwas, dachte sich der Junge, und schrieb in der dritten Klasse eines für einen Pferdefilm. Dieser Dreh erwies sich bei genauerer Prüfung aber als zu aufwändig, nur schon wegen der Tiere.

Am Set in der Mediathek Steckborn gibt Kaspar Schweizer letzte Anweisungen, bevor die Kamera läuft. (Bilder: Rolf Müller)


Kaspar blieb dran. Er schrieb Drehbücher, hegte Pläne, filmte. Im Sommer 2012 präsentierte er „Auf heisser Spur“, einen Zwölfminüter mit Premierenanlass und allem Drum und Dran. Eineinhalb Jahre Freizeit hatte er in das Projekt investiert. Vierzehn war er unterdessen, der Kurzfilm kam beim Publikum gut an. Kaspar war motiviert. Und peilte ein weitaus grösseres Projekt an: Spielfilmlänge.

Adaption des Jugendbuchklassikers

Weihnachten 2012 war das Drehbuch dafür parat. Zwei Monate hatte er daran geschrieben; es folgt Federica de Cescos „Tim und Tam. Das Geheimnis der schwarzen Maske“ von 1984. Das Buch der in Luzern lebenden Schweizer Schriftstellerin („Der rote Seidenschal“) hatten ihm, dem Wenigleser, die Eltern empfohlen, beides Musikpädagogen. Er war begeistert, übersetzte die Sätze lesend laufend in mögliche Bilder.

„Für das Drehbuch musste ich natürlich kürzen. Das erste Drittel habe ich erfunden, das zweite biegt auf die Geschichte des Buchs ein, das letzte ist fast originalgetreu“, sagt der heute 16-Jährige. Achtzig Seiten mit neunundneunzig Szenen umfasste das Drehbuch, Ende März 2014 starteten die Aufnahmen, gedreht wurde zwanzig Tage lang an verschiedenen Orten im Thurgau, hauptsächlich aber in Steckborn, wo er mit den Eltern und zwei Geschwistern lebt und die 3. Sekundarklasse besucht.


Joel und Robin Güttinger spielen die Zwillinge Tim und Tam.

Kaspar, gross und schlaksig, wie das Teenager eben sind, wägt seine Worte sorgfältig ab. Einerseits. Andererseits schiessen ihm Gedanken manchmal so schnell durch den Kopf, dass das Gehirn die Sprachausgabe noch im Prozess stoppt: „Nicht so wichtig“, winkt er dann ab. Er ist ein akribischer Freak in Sachen Film. Konzept, Drehbuch, Sponsoren, Drehbericht; alles durchdacht und gut gestaltet.

Seine Hauptdarsteller Tim und Tam fand er mittels Flugblättern in den zehnjährigen Zwillingen Joel und Robin Güttinger aus Schlattingen. Die restlichen sechsundzwanzig Darstellenden rekrutierten sich im Freundes- und Bekanntenkreis durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Sie alle machten begeistert mit, lernten fleissig Text, stellten Räumlichkeiten zur Verfügung - und das alle für eine Premierenkarte.

Premiere am 6. Juni 2015

An den Sets war es wie Flöhe hüten: Kamera, Regie, Produktion – Kaspar überall. „Ich plane gerne, bin sehr zielorientiert“, sagt er von sich, räumt aber auch ein, dass die Bewältigung der vielen Aufgaben an die Substanz ging. Glücklicherweise konnte er auf ein gut zehnköpfiges Filmteam zählen, welches ihm für das ambitionierte Projekt mit einem Budget von 3500 Franken den Rücken freihielt.

Insgesamt kamen zweihundertfünfzig Drehstunden zusammen. In weiteren zweiunddreissig Stunden fügte er Ton und Bild zusammen. Jetzt, nach nochmals dreiundfünfzig Stunden, ist der Rohschnitt der Szenen fast fertig. Noch hat Kaspar den Film nicht am Stück montiert. Aber er sieht Licht am Ende des Tunnels. Der Termin für die Premiere steht bereits fest. Am 6. Juni 2015 wird gefeiert.

Zuvor jedoch wird er – schon ganz Profi – in verschiedenen Testvorführungen herausfinden wollen, wie das Publikum an welchen Stellen reagiert. Und die Szenen nötigenfalls umschneiden.

Federica de Cesco im Publikum?

Die Zeit um die Filmpremiere ist für Kaspar auch mit einer persönlichen Zäsur verbunden: Bis im Sommer 2015 muss er wissen, welchen Weg er beruflich einschlagen will. Am liebsten natürlich einen mit Kameras – eine Ausbildung zum Fotografen oder ein Praktikum bei einem TV-Sender, das wäre es. Zuvor geht es jetzt aber an die Endproduktion von „Das Geheimnis der Maske“.

Kürzlich hat er mit dem Verlag von Federica de Cesco telefoniert, um Details zu klären. Auch mit der Autorin, die sein Drehbuch vor der Produktion gelesen hatte und begeistert war, führte er ein Gespräch. Vielleicht kommt sie zur Premiere. Sie fragte ihn jedenfalls schon mal nach dem Weg nach Steckborn. Kaspar freut sich – und ist gleichzeitig schon jetzt etwas traurig: „Dann ist das Projekt zu Ende“. Neue Ideen hat er schon… nur müssen die jetzt noch ein bisschen warten.

Postproduktion am heimischen PC.

 

Die Filmgeschichte

Tim und Tam sind unzertrennliche Zwillinge, die ständig miteinander verwechselt werden. Zufällig treffen sie auf Frau Fort, die ebenfalls im Haus ihrer Lehrerin wohnt. Sie besitzt eine wunderschöne afrikanische Zeremonienmaske. In der nächsten Nacht wird dieses Massai-Prunkstück von einer internationalen Kunstbande gestohlen. Die Zwillinge denken nicht daran, die Nachforschungen der Polizei zu überlassen. Sie schrecken vor der Gefahr nicht zurück und nehmen den Kriminalfall selbst in die Hand. Dabei geraten sie in eine verflixt gefährliche Lage. (rom)

 
***

Weitere Informationen

Er dreht Filme aus Leidenschaft - Thurgauer Zeitung vom 29.11.2012

 

 

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