von Barbara Camenzind, 14.11.2016
Die neuen Meistersinger

Unkonventionell, schrägpoetisch und wunderbar lyrisch präsentierten sich Reto Zeller, Axel Pätz, Res Wepfer und der berühmt-schrullige Blues Max am Freitagabend im Frauenfelder Eisenwerk. Ein Abend voller Poesie, abgründigem Witz und musikalisch-satirischen Leckerbissen erfreute das zahlreich erschienene Publikum.
Das Frauenfelder Eisenwerk war der perfekte Ort für die vier Grenzgänger-Poeten, die mit morbidem Charme und bitterbösem Ernst das Leben, die Liebe und all seine Katastrophen besangen. Reto Zeller, seines Zeichens Geschichtenjäger, Kabarettist und Liedermacher ist Initiant des „Liederlich"- Festivals. Er eröffnete den Abend rund um die Sorgen und Nöte derer, die im Leben nicht nur immer auf Rosen gebettet sind.
Das klingt traurig, ist aber auch urkomisch. Hätte es in Savognin „nöd eine glitzt" dann wäre es fraglich, ob es ihn „denn jetzt git". So kurios einfach können Balladen rund um die Liebesgeschichte der eigenen Eltern entstehen. Das Publikum war berührt und ganz Ohr. Zeller entschuldigte sich leutselig beim weiblichen Publikum, dass sie in einem reinen Männerabend gelandet seien - um dann weiter die holde Damenwelt zu besingen.
Oper von Grieg und Nationalhymne
Der wortspielende Barde sinnierte also über eine Liebschaft mit einer Hildegard und landete schlussendlich mit seiner Angebeteten bei einer Oper von Edvard Grieg (die es gar nicht gibt). Zeller schrammelte sich an der Gitarre in die Herzen der lachenden Zuhörer. Was sich reimt ist gut, heisst ein altes Sprichwort.
Blues Max alias Werner Widmer ist schon seit „Rölleli da" der 90ern eine Grösse in der Kleinkunstszene. Sein trockener Humor und sein geschliffenes Slide-Guitar-Spiel sind ursprünglich, echt und haben mehr mit „Büezer-Musik" zu tun, als die Musik eines gewissen selbsternannten „Helden des kleinen Mannes", der sich neuerdings parteipolitisch verkauft. Max sinnierte groovend über die neue Nationalhymne der Schweiz. Die Eidgenossenschaft sollte nach dem zwar hehren, aber etwas mühselig komponierten Machwerk von Zwyssigs Schweizerpsalm doch einem Blues den Vortritt geben. Tosender Applaus im Saal.
Wortgewaltiger Mann an den Tasten: Kabarettist Axel Pätz. Bild: Barbara Camenzind
Der Deutsche Axel Pätz gilt als einer der ganz Grossen des Tastenkabaretts. Von „chill mal" bis zu „Carport" klimperte er am Flügel und am Akkordeon durch die Abgründe des menschlichen Alltags und des „anything goes". Der kleinstädtische Mief wurde ebenso besungen, wie die Liebesbeziehung mit einem Aufsitzrasenmäher. Wem dies zu absurd wurde, konnte sich bei Res Wepfer „erholen", der grinsend die Krise der zwischenmenschlichen Beziehungen besang und dabei nüchtern feststellte: Das Leben ist eine Kletterstange.
Mit frischen Texten, frech-freien Klautouren bei Grössen wie Peter Reber (Campari Soda) und Reinhard Mey überzeugten die liederlich-genialen Liedermacher das begeisterte Eisenwerk-Publikum. Sie gehören mit ihren spitzen Zungen und den eingängigen Melodien zu den Meistersingern unserer Zeit. Der Nürnberger „Schwankmeister" Hans Sachs hätte seine Freude an ihnen gehabt.
So klang das Liederlich-Festival: Trailer zum diesjährigen Programm.

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